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Wahlplakate wirken weiterhin

Kommunikationsexperte Frank Brettschneider über die Bedeutung von Bildwerbung im Wahlkampf

Plakaten der Parteien kann man in der heißen Phase des Kommunal- und Europawahlkampfs gar nicht entgehen. Wie Ironie mutet es an
Plakaten der Parteien kann man in der heißen Phase des Kommunal- und Europawahlkampfs gar nicht entgehen. Wie Ironie mutet es an, dass dazwischen auch die Ankündigungen des »Zirkus Weisheit« hängen. FOTO: GISEL
Plakaten der Parteien kann man in der heißen Phase des Kommunal- und Europawahlkampfs gar nicht entgehen. Wie Ironie mutet es an, dass dazwischen auch die Ankündigungen des »Zirkus Weisheit« hängen. FOTO: GISEL

STUTTGART/REUTLINGEN. Wahlkampf ist nichts für Zartbesaitete. »Sei kein Arschloch« prangt es auf lilafarbigen Wahlplakaten von »Volt« für die Europawahl. Was will uns die Partei damit kund tun? Für Professor Frank Brettschneider ist die Stoßrichtung offenkundig: »Vermutlich will sie sagen, das Wählerinnen und Wähler der AfD Arschlöcher sind«, sagt der Kommunikationswissenschaftler von der Uni Hohenheim.

Gut findet er diesen Stil der politischen Auseinandersetzung nicht. Er ist damit nicht allein, auch Christian Ude, der Ex-OB von München, schäumt angesichts der Vulgärsprache und hält den Stil des Plakats für ebenso menschenverachtend wie die kritisierte Politik der AfD. Brettschneider hat zudem Zweifel an der Wirksamkeit eines solchen Plakats. »Wahlplakate müssen zwar nicht allen gefallen, sondern vor allem der Zielgruppe«, so der Experte. Er hält es aber für unwahrscheinlich, dass die Kleinstpartei mit dem Plakat Unentschlossene gewinnen kann. Und noch etwas stört ihn. Zwar werde ein einzelnes Plakat kaum Politikverdrossenheit fördern: »Aber es ist ein kleines Mosaiksteinchen unter vielen, die dazu führen, dass sich die Qualität von politischen Auseinandersetzungen auf so niedrigem Niveau befindet.«

An Wahlplakaten kommt keiner vorbei – schon weil sie in der heißen Phase der Wahlkämpfe an jeder Straßenecke hängen. Wider Erwarten haben sie aber trotz Facebook, Youtube und Tiktok nicht an Bedeutung verloren. Wahlplakate erreichen Studien zufolge zwei Drittel der Bürger, unabhängig von Alter und politischem Interesse. »Sie haben die größte Reichweite aller Wahlkampfinstrumente und sind damit nach wie vor ein wichtiges Mittel«, sagt Brettschneider. Selbst bei den unter 29-Jährigen liegen Wahlplakate ganz vorn, wenn auch dicht gefolgt von Social Media. Weil die Jungen kein Facebook mehr nutzen, sondern in erster Linie Instagram und Youtube, seien da dann aber auch mal die Inhalte von Zeitungen oder den öffentlich-rechtlichen Sendern dabei. »Auffällig ist, wie oft sie mit anderen über Politik reden«, so Brettschneider. Mit dem Alter stiegen dann die Wahrnehmung von Wahlspots im Fernsehen und von Wahlanzeigen in Zeitungen, heißt es in einem Papier des Forschers.

Brettschneider weiß, was ein gutes Wahlplakat ausmacht. Immer wieder hat er untersucht, wie Plakate wirken, zuletzt 2021 als er gemeinsam mit dem Forsa-Institut 20.000 Bürger befragen ließ. Kurz gefasst: Ein gutes Wahlplakat zieht Aufmerksamkeit auf sich, der Absender ist erkennbar und es enthält ein Bild. »Bildplakate werden sehr viel besser wahrgenommen als reine Textplakate. Etwa 70 Prozent der Betrachtungszeit entfallen auf die Bildbereiche«, sagt der Wissenschaftler.Die Plakate sollten auch nicht überfrachtet sein. »Man sollte nicht erwarten, dass man auf einem Wahlplakat elaborierte Argumente findet«, so der Wissenschaftler. Schließlich muss es schnell gehen, mehr als drei bis fünf Sekunden Aufmerksamkeit sind nicht drin. »Plakate machen auf ein Thema aufmerksam«, charakterisiert der Kommunikationswissenschaftler deren Hauptaufgabe. Dafür müssen sie möglichst kontrastreich sein und eine Botschaft haben. »Das kann auch ein einzelnes Thema sein«, sagt Brettschneider.

Parteien werde von Wählerinnen und Wählern Problemlösekompetenz in unterschiedlichen Feldern zugeschrieben: den Grünen beispielsweise Umweltschutz, der SPD soziale Gerechtigkeit, der CDU Sicherheit. »Die Funktion eines Plakats ist es, die Aufmerksamkeit auf so ein Thema zu lenken«, sagt Brettschneider. Am Wahltag denkt der Wähler dann im Idealfall an Thema und Partei.

Dass jetzt auch schon 16-Jährige wählen dürfen, ist laut Brettschneider bei den Wahlplakaten kaum spürbar: »Einige kleinere Parteien zielen speziell auf die ganz Jungen ab. Ansonsten hat das keine Auswirkung, weil das eine sehr kleine Wählergruppe bleibt«. Auch Deutsche mit Migrationshintergrund spielten keine große Rolle bei Wahlplakaten. »Ich bin gespannt auf die Wahlbeteiligung«, so Brettschneider. Er vermutet, dass sie in dieser Gruppe wieder unterdurchschnittlich ausfallen wird. Er wundert sich, dass gerade konservative Parteien so wenig auf diese Zielgruppe zugehen. (GEA)