KIRCHENTELLINSFURT. Es sei »ein Abschied von einer besonderen Stellenteilung«, stellte Elisabeth Hege, Dekanin des evangelischen Kirchenbezirks Tübingen, fest: Seit 2017 teilten sich Susanne Edel und Cordula Modrack den Arbeitsplatz als evangelische Pfarrerinnen in Kirchentellinsfurt. Am Sonntag leiteten beide zusammen letztmals einen Gottesdienst in der mit gut 300 Besuchern zum Bersten vollen Martinskirche.
Dieses Tandem habe in der Landeskirche Beachtung gefunden, so Elisabeth Hege weiter: Susanne Edel und Cordula Modrack übernahmen die evangelische Kirchengemeinde Kirchentellinsfurt vor über sieben Jahren nach einer Vakanz. Cordula Modrack sollte zunächst nur Vertretung sein. Mit der Bewerbung von Susanne Edel entschied sich das Dekanat für die Duo-Lösung.
Pfarrerinnen-Tandem fand Beachtung in der Landeskirche
Mit guter Abstimmung, Arbeitsteilung und Arbeiten auf Augenhöhe, so die Dekanin, sei den beiden Pfarrerinnen nicht nur ein starker Start gelungen, diese Attribute hätten das gemeinsame Wirken in Kirchentellinsfurt geprägt. Und: »Ihr wart kreativ, verantwortungsvoll und hattet Ausstrahlung.« Das Duo habe Neues ausprobiert, so führten sie Tauffeste und Abendgottesdienste ein.
Laut Elisabeth Hege setzten Susanne Edel und Cordula Modrack Themen und beileibe keine einfachen: Sie appellierten an die Friedensverantwortung der Christen. Kirchentellinsfurt war die erste Gemeinde im Kreis, in welcher ein gleichgeschlechtliches Paar getraut wurde. Susanne Edel engagierte sich im Bereich der gewaltfreien Kommunikation. Nicht zuletzt, so Elisabeth Hege, machte sich das Pfarrerinnen-Duo Gedanken darüber, »wie es mit den Immobilien der Kirche weiter geht.«
Die Kirchentellinsfurter Martinskirche war selten so voll wie am Sonntag
Die beiden Pfarrerinnen waren in ihrer Gemeinde beliebt. Über 200 Menschen versammelten sich am Sonntag im Kirchenschiff. Annähernd hundert saßen oben auf der Empore. So voll, deutete Cordula Modrack nach dem Gottesdienst an, sei die Martinskirche in ihrer Amtszeit selten gewesen. Am ehesten noch zu Weihnachten. Dieser Zuspruch rührte die 37-Jährige noch in der Kirche zu Tränen.
2017, frisch aus dem Vikariat und gerade Mutter geworden, trat Cordula Modrack die halbe Stelle an. Gleichzeitig suchte die vorige Direktorin des Pfarrseminars, Susanne Edel, eine halbe Stelle. Die beiden Frauen ergänzten sich: Cordula Modrack übernahm die religionspädagogischen Aufgaben, gab Religionsunterricht und war für die Konfirmandenarbeit zuständig. Während sie sich um die Arbeit mit dem Kirchengemeinderat kümmerte, übernahm Susanne Edel die Personalverantwortung.
Die beiden Frauen ergänzten sich
Ihre Predigten am Sonntag knüpften aneinander an und bezogen sich auf ihre jeweilige persönliche Situation. Cordula Modrack wählte jene Geschichte aus dem Buch Josua, als die Israeliten mit der Bundeslade am Jordan standen und ins gelobte Land blickten. Sie wussten nicht, wie es weitergeht. Doch dann teilten sich die Fluten – und die Israeliten schritten trockenen Fußes weiter.
Über dieses Thema habe sie 1981 ihre erste Seminararbeit geschrieben, erinnerte sich Susanne Edel. Sie folgerte: »Das göttliche Tun mündet ins Reine. Das menschliche Tun in die Ruhe.« Die Israeliten hätten unter persischer Herrschaft in Notunterkünften gelebt, durften aber Beschneidung und Gottesdienste durchführen.
»Menschlich werden - Respekt zollen!«
Der Umgang mit dem Nächsten: »Wer mich nervt und bedroht, ist dennoch ein kostbares Geschöpf im Netzwerk des Lebens«, so Susanne Edel. Die etwa von rechten Parteien geforderte Vertreibung der Völker sei ein Ausdruck dessen, dass diejenigen, die forderten, Gott die Herrschaft streitig machen wollten. Susanne Edel forderte stattdessen: »Menschlich werden, Respekt zollen!«
Nach ihrem letzten gemeinsamen Gottesdienst traten die beiden Pfarrerinnen durch die Seitentür ins Freie. Die Gottesdienst-Besucher saßen noch. Um keinen Stau an der Tür zu verursachen, rief Susanne Edel noch hinein: »Uns kann man auch im Gemeindehaus auf Wiedersehen sagen!« Das tat die überwiegende Mehrheit der Besucher dann auch. (GEA)