STUTTGART. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will zur Landtagswahl 2021 für eine dritte Amtszeit kandidieren. Er werde seinen Hut wieder in den Ring werfen, sagte der 71-Jährige am Donnerstag in Stuttgart. Kretschmann ist seit 2011 der erste und bislang einzige grüne Regierungschef eines Bundeslandes. Er ist nach Umfragen der beliebteste Ministerpräsident in Deutschland. Seit 2016 regiert er mit einer grün-schwarzen Koalition - davor gab es ein grün-rotes Bündnis.
Kretschmanns Entscheidung wurde in seiner Partei mit Jubel und Erleichterung aufgenommen. Die Grünen-Bundeschefs Annalena Baerbock und Robert Habeck betonten in Berlin: »Er genießt großes Ansehen und Vertrauen und schafft es, auf besondere Weise Bindekraft für die Breite der Gesellschaft zu entfalten.« Grünen-Politiker Cem Özdemir twitterte: »Du bist Deutschlands beliebtester Ministerpräsident. Super, dass Du weitermachen willst! Ein guter Tag für unser Ländle.«
2016 waren die Grünen mit Kretschmann an der Spitze als stärkste Kraft aus der Landtagswahl hervorgegangen. Sie holten 30,3 Prozent. Die CDU landete mit 27 Prozent auf dem zweiten Platz. Die CDU-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl 2021, Kultusministerin Susanne Eisenmann, freut sich nach eigenen Worten auf einen fairen und in der Sache harten Wettbewerb. »Ich habe zu keinem Zeitpunkt mit einem anderen Gegenkandidaten als Winfried Kretschmann gerechnet«, betonte sie. »Klar ist: Keiner hat in einer Demokratie das Amt gepachtet.«
Der Realpolitiker Kretschmann zählt zu den Gründungsmitgliedern der Grünen im Südwesten. Sein Regierungsstil ist von Pragmatismus geprägt, der vielen Linken in der eigenen Partei manchmal zu weit geht, konservative Wähler aber anspricht. Kritiker halten ihm vor, einen präsidialen Regierungsstil zu pflegen, sich um Details nicht zu kümmern, aber Themen, die ihm selbst nutzen, an sich zu ziehen. In der grün-schwarzen Koalition gab es zeitweise gravierende Konflikte - etwa um Diesel-Fahrverbote zur Luftreinhaltung in Stuttgart.
Kretschmann tat sich mit der Entscheidung einer erneuten Spitzenkandidatur nicht leicht. Immer wieder verwies er vor der Sommerpause darauf, dass er zum Zeitpunkt der nächsten Landtagswahl 72 Jahre alt sein wird und die Entscheidung wohlüberlegt sein müsse. Andererseits haben es die Grünen versäumt, einen Nachfolger für Kretschmann aufzubauen. Hätte Kretschmann auf die Spitzenkandidatur verzichtet, hätten die Grünen unter Zeitdruck einen Nachfolger suchen und aufbauen müssen. Die Landtagswahl ist im Frühjahr 2021.
Kretschmann sagte, er wolle sich für eine volle Amtszeit von fünf Jahren bewerben. Es gebe keinen Plan, vorzeitig abzutreten, erklärte er zu Vermutungen der politischen Gegner. Er sehe in seinem Alter kein Problem für die erneute Bewerbung als Ministerpräsident. Entscheidend sei, dass man dem Amt körperlich und geistig gewachsen sei. »Den Eindruck habe ich von mir selber, dass das so ist.«
Kretschmann war 2011 überraschend Ministerpräsident geworden. Der Konflikt um das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21, die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima und der autoritäre Führungsstil des zuvor amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus trugen dazu bei. Die CDU, die jahrzehntelang im Südwesten regiert hatte, sprach lange von einem »Betriebsunfall«, einer vorübergehenden, grünen Episode. Sollte ihre Spitzenkandidatin Eisenmann bei der Landtagswahl 2021 Erfolg haben, wäre sie die erste Frau überhaupt an der politischen Spitze Baden-Württembergs. (dpa)