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Wieder Großkundgebung in Tel Aviv gegen Justizreform

Seit vier Monaten dauern die Proteste in Israel gegen die geplante Schwächung des Justizsystems an. Nun erhalten die Reformgegner Unterstützung von einem ausländischen Politiker.

Massenproteste in Israel
Demonstration gegen die israelische Regierung in Tel Aviv. Foto: Ilia Yefimovich
Demonstration gegen die israelische Regierung in Tel Aviv.
Foto: Ilia Yefimovich

Die Proteste gegen die kontroverse Justizreform in Israel nehmen weiter Fahrt auf. Rund 200.000 Menschen demonstrierten am Samstagabend nach Medienberichten in der israelischen Küstenstadt Tel Aviv gegen die Politik der rechts-religiösen Regierung von Benjamin Netanjahu. Auch in anderen großen Städten des Landes versammelten sich Tausende von Demonstranten und schwenkten blau-weiße israelische Flaggen. Unter der Woche sind weitere Proteste geplant.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez drückte in einer Videobotschaft Unterstützung für die Demonstranten aus. »Liebe israelische Freunde, wir als Sozialistische Internationale haben immer für Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Demokratie gekämpft«, sagte der Chef der sozialistischen Regierungspartei PSOE. »Aber wie viele von euch schon wissen - dies sind Werte, die wir nicht als selbstverständlich ansehen können und die wir täglich fördern und verteidigen müssen.«

Der israelische Außenminister Eli Cohen kritisierte dies. »Die Reformgegner kennen keine roten Linien, einschließlich des Versuchs, (Israels) internationalem Status zu schaden«, schrieb er bei Twitter. »Kein ausländischer Repräsentant wird für die israelische Öffentlichkeit Entscheidungen treffen, und ich bin sicher, dass Sánchez dies nicht beabsichtigt.«

Neuer Vorstoß im Parlament am Montag?

Am Donnerstagabend hatten bereits in Jerusalem rund 200.000 Unterstützer der Justizreform demonstriert. Netanjahu hatte die Reformpläne im vergangenen Monat nach massiver Kritik zunächst ausgesetzt. Gespräche zwischen Regierung und Opposition unter Vermittlung von Staatspräsident Izchak Herzog haben jedoch bisher keine Einigung erzielt.

Die neue Sitzungsperiode des Parlaments begann offiziell am Sonntag, die erste Plenarsitzung ist am Montag vorgesehen. Gegner der Justizreform befürchten, die Regierung könnte mit Ende der Sitzungspause einen neuen Vorstoß zur Umsetzung des umstrittenen Vorhabens unternehmen. Sie sehen die Reform als Gefahr für die Demokratie in Israel - seit rund vier Monaten gibt es deswegen landesweit immer wieder massive Proteste.

Netanjahu sprach am Sonntag zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem von einer »fundamentalen Debatte zwischen uns über die Justizreform«. Man unternehme »jede Anstrengung«, um den Streit mithilfe eines Dialogs zu lösen. »Mit gutem Willen auf beiden Seiten bin ich überzeugt, dass eine Vereinbarung möglich ist - und ich gebe dem meine volle Unterstützung.« Netanjahu ist allerdings innerhalb seiner Koalition unter starkem Druck, die Reform auch gegen den Widerstand durchzusetzen.

Auch Neuwahlen stehen im Raum

Nach israelischen Medienberichten will die Regierung vor weiteren Schritten zur Schwächung des Justizsystems aber zunächst den Haushalt für das laufende und das kommende Jahr verabschieden. Sollte dies nicht bis zum 29. Mai gelingen, würde sich das Parlament automatisch auflösen, eine Neuwahl wäre nötig.

Ultraorthodoxe Parteien fordern als Bedingung für ihre Unterstützung jedoch die Verabschiedung eines Gesetzes, das strengreligiöse Männer de facto vom Wehrdienst befreien würde. Dies sorgt im liberalen Lager für großen Zorn. Für Donnerstag ist deshalb eine neue Großkundgebung unter dem Motto »Tag der nationalen Gleichheit« geplant.

© dpa-infocom, dpa:230429-99-502168/4