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Workshop in Sachen Selbstverteidigung in Pfullingen

Warum ist Selbstbehauptung so wichtig? Und wann ist Selbstverteidigung angesagt? Marc Louia erklärt es Schülern

Zum Lachen ist wohl eher niemandem zumute, wenn er einen Daumen in den empfindlichen Nervendruckpunkt hinterm Ohr geschoben beko
Zum Lachen ist wohl eher niemandem zumute, wenn er einen Daumen in den empfindlichen Nervendruckpunkt hinterm Ohr geschoben bekommt. Im ZmS-Training mit Marc Louia wurde der Griff aber natürlich nur angedeutet. Foto: Zms
Zum Lachen ist wohl eher niemandem zumute, wenn er einen Daumen in den empfindlichen Nervendruckpunkt hinterm Ohr geschoben bekommt. Im ZmS-Training mit Marc Louia wurde der Griff aber natürlich nur angedeutet.
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PFULLINGEN. Warum Mädchen oft lächeln, wenn ihnen ein Typ auf die Pelle rückt? »Nicht, weil sie es lustig finden, sondern weil sie unsicher sind«, weiß Marc Louia. Er ist Trainer für Gewaltprävention und Selbstverteidigung und leitet das Projekt N.E.I.N., das Kurse für alle Altersklassen anbietet. In einem exklusiven ZmS-Training hat er Schülern der St.Wolfgang-Schule Reutlingen und der Wilhelm-Hauff-Realschule Pfullingen einen Workshop in Sachen Selbstbehauptung und Selbstverteidigung gegeben.

An einer Schülerin demonstriert er eine Situation, wie sie viele kennen: Ein Mann setzt sich neben ein Mädchen, kommt immer näher, will zu viel wissen. Das Mädchen schaut zur Seite und rutscht weg, gibt irgendwann entnervt Antworten. Marc Louia weiß, dass viele Mädchen so reagieren und erklärt, warum das nicht richtig ist. Celina fasst es in ihren Worten zusammen: »Wenn ich auf die Person, die mich blöd anmacht, eingehe, mache ich genau das, was der Täter will.« Und Michelle ergänzt: »Man darf nicht so höflich mit dem Täter umgehen und sollte gleich reagieren. Denn sobald man nett antwortet, ist man schon in der Falle und macht das Täter-Opfer-Spielchen mit.«

Handballen statt Fäuste. Denn: Unerfahrene verletzten sich beim Fausthieb oft selbst.
Handballen statt Fäuste. Denn: Unerfahrene verletzten sich beim Fausthieb oft selbst. Foto: Zms
Handballen statt Fäuste. Denn: Unerfahrene verletzten sich beim Fausthieb oft selbst.
Foto: Zms
»Wenn ich ein schlechtes Bauchgefühl habe, muss ich Grenzen setzen«

Dieses Spielchen, betont Louia, funktioniert nur, wenn das Opfer mitmacht. Täter gingen oft nach dem selben Muster vor. Alex gibt wieder, was er vom Trainer gelernt hat. »Es gibt das 4-A-System eines Angreifers: anschauen, ansprechen, annähern, anfassen. Der Täter wählt sich ein Opfer und macht mit diesem instinktiv vier Tests. Er sucht sich jemanden aus, bei dem er den geringsten Widerstand erwartet. Erstes Kriterium ist die Körperhaltung des anderen. Danach nimmt er Blickkontakt auf, lässt einen Spruch los. Damit testet er die erste Reaktion des möglichen Opfers. Solange das Opfer mitmacht, wird der Täter weiter testen. Das Opfer müsste sehr schnell mit einem lauten ›NEIN!‹ eine ganz klare Grenze ziehen.«

Wer selbstbewusst auftritt, läuft deutlich weniger Gefahr, angegriffen zu werden, erklärt Marc Louia. Christian hat sich gemerkt: »Man kann durch seinen Blick, durch die Stimme, Körperhaltung, Gestik und Mimik so viel erreichen. Bei der Haltung ist es wichtig, aufrecht zu gehen. Die Stimme sollte fest, klar und deutlich hörbar sein. Man sollte in kurzen Anweisungen sagen, was man nicht möchte.« Kommt das Nein nicht beim Gegenüber an, erklärt Louia, läuft man Gefahr, beim nächsten Mal wieder Opfer zu werden. Er empfiehlt, den eigenen Gefahrenradar einzuschalten. »Ich habe gelernt, wenn ich ein schlechtes Bauchgefühl habe, muss ich Grenzen setzen«, sagt Alex.

