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Hesse-Haus auf Bodensee-Halbinsel Höri wird zum Politikum

Streit um geplantes Mehrfamilienhaus. Eigentümer des Dichterhauses am Bodensee rufen den Landtag an

Das Haus von Hermann und Mia Hesse in Gaienhofen. Ein Bauprojekt in nächster Nähe bereitet den Eigentümern Sorgen.  FOTO: FRICKE
Das Haus von Hermann und Mia Hesse in Gaienhofen. Ein Bauprojekt in nächster Nähe bereitet den Eigentümern Sorgen. FOTO: FRICKER
Das Haus von Hermann und Mia Hesse in Gaienhofen. Ein Bauprojekt in nächster Nähe bereitet den Eigentümern Sorgen. FOTO: FRICKER

KONSTANZ. Auf der Halbinsel Höri am westlichen Bodensee ist ein heftiger Streit entbrannt, der bald den Petitionsausschuss des Landtags beschäftigten wird. Die Abgeordneten sollen schlichten und ein Knäuel verschiedener Interessen aufdröseln. Im Kern geht es um das Wohnhaus des Dichters Hermann Hesse und seiner Familie in Gaienhofen (Kreis Konstanz). Das von Hermann und Mia Hesse sorgfältig konzipierte Gebäude liegt am Rand des beliebten Ortes, es ist umgeben von Wohnhäusern und viel Grün. Diesen angenehmen Zustand sehen die Eigentümer des Literaturdenkmals gefährdet, nachdem ein Bauträger in unmittelbarer Nachbarschaft ein Grundstück erwarb, das Häuschen dort abriss und an dessen Stelle ein aufwändig gebautes Haus mit Wohnungen in hoher Preislage setzen will.

»Wir sind müde geworden«, sagt Eva Eberwein. Im Hintergrund ein Ofen, den noch Familie Hesse setzen ließ.  FOTO: FRICKER
»Wir sind müde geworden«, sagt Eva Eberwein. Im Hintergrund ein Ofen, den noch Familie Hesse setzen ließ. FOTO: FRICKER
»Wir sind müde geworden«, sagt Eva Eberwein. Im Hintergrund ein Ofen, den noch Familie Hesse setzen ließ. FOTO: FRICKER

Eva und Bernd Eberwein sind deshalb am Boden zerstört. Sie kauften das heruntergekommene Dichterhaus vor gut 20 Jahren und setzten es nach allen Regeln des Denkmalschutzes instand. Zugleich öffnen sie ihr privates Anwesen für die Öffentlichkeit, Eva Eberwein bietet vielbegehrte Führungen durch jenen Garten an, den der Literat selbst angelegt hat. Enttäuscht sind sie von den Behörden, insbesondere vom Landratsamt Konstanz, das den wuchtigen Neubau genehmigt hat, obwohl sich der Gemeinderat vor Ort gegen das Bauprojekt ausgesprochen hatte. Es dürfte nach der Fertigstellung vor allem Ferienwohnungen bieten. Die Preise sind ehrgeizig: Für eine Wohnung von beispielsweise knapp 54 Quadratmeter werden 366.000 Euro fällig.

Ehepaar sieht Umgebungsschutz als gefährdet

»Wir sind müde geworden, und uns fehlt die Kraft, weiter zu kämpfen«, schreiben die beiden Eheleute in einer Stellungnahme. Und weiter: Der gesamte Vorgang »raubt uns den Glauben an eine sachgerechte Entscheidungsfindung in kommunalen Behörden.« Damit kommt der entscheidende Punkt zur Sprache: Jedes Denkmal soll laut Gesetz nicht nur in seiner eigenen Substanz erhalten werden. Auch die benachbarten Häuser dürfen nicht ohne Weiteres verändert, freie Grundstücke nicht beliebig groß bebaut werden. Das Gesetz spricht von Umgebungsschutz, um das Umfeld eines Denkmals zu bewahren. Den Umgebungsschutz sehen die Eberweins mit den vorliegenden Plänen nicht gewährleistet. Sie fürchten die Zerstörung ihres Lebenswerkes und spielen nun mit dem Gedanken, das Haus in Zukunft nicht mehr zu öffnen. Eine lokale Initiative unterstützt die beiden: Die AG Bauen und Bewahren hat sich auf die Seite der rührigen Privatleute gestellt, die mir ihrer Arbeit wertvolles Kulturgut vorhalten.

Der Gang vor den Petitionsausschuss des Landtags gilt als letzter Versuch, den Bau auf dem Nachbargrundstück zu verhindern. Der Boden dort ist schon planiert. Im Spätsommer will der schwäbische Bauherr mit dem Bau beginnen, wie es auf großen Plakaten heißt, die im Ort hängen. Auf der Homepage des Unternehmens HEH Wohnbau mit Sitz in Hemmingen (Kreis Ludwigsburg) ist von einem »dezenten Mehrfamilienhaus« die Rede, dessen Einheiten als »perfekter Zweitwohnsitz« angepriesen werden.

Drohnenflug über Garten

Die angepeilte Nutzung als Feriendomizil stößt nicht nur in Gaienhofen auf Kritik. Bereits jetzt kaufen sich betuchte Württemberger in bevorzugte Lagen ein. Einheimische Familien aus dem Ort, die über ein gewöhnliches Einkommen verfügen, können sich diese Wohnungen kaum mehr leisten. Als besonders dreist empfand Familie Eberwein, dass der Bauherr den Hesse-Garten mit einer Drohne überfliegen ließ, nur um schöne Aufnahmen zu gewinnen und damit zu werben. Die Verwendung dieser Bilder haben sie untersagt.

Nun setzen die Verwalter des Hesse-Hauses auf den Petitionsausschuss. In einer anderen, offenen Petition haben bislang 820 Personen gegen das Mehrfamilienhaus unterschrieben. (GEA)

 

EIN DICHTER MIT ZWEI WOHNUNGEN

Der Schriftsteller Hermann Hesse lebte insgesamt acht Jahre auf der Halbinsel Höri am Bodensee, wobei er einmal umgezogen ist. Erst wohnten Mia und Hermann Hesse mit ihren drei Söhnen in einem alten Bauernhaus in Gaienhofen, in dem sie Mieter waren. Später, das war 1907, zogen sie in ein Eigenheim am selben Ort um, das am Ortsrand liegt und von viel Grünland umgeben ist. Dieses Haus hatte das Ehepaar nach eigenen Ideen sowie der Philosophie der Lebensreform bauen lassen. Beide Gedenkstätten können heute besichtigt werden, und beide ergeben in der Zusammenschau ein dichtes Bild des Lebens dieses Literaturnobelpreisträgers. Ein Gedenkort ist das Hesse-Museum im alten Bauernhaus, das die Gemeinde Gaienhofen betreibt. Der andere Ort ist das Mia-und-Hermann-Hesse-Haus. Es befindet sich im Besitz der Familie Eberwein und kann ebenfalls besichtigt werden ( www.mia-und-hermann-hesse-haus.de). (ulfri)