MÖSSINGEN. Der Endspurt beginnt. Noch gut acht Monate hat der Regionalverband Neckar-Alb Zeit, die Flächen festzulegen, auf denen künftig Windräder oder Solarzellen Energie erzeugen sollen. Am 4. Februar soll die Verbandsversammlung den Auslegungsbeschluss für den Teilregionalplan Solarenergie fassen, und noch im ersten Halbjahr soll eine weitere Anhörung für den Teilregionalplan Windenergie folgen. Die rund 440.000 Stellungnahmen der ersten Anhörungsrunde zu den potenziellen Windkraft-Standorten sind mittlerweile weitgehend bearbeitet.
440.000 Stellungnahmen, davon 275.500 auf Papier und 58.000 auf CD oder USB-Stick. Damit ist der Regionalverband einsamer Spitzenreiter im Land. Möglich wurde diese unfassbare Zahl, weil mehrere Bürgerinitiativen die Voraussetzungen geschaffen hatten, online mit wenigen Klicks bis zu 140 Stellungnahmen abzugeben. Diese kamen auf Papier oder CD beim Regionalverband an und mussten von einem externen Dienstleister erst einmal digitalisiert werden, was 104.000 Euro gekostet hat.
So wurden bisher 433.000 Schreiben ausgewertet, die von 6.650 Personen verfasst wurden, durchschnittlich als etwa 65 Einwendungen pro Person. Davon stammen 5.224 Verfasser aus der Region: 9 Prozent aus dem Kreis Reutlingen, 36 Prozent aus dem Kreis Tübingen und 55 Prozent aus dem Zollernalbkreis.
Bedenken gegen die Windkraft
Die übrigen kommen zum Teil aus dem ganzen Bundesgebiet. Spitzenreiter ist ein Schreiber aus Winterberg im Sauerland, der es im Alleingang auf 536 Stellungnahmen gebracht hat. 2.300 Personen haben mehr als hundert Stellungnahmen abgegeben. Dass Menschen aus ganz Deutschland Einwände vorbringen können gegen Windkraft-Standorte hier in der Region, ist dem Verbandsvorsitzenden Eugen Höschele ein Dorn im Auge: »Man muss sich wirklich überlegen, ob es nicht andere Wege gibt.« Weil das aber Bundesrecht ist, hätte er vom Land wenigstens eine Initiative im Bundesrat für eine Änderung erwartet. Auch wenn es ein Riesenaufwand ist: Jedes Schreiben wird geprüft. Die meisten Einwendungen, so Verbandsdirektor Dirk Seidemann, beinhalten allgemeine Bedenken gegen die Windkraft: »Das sind Themen wie Infraschall, Mikroplastik oder Eingriffe in die Natur. Die wenigsten beziehen sich auf konkrete Flächen in der Region.« Wenn sich, wie etwa in Rosenfeld, Hinweise auf Vorkommen eines seltenen Vogels ergeben, nimmt der Regionalverband Kontakt mit den Fachbehörden auf. »Wir haben in diesem Fall mit dem Naturschutz diskutiert, ob ein Ausgleich möglich ist. Weil das nicht der Fall war, haben wir die Fläche rausgenommen.«
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist nach wie vor die Bundeswehr mit den Tiefflugzonen für Hubschrauber. Dies würde etwa die Fläche in Gomaringen betreffen. »Das wird wohl Auswirkungen haben«, sagt Dirk Seidemann, »aber wir warten noch auf Detailhinweise der Bundeswehr.« Sollten die nicht eintreffen bis zur Beschlussfassung im Regionalverband, würden die Flächen herausgenommen. »Wir sind aber zuversichtlich, die geforderte Fläche von 1,8 Prozent für Windkraft trotzdem zu erreichen. Wir haben da ein gutes Polster.«
Regionalplan sichert Pläne
Diese gesetzliche Vorgabe zu erreichen sei wichtig, so Seidemann, damit die Steuerungsfunktion der Kommunen erhalten bleibe. Gelingt dies nicht, wird das Aufstellen von Windrädern nicht unmöglich. Im Gegenteil: Dann hat jeder Investor die Möglichkeit, überall Windräder zu installieren, sofern nach dem Immissionsschutzgesetz nichts dagegen spricht. Erreicht die Region das Ziel, 1,8 Prozent als Vorrangfläche auszuweisen, sind Windräder nur auf diesen Flächen möglich. Bei der Freiflächenphotovoltaik ist die Situation etwas anders. Hier sichert der Regionalplan Flächen, jedoch sind Anlagen auch außerhalb dieser Gebiete möglich. Dafür ist aber zusätzlich eine kommunale Bauleitplanung erforderlich. Auch ist der Widerstand bei Weitem nicht so groß. Im ersten Anhörungsverfahren Anfang vergangenen Jahres sind Stellungnahmen von 40 Privatpersonen eingegangen, eine davon allerdings mit 441 Unterschriften. In den Gemeinderäten, berichtet Seidemann, sei oft diskutiert worden, was das für die Landwirtschaft bedeutet: »Wir haben in einem Fall eine Fläche herausgenommen, weil der Gemeinderat eine Konkurrenz zur örtlichen Landwirtschaft gesehen hat. Auch bleiben die besten landwirtschaftlichen Böden auf jeden Fall erhalten.«
Am 4. Februar berät die Verbandsversammlung über die Flächen für Photovoltaik. Dann gibt es bis Ende Mai noch einmal die Möglichkeit, Stellungnahmen einzubringen. Bis September soll dann rechtlich alles unter Dach und Fach sein. (GEA)