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Zwei Städte kämpfen gegen K.-o.-Tropfen

Sie sind meist farb-, geruchs- und geschmacklos, können Menschen aber handlungsunfähig machen. Zwei Städte wollen niederschwellig helfen. Bislang mussten Betroffene dafür tief in die Tasche greifen.

Kampf gegen K.o.-Tropfen
Projekte in Ulm und Freiburg sollen Menschen, die Opfer von K.-o.-Tropfen geworden sein könnten, helfen. Archivbild Foto: Nicolas Armer/DPA
Projekte in Ulm und Freiburg sollen Menschen, die Opfer von K.-o.-Tropfen geworden sein könnten, helfen. Archivbild
Foto: Nicolas Armer/DPA

Kurz nicht hingeschaut, schon sind sie im Glas: K.-o.-Tropfen. In Ulm und Freiburg laufen derzeit zwei Projekte, die Betroffenen bei der unfreiwilligen Gabe von K.-o.-Mitteln mit Tests und Betreuung niederschwellig helfen sollen. 

Unter K.-o.-Tropfen versteht man verschiedene Substanzen, die einen Menschen handlungsunfähig und wehrlos machen können. Wichtig für die Erfassung von Straftaten mit K.-o.-Tropfen ist der Nachweis darüber, dass solche tatsächlich verabreicht wurden. Weil sie nur wenige Stunden im Urin und im Blut nachweisbar sind, spielt Zeit beim Test eine wichtige Rolle. Da setzen die Projekte in Ulm und Freiburg mit kostenlosen Tests an. 

Umfeld soll sensibel reagieren

Doch der Schritt zum Test ist nicht so einfach. »Ich glaube, da spielt auch mit rein, dass man erst mal registrieren muss, was da passiert ist«, sagt Diana Bayer, Leiterin des Ulmer Frauenbüros. Oft reagiere auch das Umfeld nicht sensibel. »Jetzt komm', das wird doch nicht so was gewesen sein« oder »du trinkst doch sonst auch« seien häufige Sätze, die Betroffene verunsichern. Oft sei es dann zu spät für den Nachweis. Die Kampagne ziele daher auch darauf ab, das Umfeld zu sensibilisieren.

In Ulm arbeiten nach städtischen Angaben das Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum, die Stadt und der Verein Frauen helfen Frauen zusammen. Involviert sind demnach das Universitätsklinikum, das Bundeswehrkrankenhaus und die Donau-Klinik Neu-Ulm. Dort könnten sich Betroffene testen lassen und würden betreut.

Das Universitätsklinikum Freiburg bezieht nach eigenen Angaben Bars und Clubs ein. Dort werden die Testkits bei Verdacht an Betroffene ausgegeben. Nach Angaben des Universitätsklinikums lassen sich die Substanzen meist gut nachweisen, wenn innerhalb von zwölf Stunden eine Urinprobe genommen wird.

Die Tests sind laut den Initiatoren in beiden Städten für die potenziell Betroffenen kostenlos. Andernorts müssen Menschen die Proben selbst zahlen - das kann teuer werden. Bayer vom Ulmer Frauenbüro schätzt die Kosten in den meisten Fällen auf um die 270 Euro. Anette Thierauf-Emberger, Ärztliche Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin in Freiburg erklärt, dass im Rahmen des Projekts sehr umfangreich getestet werde. Dabei entstünden sogar Kosten in Höhe von etwa 1500 Euro. 

Landeskriminalamt geht von hohem Dunkelfeld aus

Das Landeskriminalamt (LKA) verzeichnete im vergangenen Jahr 184 Fälle, bei denen bestimmte Substanzen, die als K.-o.-Mittel gelten, in der Statistik als Tatmittel eingetragen wurden. Die Angabe des Tatmittels sei allerdings kein Pflichtfeld, erklärte ein Sprecher. In den Pandemie-Jahren waren die erhobenen Fälle demnach geringer. 2019 erfasste das LKA nach eigenen Angaben 191 Fälle. Die Mehrheit machen demnach Sexual- und Rohheitsdelikte, also zum Beispiel Körperverletzungen, aus. Der Sprecher betont, dass es vor allem bei Straftaten in diesen Bereichen ein hohes Dunkelfeld gebe. 

Komme es nach der Verabreichung zu keiner Folgetat, werde es schwierig, überhaupt zu merken, dass man Opfer von K.-o.-Tropfen wurde, sagt der Sprecher. Anzeigen könne man die unfreiwillige Gabe aber, sobald ein körperliches Unwohlsein entstanden sei. 

Wie die Projekte laufen

Die Ulmer halten sich bedeckt mit einer Bilanz. Die Projektgruppe teilt mit, dass die Donaustadt kein Hotspot bezüglich K.-o.-Tropfen sei. Wie viele Tests bislang gemacht wurden und wie die Ergebnisse ausfielen, geben sie nicht bekannt. 

Laut Anette Thierauf-Emberger wird das Angebot in Freiburg angenommen. Ihr zufolge wurden seit Beginn etwa 150 Testkits ausgegeben und knapp zehn Proben eingereicht. »Diese wurden sämtlich innerhalb eines kurzen Zeitfensters nach dem Auftreten von für die Betroffenen ungewöhnlichen Symptomen gewonnen, insofern scheint die Herangehensweise gut zu funktionieren«, sagt sie. »In den bisher übersandten Proben wurden keine Substanzen nachgewiesen, die nicht von den Betroffenen wissentlich eingenommen wurden.« Auch das sei ein wichtiges Ergebnis. 

Für die Kampagne erhalte das Frauenbüro aber viel Zuspruch von Menschen, die erzählen, selbst einmal betroffen gewesen zu sein, schildert Leiterin Diana Bayer. Wichtig ist Bayer, dass - egal, wie wachsam man ist - trotzdem etwas passieren kann. Sie betont: »Man kann den Opfern nicht vorwerfen: Du hast nicht richtig aufgepasst.«

© dpa-infocom, dpa:240724-930-182465/1