Rudersberg (dpa/lsw) - Das Hochwasser vor einem Monat in Rudersberg hat nach Einschätzung der Gemeinde Schaden in Höhe von mehr als 120 Millionen Euro verursacht. Darin seien Schäden an der öffentlichen Infrastruktur, bei Gewerbetreibenden und bei privaten Haushalten eingerechnet, teilte das Rathaus der nordöstlich von Stuttgart gelegenen 11.700-Einwohner-Gemeinde im Rems-Murr-Kreis mit. Hinzu kämen Schäden an der Wieslauftalbahn (rund 20 Millionen Euro), an Landes- und Kreisstraßen.
Auf Hilfe angewiesen - Gemeinde kann Schaden nicht alleine stemmen
»Rudersberg gilt mittlerweile als eine der am stärksten betroffenen Gemeinden in Baden-Württemberg«, erklärte Bürgermeister Raimon Ahrens. »Es wird Jahre dauern, bis wir die Infrastruktur wieder aufgebaut haben. Praktisch alles, von der Kläranlage bis zum Jugendhaus hat Schaden genommen.« Durch das Hochwasser und den Starkregen in der Nacht auf dem 3. Juni seien mehr als 1000 Haushalte betroffen gewesen. Ortsteile standen den Angaben nach bis zu zwei Meter unter Wasser, Rettungskräfte und Feuerwehr hätten sich in der Nacht selbst in Sicherheit bringen müssen. »Es grenzt an ein Wunder, dass in der Gemeinde Rudersberg keine Personen zu Schaden gekommen sind«, sagte Ahrens.
»Wir werden diese Herausforderung nur mit finanzieller Unterstützung bewältigen können«, erklärte der parteilose Bürgermeister. Bundes- und Landespolitiker hätten sich ein Bild vor Ort gemacht. Auf konkrete Zusagen warte die Gemeinde allerdings noch. Er vertraue darauf, »dass die Politik ihre Zusagen einhält und wir unsere Gemeinde wieder aufbauen können«. Der Schaden, welcher abzüglich der Versicherungsleistungen von der Gemeinde zu tragen sei, übersteige das jährliche Haushaltsgesamtvolumen der Kommune bei weitem.
Regierung prüft mögliche Hilfsprogramme
Die Landesregierung hat noch keinen genauen Überblick über die landesweiten Schäden. »Die Ermittlung der Schäden läuft, bislang haben wir nur Schätzungen«, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in Stuttgart. Städte, Gemeinden und Landkreise sollte diese schnellstmöglich melden. Zudem sei noch unklar, welche Schäden versichert seien. Für diese sei das Land dann ja gar nicht in der Pflicht, so Kretschmann.
Der Ministerrat habe sich mit Hochwasserhilfen befasst. Die Ministerien sollten nun prüfen, inwiefern 29 bestehende Förderprogramme auch für den Wiederaufbau nach den Flutschäden verwendet werden könnten, sagte Kretschmann. Sei etwa eine Kreisstraße beschädigt oder zerstört, komme für den Wiederaufbau ein Förderprogramm für den kommunalen Straßenbau infrage. Sollte es weiteren Bedarf an Hilfen geben, werde man eine Kabinettsvorlage für ein zusätzliches Hilfspaket in Höhe von bis zu 25 Millionen Euro zur Behebung kommunaler Schäden vorlegen, teilte das Innenministerium mit.
Brücken zerstört, Hänge abgerutscht, Gebäude unbewohnbar
In Rudersberg habe eine Starkregenzelle damals den kleinen Fluss Wieslauf binnen weniger Minuten zu einem reißenden Strom anschwellen lassen, erklärte die Gemeindeverwaltung. »Gleichzeitig flutete Wasser von den Hanglagen die Ortsbereiche.« In den vergangenen Jahren aufgebaute Hochwasserdämme hätten zwar vollständig funktioniert und gehalten, die Wassermassen von den Hängen der in Kessellage gelegenen Ortschaften aber nicht zurückhalten können. Sechs Tage lang seien Hunderte Rettungskräfte im Einsatz gewesen.
Etwa die Hälfte der öffentlichen Einrichtungen weist der Mitteilung zufolge Schäden auf. Gebäude seien teilweise nicht mehr nutzbar. Unter anderem seien beide Bäder geschlossen. »Wo sich normalerweise im Jahr bis zu 50.000 Badegäste tummeln, arbeiten aktuell die Sanierungsfirmen.« Straßen- und Radwegeverbindungen seien erheblich beschädigt oder abgerutscht. Rund 30 Hangrutsche behinderten die Aufräumarbeiten und müssten langfristig gesichert werden. Einzelne Gebäude seien deshalb aktuell nicht bewohnbar. Von 29 Brücken im Gemeindegebiet seien 20 beschädigt, zwei Brückenbauwerke seien vollständig zerstört.
Bürgermeister lobt Hilfsbereitschaft
Auf einem Spendenkonto der Gemeinde sind den Angaben nach schon rund 400.000 Euro eingegangen. Ein Teil daraus sei als Soforthilfe an Betroffene ausgeschüttet worden. Der Zusammenhalt sei gut, sagte Ahrens. Jeder helfe, wo er kann. »Wir spüren ein gutes Miteinander und sind überwältigt von dem der großen Hilfsbereitschaft und Unterstützung.«
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