Foto: Zms
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Die beste Lösung im Umgang mit brenzligen Situationen ist, sie einfach zu vermeiden, sagt Experte Louia. »Sei clever – meide die Ecken, in denen es immer Stress gibt.« Mit Feigheit habe das nichts zu tun. Lukas hat für sich mitgenommen: »Man sollte schwierigen Situationen aus dem Weg gehen. Der nächste Schritt ist, eine verbale Grenze zu setzen. Wenn das auch nicht hilft, sollte man jemand anderen um Hilfe bitten. Und erst, wenn auch das nichts bringt, ist die letzte Möglichkeit, sich zu wehren, die körperliche Verteidigung.« Notwehr nennt sich das.

Marc Louia demonstriert die richtige Schutzhaltung, die in solchen Momenten eingenommen werden sollte. Ein Bein steht vorne, die Hände werden versetzt auf Höhe des Gesichts gehalten. Die Handflächen zeigen zum Gegenüber und signalisieren unmissverständlich: Stopp! »Es geht darum, sein Gesicht und seinen Kehlkopf zu schützen«, hat Kai erfahren.

Was die Schüler dann lernen, sind einfache Handgriffe und Schläge, mit denen man sich im Notfall zu Wehr setzen kann. Auch lernen die Schüler, wie sie sich gekonnt befreien, wenn sie von jemandem am Armgelenk gepackt werden. Schließlich zeigt ihnen der Trainer zwei Nervendruckpunkte, die besonders empfindlich sind und den Gegner schnell in die Knie zwingen.

Foto: Zms
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Nach zweieinhalbstündigem Kurs geht es mit der Konzentration der Schüler langsam aber sicher bergab. So viel Input will erst mal verdaut sein. Für alle aber waren es spannende Stunden, in denen sie viel gelernt haben, wie ihr Feedback zeigt.

»Es bringt nichts, immer höflich zu sein«

»Das Training ist wichtig, damit man weiß, wie man sich im Ernstfall verteidigen kann«, sagt Leonardo. »Der Trainer war nett und freundlich«, erklärt Lewin und Andre schließt sich ihm an: »Mir hat die Art sehr gefallen, wie er uns alles erklärt hat.« Kai ergänzt: »Ich fand gut, dass uns die Griffe ausführlich und geduldig gezeigt wurden.« Daniel gefiel, »dass wir nicht nur über Verteidigung geredet haben, sondern auch Übungen gemacht haben. Ich habe zum Beispiel gelernt, wie ich jemanden zu Fall bringen kann.«

Celina berichtet, sie sei selbst bisher noch nie in eine solche Situation gekommen, da sie Plätze mit zu vielen Menschen und Gassen mit zu wenigen Menschen meide. Sie erklärt aber auch: »Ich weiß jetzt, wie ich mich verhalten sollte, wenn mich jemand von der Seite blöd anspricht.« Und Mathilda sagt: »Ich habe gelernt, dass es nichts bringt, immer höflich zu sein.« Alex hat besonders gut gefallen, »dass der Trainer alles anhand von Beispielen erklärt hat«. Ein Selbstschutztraining hält er für wichtig, da »99 Prozent der Betroffenen falsch handeln, vieles kann man schon frühzeitig stoppen.«

Lukas Resumee ist: »Ein Selbstschutztraining ist wichtig, egal, ob man es brauchen wird oder nicht. Ich finde es gut, dass sich Menschen wie die vom Team N.E.I.N. dafür einsetzen, anderen zu helfen.« Michelle sagt: »Ich habe gelernt, wie man mit fremden Menschen, die einem komisch vorkommen, umgeht und wie man darauf richtig reagiert.« Und auch Andrea zieht eine positive Bilanz: »Das Training ist für unser Leben wichtig. Manchmal, wenn man keine Hilfe findet, muss man sich ja irgendwie selber schützen. Die Mädchen sollen das Gelernte im Kopf behalten und nicht auf die schönen Worte von Jungs reinfallen.« (ZmS/GEA)Klasse 10a, St. Wolfgang Schule Reutlingen