MÖSSINGEN. »Er hatte doppeltes Glück im Unglück«, sagt Dr. Daniel Schmidt-Rothmund, Leiter des NABU-Vogelschutzzentrums Mössingen. Ein Wespenbussard (Pernis apivorus) ist Anfang Mai gegen die Glasscheibe eines Reutlinger Schulgebäudes geflogen. Was für viele Vögel tödlich endet, ist bei diesem Tier gerade noch glimpflich ausgegangen. »Durch den Aufprall hatte der Bussard eine leichte Gehirnerschütterung. Glücklicherweise ist der Wespenjäger im NABU-Vogelschutzzentrum Mössingen schnell wieder genesen und kann entlassen werden«, berichtet der Ornithologe. Auch wenn dieser Unfall an vogelsicherem Glas nicht passiert wäre, schafft er eine Chance: Vor dem Abflug stattet Dr. Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut in Radolfzell das seltene Tier mit einem Peilsender aus. »Ab sofort können wir beobachten, wo sich der Wespenbussard aufhält und wohin er fliegt. Je mehr wir über die Art lernen, desto besser können wir sie in der Zukunft schützen«, erklärt Schmidt-Rothmund.
Greifvogel mit stichsicherer Weste
Anders als bei seinen Artverwandten stehen auf dem Speiseplan des Wespenbussards hauptsächlich die Larven von Wespen und anderen Insekten. Dazu gräbt er die Nester bodenlebender Wespen mit seinen Füßen aus. Seine vergleichsweise wenig stark gebogenen Krallen sind dafür das perfekte Werkzeug und das dichte Gefieder und die Hornplättchen an den Füßen schützen ihn vor Wespenstichen. "In Baden-Württemberg leben aktuell geschätzt 500 bis 700 Brutpaare des Wespenbussards.
Obwohl Amphibien, kleinere Vögel oder Reptilien sicher risikoloser zu erbeuten wären, kommen sie bei diesem stattlichen Greifvogel seltener auf den Tisch", erklärt Schmidt-Rothmund. Sein Bestand hat sich in den vergangenen Jahren leicht erholt, weshalb er laut Roter Liste nicht mehr als gefährdet gilt und nur noch auf der Vorwarnliste steht. Über den Wespenbussard in Baden-Württemberg ist aber wenig bekannt. Die Besenderung hilft daher dabei, so viel wie möglich über die Eigenarten des Wespenjägers und seinen Lebensweg und -wandel im Brutgebiet herauszufinden. Auch seine Zugroute im Herbst nach Afrika lässt sich genau verfolgen.
Unsichtbare Gefahr für gefiederte Flugpiloten
Dass sich Vögel an einer Glasscheibe verletzen oder durch den Aufprall gar sterben, ist tägliche traurige Realität: Etwa 100 Millionen Vögel in Deutschland kollidieren jedes Jahr allein mit Glasscheiben von Gebäuden. Denn wenn sich die Landschaft in Fensterscheiben spiegelt oder Glasflächen den Durchblick auf dahinterliegendes Grün oder freie Flächen ermöglichen, nehmen Vögel das Glas als Barriere nicht wahr. Es braucht auf den Fenstern Markierungen, die den Tieren signalisieren: Hier kannst du nicht durchfliegen. »Ein flächiges Muster mit Punkten, Streifen oder anderen kreativen Zeichen helfen den Vögeln, das Hindernis früh zu erkennen«, rät Schmidt-Rothmund. Die Abstände zwischen den Elementen sollten dabei nicht größer als eine Handbreit sein, damit die Vögel nicht versuchen, durch die vermeintliche Lücke hindurchzufliegen. (eb)