BACKNANG. Julian Schieber bestellt sich einen Kaffee, setzt sich bequem hin und schmunzelt. Dann erzählt der frühere Bundesliga-Stürmer von Kommentaren, die er sich - neben positiven Reaktionen - schon mal anhören müsse: »Schieber, du bist verrückt. Du warst noch nie normal.« Solche Sätze fallen, wenn Bekannte erfahren, dass er sich zwei Jahre nach dem Ende seiner Fußball-Karriere als Sänger ausprobiert und dass er es bei dem einen veröffentlichten Party-Hit womöglich nicht belassen will. Einst rief ihn Jürgen Klopp an, um ihn zum BVB zu holen - nun würde er einem Ballermann-Angebot keine Absage erteilen.
»Es ist ein Partyschlager. Wo gehört ein Partyschlager hin? Meistens da, wo eine Party stattfindet - und da ist der Ballermann nicht weit weg«, sagt Schieber der Deutschen Presse-Agentur. Er mag die Kurz-Trips nach Mallorca, »um mal zu feiern«, erzählt er. »Da könnte das Lied schon gut passen, aber natürlich haben es die Medien noch größer gemacht. Nette Story, aber wenn es am Ende ein Bierkönig-Auftritt werden sollte, sagen wir nicht nein.«
Der wichtigste Part dieser netten Geschichte ist der Schlager »Unter die Dusche«, den Schieber mit DJ Xam und Fußball-Kumpel Philip Roller aufgenommen hat. Dass der Schlager nicht bei jedem gut ankommt, scheint den 34-Jährigen dabei nicht zu stören.
»Ich würde mich als leider sehr unmusikalisch beschreiben«, sagt er. Er habe schon in der Schule nicht so das »Taktgefühl« bewiesen. »Ich war Fußballer, da gab es gar keine Zeit mehr für Musik«, sagt der frühere Profi, dessen Weg einst in der Bundesliga zunächst zum VfB Stuttgart führte. »Zu seiner Zeit beim VfB war er noch ein junger Spieler und deshalb hatte er bei der Musikauswahl nicht viel Mitspracherecht«, erinnert sich sein früherer Mitspieler Serdar Tasci: »Mich hat es überrascht, dass er einen Song herausgebracht hat.«
Der oft verletzte Schieber, der 2013 als Einwechselspieler mit dem BVB das Champions-League-Finale gegen die Bayern bestritt, beendete vor zwei Jahren nach der Station in Augsburg seine Karriere. Er zog mit der Familie zurück nach Backnang, rund 25 Kilometer vom Stuttgarter Bundesliga-Stadion entfernt. Bei der SG Sonnenhof Großaspach trainiert er die U19 und ist Co-Trainer der Männer in der Oberliga. Trainer zu sein, ist sein Job.
Musik ein Hobby von Schieber
Die Musik ein schönes Hobby. Sein Lied beginnt mit »Schieber, Schieber«-Rufen, mit denen in Fußballstadien Schiedsrichter beschimpft werden - und der Ex-Profi einst angefeuert oder gefordert wurde. »Ab mit dir unter die Dusche, bleib doch fair, das war gemein«, heißt es im Refrain. Die Idee zu dem Lied habe schon länger in ihm geschlummert.
»Bei Sonnenhof Großaspach ist der Physiotherapeut Hobby-DJ und leidenschaftlicher Gitarrenspieler, dem habe ich meine ersten Wörter auf Papier gezeigt, er hat es auf seiner Gitarre begleitet - und so entstand unser erstes kleines Demo.«
Damit ging es zu einem Produzenten, es sei alles ziemlich schnell gegangen. »Wir haben am Lied noch mal getüftelt, haben am Text weiter getüftelt. Und am Ende sagt der Produzent: 'Dann geht mal hinten rein ins Studio und jeder singt mal die Passage.' Da konntest du nicht viel üben«, erzählt Schieber: »Man muss im Studio lauter singen als unter der Dusche. Dann probierst du die Töne zu treffen, aber das gelingt natürlich nicht immer. Aber dafür gibt es ja Profis, die ein bisschen dran herum steuern können.«
Schieber ist nicht der einzige Fußballer, der kürzlich ein Lied aufnahm. Stürmer Hendrik Weydandt verabschiedete sich am Ende der vergangenen Saison mit einem Abstecher in »völliges Neuland« und dem Song »Schluss Aus Ende« zu seinem Karriereende von Hannover 96. Allerdings wurde er mit der Aufnahme und dem Text vom Zweitligisten überrascht, er hatte sich zum Abschluss etwas Lustiges gewünscht. Tatsächlich bekam Weydandt, selbst gern Gast auf der balearischen Insel, dann ein Angebot für einen Bühnenauftritt auf Mallorca, lehnte aber dankend ab, wie der Club bestätigte. Weydandt hatte keinen Auftritt im Sinn.
Schieber macht sich Gedanken, wie es weitergehen könnte. »Alle haben Bock auf dieses Projekt«, sagt er: »Wir überlegen schon, ob wir Lied Nummer zwei forcieren. Man muss nicht mit dem ersten Lied durch die Decke gehen. Man muss ein zweites, ein drittes Lied vielleicht haben, um dann irgendwann die Auftritte zu bekommen, die man dann verdient hat.« Um dafür gewappnet zu sein, übe er sein Lied. Im Auto oder unter der Dusche. »Ich muss ja im Text sicher bleiben. Irgendwann kommt der Moment, wo man auf der Bühne steht.«