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Aktuell Initiative

800 zusätzliche Stellen für Uni Tübingen?

Mit neun Clustern geht die Uni Tübingen in die entscheidende Phase der Exzellenz-Initiative. Die Präsentationen für die Gutachter starten in der nächsten Woche

Tübingen war bei der Vor-Auswahl im Februar die erfolgreichste Uni in Deutschland (von links): Prorektor Peter Grathwohl, Rektor
Tübingen war bei der Vor-Auswahl im Februar die erfolgreichste Uni in Deutschland (von links): Prorektor Peter Grathwohl, Rektorin Karla Pollmann und der Vorsitzende des Unirates, Bernhard Sibold wissen: Mindestens zwei Cluster müssen bewilligt werden, damit man den bisherigen Exzellenzstatus verteidigen darf. Foto: Joachim Kreibich
Tübingen war bei der Vor-Auswahl im Februar die erfolgreichste Uni in Deutschland (von links): Prorektor Peter Grathwohl, Rektorin Karla Pollmann und der Vorsitzende des Unirates, Bernhard Sibold wissen: Mindestens zwei Cluster müssen bewilligt werden, damit man den bisherigen Exzellenzstatus verteidigen darf.
Foto: Joachim Kreibich

TÜBINGEN. Der Lehr- und Forschungsbetrieb läuft wie gewohnt. Öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich in erster Linie auf die aktuellen Protest-Aktionen gegen Sparpläne bei der Grundfinanzierung der Hochschulen (wir berichteten). Aber hinter den Kulissen herrscht emsige Betriebsamkeit. Neun Forschungsverbünde der Uni Tübingen bereiten sich auf eine entscheidende Prüfung vor, bei der es um viel Geld und Reputation sowie Hunderte von Stellen geht.

Beim Exzellenzwettbewerb war Tübingen im Februar die erfolgreichste Uni in Deutschland. Zu den drei bestehenden Forschungsverbünden (Clustern) kommen sechs weitere Anträge, die nun vollständig ausgearbeitet und den Kommissionen zur Entscheidung vorgelegt werden. Bei jedem dieser Anträge geht es um 40 bis 50 Millionen Euro, verteilt auf sieben Jahre. Ab 20. November werden sie wie alle anderen aus der ganzen Republik in Bonn gründlich begutachtet. Die Gutachter werden bis Anfang Februar brauchen, bis alle abschließend beurteilt sind. Für die Wissenschaftler heißt es: alles bestens vorbereiten, eine letzte Generalprobe – und dann die entscheidende Präsentation.

Zwei muss man mindestens durchbringen

Theoretisch könnte Tübingen mit allen neun Clustern erfolgreich sein. Ganz grob würde das einen Zuwachs von 900 Stellen bedeuten, denn bei jedem der Vorhaben wird entsprechend viel Personal benötigt. Je ein Cluster läuft allerdings in Kooperation mit Hohenheim beziehungsweise Heidelberg (also wären es in Tübingen nur 800, nicht 900 Stellen).

Zwei Cluster müssen die Tübinger mindestens erhalten. Das ist Voraussetzung, um sich bis August 2025 erneut für den Exzellenzstatus als Gesamt-Uni zu bewerben. Seit 2012 gehört Tübingen zu diesem Elite-Kreis – gegenwärtig sind es elf Hochschulen. Jeden lauten Jubel hat man sich im Februar verkniffen. Schließlich ist nur eine Hürde auf dem langen Weg überwunden worden. Eine Garantie für eine Bewilligung ist das noch nicht. Und nur wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten.

Mehr als die Großen in München und Berlin

Ein Blick auf die Liste zeigt aber: Baden-Württemberg war in dieser Runde das erfolgreichste Bundesland. Freiburg brachte zwei Neu-Anträge durch, Heidelberg einen, Karlsruhe (KIT) ebenfalls einen. Und Tübingen sticht mit seinen sechs heraus. Die beiden großen Münchner Unis brachten insgesamt nur vier durch. Berlin mit drei Hochschulen plus Charité kam auf zwei – gerade so viele wie Freiburg. Dass ein Tübinger Projekt in dieser Vorauswahl gescheitert ist, ging in der allgemeinen Freude fast unter.

