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Zahlreiche Menschen demonstrieren nach Hanau gegen Rechts

Nach dem Anschlag in Hanau gehen in vielen Städten Menschen auf die Straße und gedenken der Opfer. Politisch wird vor allem über eine Partei diskutiert und über den Umgang mit rechtem Terror.

Trauer
Kerzen und Blumen liegen in der Nähe von einer der beiden Shisha-Bars in der mehrere Menschen getötet wurden. Foto: Nicolas Armer/dpa
Kerzen und Blumen liegen in der Nähe von einer der beiden Shisha-Bars in der mehrere Menschen getötet wurden. Foto: Nicolas Armer/dpa

HANAU/BERLIN. In zahlreichen Städten in Deutschland haben am Donnerstagabend Menschen bei Gedenkveranstaltungen der Opfer des mutmaßlich rassistischen Anschlags von Hanau gedacht.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte die Tatorte in Hanau und traf gemeinsam mit seiner Frau Elke Büdenbender im Rathaus etwa 20 Angehörige von Opfern. Anschließend nahm er mit etwa 5000 Menschen an einer Gedenkveranstaltung teil. Steinmeier sprach von mehr als fünfzig Städten in Deutschland, in denen Menschen zu Mahnwachen zusammengefunden hätten.

Nach dem Anschlag hatten zahlreiche Politiker der AfD eine Mitschuld gegeben. Gefordert wird zudem ein härteres Vorgehen gegen rechte Gewalt. Die Ermittlungen nach der Bluttat mit elf Toten konzentrieren sich derweil unter anderem auf die Frage, ob der mutmaßliche Täter Mitwisser oder Unterstützer hatte.

»Heute ist die Stunde, in der wir zeigen müssen: Wir stehen als Gesellschaft zusammen, wir lassen uns nicht einschüchtern, wir laufen nicht auseinander«, sagte Steinmeier in Hanau. Er sprach von einer »Terrortat«, da sie Angst und Schrecken verbreiten sollte. In Berlin versammelten sich am Brandenburger Tor rund 500 Menschen, darunter zahlreiche Spitzenpolitiker, und bildeten eine große Menschenkette rund um das Tor.

Nach dem Anschlag geben zahlreiche Politiker der AfD eine Mitschuld. »Natürlich gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken der AfD und der Zunahme rechter Gewalt«, sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (Freitag). Pistorius beklagte, dass ausländischen Mitbürgern die Menschenwürde abgesprochen werde. »Das ist so gefährlich, weil es manche erst dazu bringt, zur Tat zu schreiten. Hier ist eine fatale Enthemmung in Gang geraten, und die AfD trägt daran Mitschuld.«

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sagte am Freitag im Deutschlandfunk, er habe eine unglaubliche Wut. »Es reicht! Wir haben in Deutschland ein massives Problem mit rechtem Terror und jetzt muss endlich mal angefangen werden, diesen rechten Sumpf mit der ganzen Härte des Gesetzes trockenzulegen und zwar bitte online wie offline.« Das Jahr 2020 müsse in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen, als das Jahr, in dem Deutschland endlich ernst gemacht habe mit dem Kampf gegen Rechtsradikalismus und Rassismus.

Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle forderte im Gespräch mit der »Rheinischen Post« (Freitag) Konsequenzen für die staatliche Sicherheitspolitik. Insbesondere der Umgang mit der AfD müsse verändert werden. »Der Verfolgungsdruck auf die Überschneidung von Rechtsterrorismus und AfD muss nach Hanau deutlich zunehmen.« Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte der »Rheinischen Post«: »Wer Rechtsextremen in einer Partei Deckung gibt, trägt Mitverantwortung dafür, wenn deren Ideologien Gehör finden.«

Der Mannheimer Politikwissenschaftler Rüdiger Schmitt-Beck bezeichnete im »Mannheimer Morgen« (Freitag) rechte Hetze und den Aufruf des AfD-Politikers Björn Höcke zum politischen Umsturz als »Lizenz für Anschläge«. Zuvor hatten bereits zahlreiche Politiker der AfD Vorwürfe gemacht. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnete die Partei als geistige Brandstifter.

AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland wies die Vorwürfe zurück. »Ich halte es für schäbig, in der Phase so etwas zu instrumentalisieren«, sagte Gauland in Potsdam. Es handele sich um einen offensichtlich völlig geistig verwirrten Täter, »und von Links und Rechts wollen wir hier gar nicht reden. Das ist ein Verbrechen.«

Das Argument, der Täter sei womöglich psychisch krank gewesen, wollte der CDU-Politiker Armin Laschet in der ZDF-Sendung »Maybrit Illner« nicht gelten lassen. »Es gab immer schon psychisch Kranke. Die sind aber nicht zu Mördern geworden. Sie werden zu Mördern, weil in einer Gesellschaft diese Aggression geschürt wird.« Sowohl anonyme Hassrede im Internet als auch die Sprache »gewählter Abgeordneter in Landtagen« ließen »immer erwarten«, dass es »einen Irren« geben werde, sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Am Mittwochabend hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau aus mutmaßlich rechtsradikalen und rassistischen Motiven neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Später tötete er nach Überzeugung der Ermittler seine Mutter und sich selbst. Unter den Todesopfern ist ein rumänischer Staatsbürger, wie Präsident Klaus Iohannis in der Nacht auf Freitag via Twitter bestätigte. Rumänischen Medienberichten zufolge handelt es sich um einen 23 Jahre alten Mann.

Die Ermittler gehen von einer »rassistischen Gesinnung« bei dem Sportschützen aus. Darauf deuten Videobotschaften und ein Pamphlet hin, die der Mann im Internet hinterlassen hat. Zwei Waffen besaß er laut der zuständigen Kreisbehörde legal. Viele Fragen sind noch offen, unter anderem, ob der Schütze psychisch krank war und an Wahnvorstellungen litt oder ob er möglicherweise Unterstützer hatte. Zum Ablauf der Gewalttaten, die gegen 22.00 Uhr ihren Anfang nahmen, haben die Ermittler bislang nur wenige Informationen veröffentlicht. Der Täter war in einem Frankfurter Schützenverein aktiv, ist dort nach Angaben des Vereins aber nie als ausländerfeindlich aufgefallen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Donnerstag angekündigt, politische Konsequenzen zu prüfen. Möglicherweise seien auch weitere Gesetzesänderungen notwendig. Was sich im Bereich des Rechtsextremismus zuletzt entwickelt habe, sei sehr besorgniserregend. Zusammen mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wird sich Seehofer an diesem Freitag bei einer Pressekonferenz in Berlin äußern. (dpa)

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