STUTTGART. Hektik, Lärm, Menschen, die durch Terminals und Shops eilen - so kennt man den Stuttgarter Flughafen. Heute ist davon jedoch fast nichts zu sehen und zu hören. Der größte Airport des Landes wirkt zeitweise wie ausgestorben, sinnbildlich dafür ist Terminal 4. Wo sich sonst Passagiere mit Tickets in die Türkei oder nach Ägypten tummeln, herrscht um 9 Uhr noch gähnende Leere. Kein Schalter hat hier geöffnet, auch nicht das Café auf der Empore. Flugzeuge am Himmel sucht man vergeblich, auf dem Rollfeld sind nur wenige Maschinen zu sehen, die meisten davon sind eingeschneit.
Die einzigen, die zeitweise für Betrieb sorgen, sind auch die, die den Betrieb am Flughafen weitgehend lahmgelegt haben: Die Mitarbeiter des Sicherheitspersonals, das unter anderem für die Gepäck-Kontrollen zuständig ist. Gegen 6 Uhr ist die Frühschicht der Streikenden mit Trillerpfeiffen durch die Abflughalle marschiert, um die Mittagszeit folgt die Spätschicht. Dann wird es für eine Weile laut.
Das Sicherheitspersonal streikt für mehr Lohn. 17,16 Euro verdienen die Mitarbeiter pro Stunde, 20 wollen sie haben. Eva Schmidt, Landesfachbereichsleiterin von Verdi Baden-Württemberg, sagt, sie gehe davon aus, dass die Öffentlichkeit Verständnis für den Streik hat. Damit hat sie allerdings nur bedingt recht, wie eine Umfrage unter Passagieren an Terminal 3 zeigt.
Eine Pärchen mit zwei kleinen Kindern, steht am Tui-Schalter in Terminal 3. Ihr Flug nach Fuerteventura wurde gestrichen. Der Reiseveranstalter hat sie im Vorfeld informiert und um den Transport zum Flughafen nach Karlsruhe/Baden-Baden gekümmert. Das sei zwar nett, aber mit zwei Kindern »sehr ärgerlich«. Wenn die Angestellten unzufrieden sind, »dann sollen sie zu ihrem Chef gehen und das nicht auf dem Rücken der Passagiere austragen«, so die Meinung der Familie.
Horst Erl, der das gleiche Ziel hat, hat grundsätzlich Verständnis dafür, dass man mehr Geld verdienen möchte. »Viele verdienen allerdings keine 20 Euro pro Stunde. Ich weiß daher nicht, ob das gerechtfertigt ist«, sagt er. Anders sieht das Peter Werner: »Die Arbeitsbedingungen des Personals sind nicht die besten, ich gehe davon aus, dass der Streik berechtigt ist«, sagt er. Obwohl er auf seiner Reise nach Teneriffa rund drei Stunden mehr Zeit einplanen muss, lobt er die Organisation von Flughafen und Airline: »Ich habe das Gefühl, die haben alles im Griff.«
Wütende oder heulende Passagiere sieht man nirgends, das befürchtete Chaos ist ausgeblieben. Weil der Streik angekündigt war und die meisten Airlines rund die Hälfte der Flüge schon am Vortag gecancelt haben.
Ein Pole auf dem Weg nach Warschau, der seinen Namen nicht nennen will, ist einer der wenigen, die vom Streik überrascht wurden. Um 6 Uhr war er am Flughafen, weiter geht's für ihn erst um 10.45 Uhr. Informiert wurde er nicht, sagt er auf Englisch. Den Streik hält er für übertrieben, schließlich schade er einer Menge Menschen.
Apropos Schaden: Wie hoch der für den Flughafen ist, konnte die stellvertretende Pressesprecherin des Airports Beate Schleicher noch nicht sagen. Mit dem Ablauf des Streiks zeigte sie sich zufrieden. Die Flüge seien relativ pünktlich gewesen, Verspätungen gab es nur wegen Enteisungen.
Walter Schoefer, Sprecher der Geschäftsführung des Flughafens kritisierte die Verhältnismäßigkeit der Forderungen und die mangelnde Kompromissbereitschaft der Gewerkschaft. In seinem Statement, das per Mail verbreitet wurde, heißt es: »Die Arbeitgeberseite hat dem Vernehmen nach ein nachgebessertes Angebot vorgelegt. Dieses sieht konkrete Zeitkorridore vor, sowohl für die Angleichung des Lohnniveaus von Ost auf West, als auch für die unterschiedlichen Tätigkeiten im Luftsicherheitsgewerbe. Bislang ist nicht zu erkennen, dass sich die Gewerkschaften verhandlungsbereit zeigen, sie beharren auf ihrer Extremposition mit Lohnsteigerungen von 17 bis über 40 Prozent. Das passt nicht in die Zeit und erschüttert die Struktur des TVÖD (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst) in seinen Grundfesten.«
Eine Gruppe Streikender spielt bei McDonald's oberhalb von Terminal 3 eine Runde »Stadt, Land, Fluss«. Die Kritik am Streik können sie grundsätzlich verstehen, sehen aber ihren Arbeitgeber in der Pflicht. Der habe nur zwei Prozent Lohnerhöhung angeboten, weniger als die Inflationsrate. 19 Euro pro Stunde, das wäre ein Kompromiss, findet die Gruppe. (GEA)