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Wie eine russische Invasion Biden schaden könnte

US-Präsident Biden setzt in der Ukraine-Krise auf Diplomatie. Seine Kritiker interpretieren das als Schwäche. Ex-Präsident Trump versucht, aus dem gefährlichen Konflikt politisches Kapital zu schlagen.

Ukraine-Konflikt
Ein Angehöriger der 82. Luftlandedivision der US-Armee, die nach Polen verlegt wird. Foto: Nathan Posner
Ein Angehöriger der 82. Luftlandedivision der US-Armee, die nach Polen verlegt wird.
Foto: Nathan Posner

Eigentlich wollte sich Joe Biden außenpolitisch auf den Wettbewerb mit dem aufstrebenden Rivalen China konzentrieren. Stattdessen nimmt ein alter Kontrahent fast die ganze Aufmerksamkeit des US-Präsidenten in Anspruch.

Seit der Eskalation der Ukraine-Krise sind die Beziehungen zwischen Washington und Moskau so frostig wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Seit Wochen warnt Biden in drastischen Worten vor einer russischen Invasion der Ukraine und einem Krieg in Europa. Sollte Putin tatsächlich den Marschbefehl erteilen, könnte das Biden erheblich schaden und seinem schärfsten Widersacher umso mehr nützen: Ex-Präsident Donald Trump. Im November stehen Kongresswahlen an, und Biden ist jetzt schon angezählt.

Trump und der Respekt für Putin

Trump gab seiner republikanischen Partei bei seinem alten Haussender Fox News am vergangenen Wochenende in Sachen Ukraine-Krise die Marschrichtung vor. Trump argumentierte, Putin sei durch »den unfähigsten Rückzug in der Geschichte wahrscheinlich jeder Armee« zu seinem Verhalten ermutigt worden. Gemeint ist der vom Demokraten Biden angeordnete Abzug aus Afghanistan, der im Chaos und in der Rückkehr der Taliban endete. Trump behauptete, wäre er Präsident, wären die Spannungen mit Russland nie derart eskaliert. »Niemand war jemals härter zu Russland, aber ich kam mit Putin gut aus. Sehr gut sogar«, sagte Trump. »Wir haben uns gegenseitig respektiert.«

Biden setzt auf Diplomatie

Trump erwähnte nicht, dass Kritiker ihm in seiner Amtszeit vorwarfen, Putin mit Samthandschuhen anzufassen. Den US-Ermittlungsbehörden zufolge hatte sich die russische Regierung "in umfassender und
systematischer Weise" in die US-Präsidentenwahl 2016 eingemischt, aus der Trump siegreich hervorging. Biden fährt in Wahrheit einen härteren Kurs gegenüber Putin. Er macht aber auch deutlich, dass er der Diplomatie "jede Chance auf Erfolg geben" möchte - und dass er keinesfalls US-Kampftruppen in die Ukraine schicken wird. Wie tief das Misstrauen zwischen Washington und Moskau sitzt, machte Biden am Donnerstag deutlich: Die Gefahr einer russischen Invasion sei "sehr hoch", sagte er - trotz anderslautender Beteuerungen aus Moskau.

Nord Stream 2 - ein Geschenk für Putin?

Sollte Putin in dem Konflikt am Ende nachgeben, dürfte Biden das als Erfolg seiner Strategie verbuchen, die im Wesentlichen aus Dialogangeboten und Sanktionsdrohungen besteht. In der Krise ist es ihm gelungen, dass die 30 Nato-Bündnisstaaten geschlossen stehen - bislang jedenfalls. Im Fall einer russischen Invasion würden sich Trumps Republikaner dennoch in ihrem Vorwurf bestätigt sehen, wonach Biden ein zu schwacher Präsident ist. Sie werfen ihm schon jetzt vor, durch den Verzicht auf Sanktionen im vergangenen Jahr die Fertigstellung der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 ermöglicht und Putin damit ein großes Geschenk gemacht zu haben.

Appeasement-Politik

»Die Ukraine, die Region und die Welt befinden sich in dieser Krise, weil Präsident Biden schwach ist, weil er beschwichtigt, weil er sich im letzten Jahr Putin ergeben hat«, sagte der republikanische Senator Ted Cruz kürzlich. Diese Beschwichtigung - auf Englisch Appeasement - ist im historischen Vergleich negativ besetzt: Dem britischen Premierminister Neville Chamberlain war es mit seiner Appeasement-Politik nicht gelungen, Adolf Hitler zu stoppen und den Zweiten Weltkrieg zu verhindern.

»Ein Wirbelsturm internationaler Sicherheitskrisen«

In der Logik vieler Konservativer in den USA hat Bidens angebliche Schwäche das Potenzial, weit über die Ukraine hinaus für Probleme zu sorgen. Trump argumentierte, nicht nur Putin fühle sich ermutigt, die Ukraine zu bedrohen - dasselbe gelte für den chinesischen Präsidenten Xi Jinping mit Blick auf Taiwan. »Beobachten Sie, was sehr bald mit China und Taiwan passiert«, warnte der Ex-Präsident. Fox News sah in einem Kommentar die Gefahr, »dass Bidens Schwäche auf der Weltbühne die USA in einen Wirbelsturm internationaler Sicherheitskrisen mit massiven Auswirkungen hineinzieht«.

Bidens schlechte Umfragewerte

Schon ohne einen solchen Wirbelsturm ist Biden angeschlagen. Knapp 13 Monate nach Bidens Amtsübernahme sind nur noch 41,7 Prozent der Amerikaner mit seiner Arbeit zufrieden, wie aus Statistiken der Webseite FiveThirtyEight hervorgeht, die unterschiedliche Umfragen zusammenführen. Seit dem Zweiten Weltkrieg hatte nur ein einziger US-Präsident zu diesem Zeitpunkt im Amt schlechtere Werte, nämlich Trump. Die Differenz zu Biden ist aber nur noch hauchdünn.

Bidens Demokraten droht herbe Niederlage

Biden agierte zuletzt eher glücklos. Wichtige Gesetzesvorhaben sind am Widerstand aus seiner eigenen Partei gescheitert. Die Verbraucherpreise steigen immer weiter. Wirtschaftsexperten befürchten, dass die Ukraine-Krise die Inflationsrate in den USA über steigende Energie- und Benzinpreise weiter in die Höhe treiben könnte. Trumps Republikanern werden gute Chancen eingeräumt, bei den Kongresswahlen in weniger als neun Monaten das Repräsentantenhaus und womöglich auch den Senat von den Demokraten zurückzuerobern. Sollte das geschehen, dürfte Trump sich ermutigt fühlen, bei der Präsidentenwahl 2024 wieder anzutreten.

Trump und die Nato

Ein möglicher Sieg Trumps bei dieser Wahl 2024 könnte Folgen auch für die Nato haben. Als Präsident hatte Trump das westliche Verteidigungsbündnis immer wieder kritisiert. Nato-Partnern wie Deutschland warf er vor, sich von den USA beschützen zu lassen und nicht genug Mittel für die Verteidigung bereitzustellen. Zwischenzeitlich drohte er mit dem Austritt der USA. Eine Neuauflage der Trump-Präsidentschaft könnte die Nato wieder in ihren Grundfesten erschüttern. Keine Frage ist, wem das entgegenkäme: Wladimir Putin.

© dpa-infocom, dpa:220217-99-178067/2