STUTTGART. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) will bis Anfang der Woche über die Ausrüstung von Schulen und Kitas mit Luftreinigern entscheiden. Wie die dpa am Samstag aus Regierungskreisen erfuhr, hat Kretschmann die beteiligten Ministerien schon in der Kabinettssitzung am vergangenen Dienstag dringend aufgefordert, endlich eine Kosten-Nutzen-Rechnung für mobile Raumluftfilter vorzulegen. Es könne nicht sein, dass man nach eineinhalb Jahren Corona-Krise noch nicht genau wisse, ob die Filteranlagen das Infektionsrisiko deutlich senken oder nicht. Nun mussten Kultus- und Sozialministerium ihre Einschätzung abliefern. Demnach bleibt es dabei, dass die Filter ein Baustein für mehr Sicherheit in Klassenzimmern und Kita-Räumen sind.
Der politische Druck wächst, weil die gefährliche Delta-Variante des Coronavirus wieder dazu führen könnte, dass Schulen und Kitas im Herbst geschlossen werden müssen. Einige Länder wie Berlin oder Hessen sind da schon weiter als Baden-Württemberg. Bayern hat das Ziel ausgerufen, dass es bis zum Herbst in allen Klassenzimmern einen Luftreiniger geben soll. Der Freistaat will den Kommunen dafür 50 Prozent der Anschaffungskosten erstatten, kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vergangene Woche an. Das Umweltbundesamt hatte allerdings erklärt, dass mobile Luftfilter nur eine Ergänzung zum aktiven Lüften sein könnten. Politische Brisanz erhält das Thema aber auch dadurch, dass zwei Wochen nach Ende der Sommerferien in Bayern und Baden-Württemberg Bundestagswahl ist.
Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) hatten sich zuletzt äußerst skeptisch über die Wirkung der mobilen Filtergeräte geäußert, die zwischen 3000 und 4000 Euro kosten. Allerdings hatte die grüne Landtagsfraktion schon Schoppers Vorgängerin Susanne Eisenmann (CDU) dazu gedrängt, die Anschaffung der Filter voranzutreiben. Damals hatte das Land den Schulen über die Schulträger schon ein Budget von 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt habe, das auch für die Beschaffung mobiler Luftreiniger eingesetzt werden könne. Allerdings konnten mit dem Geld auch digitale Geräte beschafft werden.
Auch die Lehrerverbände und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi dringen seit langem auf die Anschaffung der mobilen Filteranlagen. GEW-Landeschefin Monika Stein forderte das Land auf, die Kommunen finanziell zu unterstützen, sonst drohe ein Flickenteppich, da manche Städte und Gemeinden das wegen der Corona-Krise nicht allein stemmen könnten. Zudem dürften die Kindertagesstätten nicht vergessen werden, weil Kleinkinder nicht geimpft werden können und keine Masken tragen. Für Verdi im Südwesten warnte Sprecher Andreas Henke: »Wir laufen völlig naiv auf den Herbst zu.« Bei schlechtem Wetter müssten die Kinder wieder in ihre Gruppenräume. »Wir brauchen das Maximum an Schutz, da gehören Luftfilter dazu.«
In Baden-Württemberg kommen Landesregierung und Kommunen an diesem Montagabend zur Gemeinsamen Finanzkommission zusammen. Dabei soll es dem Vernehmen nach neben Corona-Hilfen für gebeutelte Städte und Gemeinden auch um die Luftfilter gehen. Im Südwesten gibt es mehr als 67 000 Klassenzimmer. Die SPD schätzt die Kosten für die Ausrüstung auf etwa 120 Millionen Euro. Hinzu kämen noch die etwa 9300 Kitas im Land. (dpa)