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Aktuell GEA-Leserreise

Zwischen Mittelalter, Jugendstil und Barock

Die baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen in ihrer ganzen Vielfalt

Nach Regen folgt Sonnenschein auf dem Rathausplatz in Tallinn. Foto: Ines Westphal
Nach Regen folgt Sonnenschein auf dem Rathausplatz in Tallinn.
Foto: Ines Westphal

Mit dem Flugzeug von Frankfurt aus ist Estlands Hauptstadt Tallinn schnell erreicht.Die mittelalterliche Altstadt ist noch immer von mächtigen Stadtmauern umgeben und wurde 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Auf dem Domberg, der Oberstadt, lebten einst der Adel und der Klerus. Hier findet man die Reste der alten Ordensburg, die Domkirche, die orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale aus der Zarenzeit sowie das Schloss, das heute als Regierungssitz dient. In der Unterstadt lebten die Kaufleute und Handwerker. Den Mittelpunkt bilden das Rathaus und der Rathausplatz mit den spitzgiebeligen bunt gestrichenen Bürgerhäusern und der ältesten noch betriebenen Apotheke Europas. An die russische Geschichte Tallinns erinnert der etwas außerhalb an der Ostsee gelegene Stadtteil Kadriorg mit bunten Holzhäusern. Das gleichnamige Schloss mit großem Park ließ Zar Peter I. für seine Frau Katharina 1718 als Sommerpalast erbauen.

Über die Via Baltica, eine der wichtigsten Straßen Nordeuropas, führt die Reise vorbei am Seebad Pärnu, über die Grenze nach Lettland und durch die lettische Schweiz zum Gauja-Nationalpark. Namensgeber ist der Fluss Gauja, der hier ein bis zu 85 Meter tiefes Urstromtal geschaffen hat. Besonders beeindruckend ist die Burg von Turaida. Die imposante Anlage wurde 1214 als Residenz des Bischofs von Riga errichtet. 

Seit Lettland 1991 die Unabhängigkeit wieder erlangte, ist Riga die Hauptstadt der lettischen Republik und mit etwa 700000 Einwohner die größte Stadt im Baltikum. Seit 1997 zählt sie zum Weltkulturerbe. Nach dem Abriss der Stadtmauer wurden die Freiflächen zu einem Stadtpark mit Stadtkanal umgestaltet, der heute die Altstadt von der Neustadt trennt. Zentrum der Altstadt ist der Marktplatz mit Rathaus und Schwarzhäupterhaus. Letzteres wurde im Krieg 1941 völlig zerstört und zum 800. Geburtstag Rigas 2001 wieder aufgebaut. Das ursprünglich 1334 errichtete Gebäude diente als Versammlungshaus der Gilden und ging später in den Besitz der unverheirateten Kaufleute, den Schwarzhäuptern, über. Mit dem Dom zu Riga, der Petrikirche, der Jakobikirche und der barocken Maria-Magdalena-Kirche sind nur einige der zahlreichen Kirchen der Stadt genannt. In der Neustadt entstand Anfang des 20. Jahrhunderts Rigas Jugendstilviertel. Lettische und russische Architekten, besonders Michail Eisenstein, schufen hier ganze Straßenzüge Mit mehr als fünfzig von ihm entworfenen Häusern prägte er das Stadtbild entscheidend. Den Kontrast dazu bildet der Zentralmarkt, der in und um die ehemaligen Zeppelinhallen untergebracht ist. Zu kaufen gibt es alles, nicht nur Lebensmittel, auch Kleidung und Schuhe. Im Herbst besonders schön: die reiche Auswahl an frischen Waldpilzen. An der Strecke in Richtung Litauen liegt Schloss Rundale, dass nach dem Vorbild des französischen Schlosses Versailles gestaltet wurde. Der Schlosspark ist ebenfalls im französischen Stil angelegt. 1735 wurde der Bau von der russischen Zarin Anna Iwanowna veranlasst und sollte dem kurländischen Herzog Ernst Johann Biron als Sommerresidenz dienen. Viel Zeit blieb Herzog Biron nicht, die Pracht zu genießen. Nach dem Tod der Zarin 1740 wurde er in die sibirische Verbannung geschickt. 

Das nächste Ziel der GEA-Leser ist der Berg der Kreuze bei Šiauliai in Litauen. Seit Jahrhunderten stellen Pilger hier Kreuze mit Wünschen oder Danksagungen auf. Zehntausende große Kreuze stehen inzwischen auf dem Hügel, behangen und umgeben von unzähligen kleinen Kreuzen. Den sowjetischen Machthabern war dieser Wallfahrtsort ein Dorn im Auge. 1961 ließen sie alles mit Bulldozern niederwalzen, doch bereits in der nächsten Nacht wurden neue Kreuze errichtet. Dies wiederholte sich im Laufe der Jahre. Dadurch wurde der Berg zunehmend zum Symbol des nationalen Widerstands der Litauer. 

Eine Fähre bringt die Reutlinger von der Hafenstadt Klaipeda aus auf die Kurische Nehrung. An der Küste bei Nida gönnte sich einst der Schriftsteller Thomas Mann ein Sommerhaus. Inzwischen ist dort eine kleine Ausstellung über Leben und Werk des Literaturnobelpreisträgers untergebracht. Bei strahlendem Sonnenschein genießen die GEA-Leser die schöne Küstenlandschaft mit den weißen Wanderdünen zwischen Ostsee und Kurischem Haff. 

Auf dem Weg in die litauische Hauptstadt Vilnius gibt es noch einen Stopp in Trakai. Über eine lange Holzbrücke erreicht man die Wasserburg im Galve-See. Im Kampf gegen die Kreuzritter war der imposante Backsteinbau von großer strategischer Bedeutung und ist somit bis heute für die Litauer ein Symbol für die Souveränität des Landes.

Schon von Weitem ist der Gediminasturm, das Wahrzeichen der Stadt Vilnius, auf dem Burgberg zu erkennen. Unterhalb erstreckt sich der historische Stadtkern mit schmalen Gassen und Bauwerken aus Barock, Gotik und Renaissance, der seit 1994 zum UNESCO-Weltkulturerbe gezählt wird. Besonders schön ist das einzige noch erhaltene Stadttor, das Tor der Morgenröte. Im oberen Bereich befindet sich eine Torkapelle mit der als wundertätig verehrten Ikone der Schwarzen Madonna. Nicht ohne Grund wird Vilnius oft als »Rom des Nordens« bezeichnet. Rund 40 Kirchen gibt es allein in der Altstadt. Besonders rund um die römisch-katholische Kathedrale Sankt Stanislaus herrscht beim Besuch der Reutlinger Gruppe Ausnahmezustand. Papst Franziskus hat sein Kommen angesagt und das muss gründlich vorbereitet werden. Aufgebaute Bühnen, Tonproben, Absperrgitter und viele Sicherheitskräfte geben einen Vorgeschmack auf die kommenden Tage in Vilnius. Doch da sind die GEA-Leser längst wieder daheim.