Die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner dürften auch in den kommenden Jahren steigende Bezüge erhalten. Für den kommenden Juli wird mit einer Rentensteigerung von bundesweit rund 3,5 Prozent gerechnet, wie die Deutsche Rentenversicherung Bund in Würzburg mitteilte. Ihr Vorsitzender Alexander Gunkel bestätigte damit Berichte von vergangener Woche. Der Anstieg gehe vor allem auf die im Schnitt gestiegenen Löhne zurück.
Für die kommenden Jahren seien Rentenanpassungen von 2,6 bis 3 Prozent zu erwarten, sagte Gunkel. Laut dem aktuellen Entwurf für den Rentenversicherungsbericht der Regierung liegen die Steigerungsraten bis Ende des Jahrzehnts bei rund 2,5 bis rund 3,9 Prozent.
Warten auf Rentenreform
Abhängig ist das Ausmaß der Erhöhungen laut Gunkel davon, ob die Bundesregierung wie angekündigt ein weiteres Paket zur Reform der Rente vorlegt. Geplant ist mit dem von der Ampel angekündigten Rentenpaket, eine bestehende Haltelinie für das Rentenniveau von 48 Prozent im Verhältnis zu den Löhnen dauerhaft zu sichern.
Derzeit gilt diese sogenannte Haltelinie für das Absicherungsniveau der gesetzlichen Rente bis 2025. Gleichzeitig soll mit dem Aufbau eines Kapitalstocks die langfristige Entwicklung des Beitragssatzes stabilisiert werden. Das Rentenpaket II von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist seit Monaten angekündigt, aber noch nicht auf den Weg gebracht worden.
Die Co-Vorsitzende des Vorstands der Rentenversicherung, die Gewerkschafterin Anja Piel, warnte wegen des Kapitalstocks allerdings vor einer »ungewissen Wette auf die Zukunft«. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, die Rentenversicherung spekuliere mit den Geldern der Beitragszahlenden. Es dürfe daher keine Beitragsmittel für das Generationenkapital verwendet werden. Geplant sind hierfür öffentlichen Darlehen. Gunkel forderte von der Koalition zudem, die vorgesehene Pflicht für Selbstständige für eine Altersabsicherung tatsächlich auf den Weg zu bringen.
Löhne treiben Renten
Bereits im laufenden Jahr hatten sich die Renten in Ost und West mit einem Plus von 4,39 Prozent im Westen und 5,86 Prozent im Osten angeglichen. Als Grund für die vorzeitige Angleichung gab Gunkel an, dass die Löhne im Osten vergangenes Jahr deutlich stärker gestiegen seien als im Westen. So habe das Lohnwachstum 2022 im Westen 4,5 Prozent betragen und im Osten 6,78 Prozent.
Insgesamt erwartet die Rentenversicherung laut Gunkel 2023 Einnahmen von 375,8 Milliarden Euro und Ausgaben von 374,7 Milliarden Euro. »Dass trotz der wirtschaftlich angespannten Lage ein Überschuss zu erwarten ist, ist den unerwartet stark gestiegenen Einnahmen aus den Pflichtbeiträgen für Erwerbstätige zu verdanken«, sagte Gunkel.
Der Überschuss werde in die Reserve der Rentenversicherung überführt. Im Vergleich zum Vorjahr seien die Rentenausgaben 2023 um 5,6 Prozent gestiegen - und damit etwas stärker als die Beitragseinnahmen. Der Großteil des Anstiegs sei auf das zweite Halbjahr entfallen, also auf die Zeit nach der deutlichen Rentenanpassung zum 1. Juli.
Steigende Beiträge erwartet
Gunkel nannte Prognosen für den künftigen Beitragssatz und das Rentenniveau, das die Absicherungskraft der Rente im Verhältnis zu den Löhnen angibt. So liege der Beitragssatz nach der Modellrechnung bis 2027 bei 18,6 Prozent. Erstmalig seit 2018 müsste der Satz 2028 angehoben werden, und zwar auf voraussichtlich auf 18,7 Prozent. Bis 2035 könnte der Beitragssatz demnach auf 21,1 Prozent steigen. Das Rentenniveau dürfte nach geltendem Recht bis 2030 auf 46,9 Prozent und bis 2035 auf 45,4 Prozent sinken.
Das Rentenniveau sagt aus, wie viel Prozent des aktuellen Durchschnittslohns jemand als Rente erhält, der exakt 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet und Beiträge gezahlt hat. Bei einem sinkenden Rentenniveau steigen die Renten weniger stark an als die Löhne.
Kein steigendes Rentenalter
Zurückhaltende Reaktionen gab es von der Rentenversicherung auf einen Vorschlag des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung für ein höheres Rentenalter. Die Wirtschaftsweisen rieten zu einer Koppelung des Renteneinstiegs an die steigende Lebenserwartung. Gunkel sagte, generell sei dies »sinnvoll und sachgerecht«. Aber derzeit gebe es noch keinen Grund für eine Entscheidung über einen solchen Schritt. Piel wies darauf hin, dass es stark von der jeweiligen Tätigkeit abhänge, wie gesund ältere Beschäftigte noch seien.
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