Lachend lag Premieren-Champion Jack Draper auf dem Tennis-Rasen. Seinen Schläger hatte der Brite weggeworfen, sich selbst vor Freude auf den Boden sacken lassen. In Stuttgart hat der 22-Jährige seinen ersten ATP-Titel gefeiert. Mit 3:6, 7:6 (7:5), 6:4 bezwang Draper am Sonntag im Endspiel den favorisierten zweimaligen Stuttgart-Champion Matteo Berrettini aus Italien. Am Ende einer Tennis-Woche mit der Absage von Alexander Zverev und der Erkrankung von Jan-Lennard Struff kürte sich die neue britische Nummer eins zum Überraschungschampion.
»Es ist unglaublich«, sagte Draper nach seinem Erfolg vor knapp 6000 Zuschauern auf dem ausverkauften Center Court: »Ich bin so glücklich, meinen ersten Titel gewonnen zu haben.« Auf der Siegerliste in Stuttgart zu stehen, bedeute ihm viel, meinte Draper, der prominente Vorgänger wie die beiden Tennisstars Roger Federer (2018) und Rafael Nadal (2005, 2007, 2015) hat.
Rekord bleibt bei Nadal
Draper verbaute mit seinem Coup dem früheren Wimbledon-Finalisten Berrettini den Weg zum erhofften dritten Titel in Stuttgart nach 2019 und 2022. Nadals Bestmarke mit drei Stuttgart-Siegen bleibt damit vorerst unberührt. Neben dem Preisgeld von 111.785 Euro darf sich Draper darüber freuen, am Montag erstmals in die Top 30 vorzurücken. Zudem wird er in der neuen Tennis-Weltrangliste zum ersten Mal die neue britische Nummer eins.
Mit seinem ungewohnten Linkshänder-Aufschlag, der sich anders dreht als ein Rechtshänder-Aufschlag, hatte der junge Brite in den vergangenen Tagen einen Gegner nach dem anderen zum Verzweifeln gebracht. Gegen Berrettini leistete er sich im ersten Satz eine kurze Schwächephase, als er mit zwei Doppelfehlern mithalf und das Break zum 1:3 kassierte. Berrettinis aggressive Vorhand führte zudem immer wieder zu Punktgewinnen.
Nach zwei verlorenen ATP-Endspielen hatte sich Draper vorgenommen, selbst die Initiative zu ergreifen und nicht auf die Fehler des Gegners zu warten. Im zweiten Satz kam er besser in die Partie, steigerte sich zunehmend. Im entscheidenden Durchgang gelang es dem Briten, Berrettini zum 4:3 ein einziges Mal den Aufschlag abzunehmen. Es war die Entscheidung. »Das tut ein bisschen weh«, räumte der traurige Berrettini ein, der in den vergangenen Jahren immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen wurde. Auch vor dem Stuttgarter Turnier hatte er pausieren müssen.
Fragezeichen hinter Zverevs Teilnahme
53.000 Zuschauer in der Woche sorgten für eine so hohe Zuschauerzahl, wie es sie seit der Corona-Krise nicht mehr gegeben hatte. Die Veranstalter und der TC Weissenhof verlängerten ihren Vertrag zur Zusammenarbeit bis 2030, die Anlage soll in den kommenden Jahren an Wimbledon-Charme gewinnen. Die Zverev-Absage hatte das Event allerdings »sichtlich getroffen«, wie Turnierdirektor Edwin Weindorfer einräumte.
Generell forderte Weindorfer striktere Strafen für die Profis bei Turnier-Absagen, für Zverevs Verzicht hatte er so kurz nach dem verlorenen Fünf-Satz-Finale der French Open aber »im gewissen Maße« Verständnis. Zverevs Kommen 2025 ist allerdings trotz einer weiter laufenden Vereinbarung nicht sicher. Der Stuttgart-Termin liegt für die Grand-Slam-Finalisten in Paris in der direkt folgenden Woche ungünstig. »Wenn er wieder ins Finale ist, werden wir wieder zittern«, sagte Weindorfer.
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