Schaut man die Gesamtliste durch, dürfte das Optimisten Grund zum Träumen liefern. 70 Cluster können maximal bewilligt werden. 98 Anträge sind bundesweit im Rennen. Da müssten doch die Chancen für Tübingen bestens sein – oder?

Der Erfolg hat das Wir-Gefühl gestärkt

Rektorin Karla Pollmann hält das für trügerisch und macht keine derartige Rechnung auf. Schließlich muss im Einzelfall nicht viel fehlen, damit es am Ende doch nicht reicht. Auch der Hinweis, dass nur drei geisteswissenschaftliche Cluster im Rennen sind und eines davon aus Tübingen kommt, muss nicht zwangsweise dessen Chancen verbessern, glaubt die Rektorin.

Die 61-Jährige sagt: »Das ist ein unglaublicher Kraftakt.« Aber der Erfolg habe das Wir-Gefühl gestärkt. Bei allen Clustern habe man starke Partner gefunden – nicht zuletzt die Max-Planck-Gesellschaften. Und potenzielle Förderer merkten generell, dass Tübingen sehr vorzeigbare Ergebnisse präsentiere. Im Übrigen sei das starke Engagement in der Forschung keineswegs gleichbedeutend mit einer Vernachlässigung der Lehre.

Keiner arbeitet für den Papierkorb

Die Uni-Rektorin versichert, dass die Wissenschaftler im Falle eines Scheiterns bei der entscheidenden Runde des Exzellenz-Wettbewerbs nicht für den Papierkorb gearbeitet haben. Ähnlich wie ihr Vorgänger Bernd Engler verspricht sie: »Wir werden die Vorhaben dann auf andere Weise unterstützen.« Zwar könne man nicht dieselbe Ausstattung garantieren. »Aber es sind alles brandaktuelle, sehr relevante Themen.« Sie sollen unbedingt weiter erforscht werden.

In der Unispitze hat man inzwischen eine Weichenstellung getroffen, die auch den weiteren Fortgang im Exzellenz-Wettbewerb betrifft. Prorektor Peter Grathwohl geht am 31. März 2025 in den Ruhestand. Der Senat hat Katja Schenk-Layland mit 26 von 32 abgegebenen Stimmen zur Nachfolgerin gewählt, die für Forschung, Innovation und Transfer zuständig ist. Schenke-Layland ist seit 2011 Professorin für Medizintechnik und Regenerative Medizin an der Medizinischen Fakultät der Uni Tübingen und leitet außerdem seit 2018 das Naturwissenschaftliche und Medizinische Institut in Reutlingen (NMI).

Pollman findet: »Sie hat außergewöhnlich viel Erfahrung sowohl als Wissenschaftlerin als auch in der Forschungsanwendung. Diese Kombination wird die Uni in ihrer Entwicklung voranbringen.« (GEA)

Drei »alte«, sechs neue Forschungsverbünde

Drei Cluster in den Bereichen Infektionsforschung, Krebsforschung und Maschinelles Lernen bestehen bereits. Sie haben Folgeanträge gestellt.

Sechs bewerben sich zum ersten Mal. Die paläoanthropologische Initiative Human Origins will biologische und kulturelle Perspektiven in die Untersuchung der Entwicklung des Menschen integrieren. In der Initiative Terra geht es um Wechselwirkungen zwischen Stabilität und Diversität der Geo- und Biosphäre. Die Initiative GreenRobust aus dem Bereich der Pflanzenbiologie untersucht pflanzliche Anpassungsreaktionen auf äußere Einflüsse.

Die Initiative The Fe/male Brain setzt sich die Erforschung der Mechanismen zum Ziel, die den Einfluss des biologischen und sozialen Geschlechts auf Gehirnfunktion und Verhalten sowie auf die Ausprägung psychischer und neurologischer Störungen vermitteln. Im Clustervorhaben Bionic Intelligence for Health (BI4H) will man neuronale Erkrankungen besser erkennen,um sie adaptiv zu behandeln und damit die Lebensqualität der Betroffenen im Alltag zu verbessern. Die Initiative Critical Proximities untersucht verschiedenste Formen von Koexistenz und Kooperation. Ziel ist die Beantwortung der Frage, warum Koexistenz einmal Formen des friedlichen Nebeneinanders annimmt, andererseits aber in Konflikt und Auseinandersetzung münden kann. (-jk)