TÜBINGEN. Die Bereitschaft von Menschen, ihre an Covid-19 gestorbenen Angehörigen obduzieren zu lassen, ist nach Auskunft eines Tübinger Pathologen größer als bei Sterbefällen durch andere Todesursachen. Prinzipiell werden Angehörige gefragt, ob sie mit einer Untersuchung des Leichnams einverstanden seien, sagt Hans Bösmüller, der Oberarzt der Pathologie an der Tübinger Uniklinik ist. »Einige zeigten aber selbst den Wunsch nach einer Autopsie, weil sie über die Umstände des Todes ihres Angehörigen mehr erfahren wollen.«
Seit dem vergangenen Frühjahr seien an der Tübinger Pathologie rund 20 im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorbene Menschen obduziert worden. Die Pathologie Tübingen ist Teil eines Netzwerks von Pathologien in Baden-Württemberg, deren Covid-19-Forschung vom Wissenschaftsministerium in Stuttgart gefördert und finanziell unterstützt wird. An diesen seien bisher fast 100 Autopsien durchgeführt worden, sagt Bösmüller.
Tübinger Pathologen fragen sich: Warum sterben manche Menschen und manche nicht?
Nur die Obduktion könnten klären, woran Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen am Ende sterben, sagt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne). »Weil Obduktionen wichtige Erkenntnisse liefern, unterstützt das Land die Covid-19-Obduktionsforschung der baden-württembergischen Universitätspathologien aktuell mit rund 1,8 Millionen Euro.« Zum Netzwerk gehören die Pathologien der Medizinischen Fakultäten in Heidelberg, Mannheim, Tübingen, Freiburg und Ulm.
Die Ergebnisse der Autopsien hätten ihn und seine Kollegen erstaunt, sagt Bösmüller. »Wir haben viele Organveränderungen in einer Form gefunden, die wir vorher in dieser Massivität nicht beobachtet haben.« Zwei Drittel der Untersuchten seien Patienten auf einer Intensivstation und im Alter zwischen 18 Jahren und 90 Jahren gewesen. In einer Autopsie würden wichtige Organe entnommen, erzählt Bösmüller. Dazu gehörten voran Lunge, Herz, Magen und Darm, Leber, Nieren und Gehirn. Danach folge die Untersuchung der in Formalin fixierten Gewebeproben. Die Hülle des Menschen gehe zum Bestatter.
Bösmüller war Ende Februar 2020 selbst einer der ersten Menschen in Baden-Württemberg, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Der 60-Jährige hatte Husten und Fieber und spürt jetzt keine Langzeitfolgen der Infektion. Bösmüller ist zuversichtlich, dass das Leben für die Gesellschaft nach den notwendigen Impfungen leichter und konstruktiver sein werde. »Ich bin optimistisch, dass man vielleicht im Sommer wieder ein paar Würstchen mit seinen Freunden grillen kann.« (dpa)