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Weidel und Chrupalla gemeinsam an der Spitze der AfD

Chrupalla und Weidel sollen neben der Bundestagsfraktion nun auch die Partei gemeinsam führen. Das parteiintern als gemäßigt empfundene Lager gerät beim Parteitag noch weiter ins Hintertreffen.

AfD-Bundesparteitag
Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender, und Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende, unterhalten sich auf dem Bundesparteitag der AfD in der Sachsenarena auf der Bühne. Foto: Sebastian Kahnert
Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender, und Alice Weidel, AfD-Bundesvorsitzende, unterhalten sich auf dem Bundesparteitag der AfD in der Sachsenarena auf der Bühne.
Foto: Sebastian Kahnert

Nach der Wahl eines neuen Bundesvorstandes ist die AfD politisch noch etwas weiter nach rechts gerückt. An der Spitze der AfD stehen künftig die Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel, die auch schon die Bundestagsfraktion gemeinsam anführen.

Beim Bundesparteitag im sächsischen Riesa zeigte sich allerdings schon am Sonntag, dass die Macht der neuen Parteispitze begrenzt ist. Die Delegierten stimmten dafür, den Verein »Zentrum« von der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der Partei zu streichen. Was belanglos klingt, wirkte wie eine Machtdemonstration der Rechtsaußen-Strömung.

Knappe Mehrheit für Chrupalla

Am Samstag bestätigte eine relativ knappe Mehrheit von 53,4 Prozent Chrupalla für weitere zwei Jahre im Amt. Bei seiner ersten Wahl 2019 waren es 54,5 Prozent. Weidel rückte von der stellvertretenden Parteichefin in die Position der gleichberechtigten Co-Vorsitzenden auf. Sie erhielt 67,3 Prozent. Weidel nannte die bisherige Doppelspitze in der Fraktion ein Erfolgsmodell. Dieses werde man nun »auf die Partei spiegeln«. Chrupalla sprach von einem »Aufbruch«. Ziel sei es, die Vergangenheit und den Streit hinter sich zu lassen. »Die Ära Meuthen ist mit dem heutigen Tag auch beendet«, sagte er.

Vertreter des eher gemäßigten Meuthen-Lagers - Ex-Co-Chef Jörg Meuthen hatte im Januar die Partei verlassen - hatten zuletzt immer wieder scharfe Kritik an Chrupalla geübt, unter anderem wegen Stimmenverlusten für die AfD bei Landtagswahlen. Chrupallas Gegenkandidat, Norbert Kleinwächter, als Vertreter der »Gemäßigten«, kam auf 36,3 Prozent.

Der Parteitag hatte am Freitag noch die Satzung der AfD geändert, so dass künftig theoretisch auch eine Einzelspitze möglich ist. Der Thüringer Landesschef und Partei-Rechtsaußen Björn Höcke hatte sich dafür stark gemacht. Am Samstag stimmte die Versammlung dann dafür, es dieses Mal noch bei einer Doppelspitze zu belassen.

Auf dem Treffen wurde die gesamte Führungsriege der AfD neu besetzt. Der 14-köpfige Bundesvorstand entspricht in weiten Teilen den Vorstellungen Chrupallas und Weidels: In den engsten Führungszirkel, als Stellvertreter, wählte der Parteitag drei Kandidaten, für die sich Chrupalla ausgesprochen hatte: Die Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner, Peter Boehringer und Mariana Harder-Kühnel. Von den Kandidaten, die sich das gemäßigte Lager gewünscht hatte, machte niemand einen Stich.

Vorstandswahl mit Überraschungen

Es gab bei der Vorstandswahl aber auch Überraschungen: Die langjährige Unterstützerin von Partei-Rechtsaußen Björn Höcke, Christina Baum, wurde in das Gremium gewählt und setzte sich gegen einen Kandidaten Chrupallas durch. Die Bundestagsabgeordnete sagte: »Eine der wichtigsten Aufgaben, vielleicht sogar die allerwichtigste, muss sein, unserem Volk wieder ein natürliches Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, einen gesunden Nationalstolz zurückzugeben. Beides wurde unter den Trümmern einer jahrzehntelangen Schuldhaftigkeit verschüttet und diese Trümmer müssen wir endlich beiseite räumen.«

Chrupalla steht seit November 2019 an der Spitze der AfD. Der Handwerksmeister aus Sachsen führte die Partei nach dem Weggang von Meuthen zuletzt alleine. Dieser hatte der AfD einen zunehmend radikalen Kurs bescheinigt. Der Verfassungsschutz hat die Gesamtpartei inzwischen als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft.

Chrupallas Kritiker um seinen Gegenkandidaten Kleinwächter hatten dem Parteichef nach den jüngsten Verlusten bei mehreren Landtagswahlen vorgeworfen, im Westen nicht punkten zu können. Sie kritisieren seinen Kurs auch als zu russlandfreundlich und bringen Parteiaustritte damit in Verbindung.

Der 47-Jährige Chrupalla warb für Abgrenzung zu Union und FDP. »Wir wollen CDU und FDP überflüssig machen«, sagte er. CDU-Parteichef Friedrich Merz sei ein »grüner Wolf im schwarzen Schafspelz«. Die AfD mache nicht mit bei »Impfpflicht, Krieg und offenen Grenzen«. Die Partei will er auf einen »freiheitlich-sozialen« Kurs führen. Wohl mit Blick auf die zurückliegenden Landtagswahlen appellierte Weidel an die Delegierten: »Lassen wir uns nicht von jedem Rückschlag gleich nach unten ziehen.«

AfD streicht Gewerkschaft Zentrum von Unvereinbarkeitsliste

Einen ersten Dämpfer gab es für Weidel, Chrupalla und ihre Leute im Vorstand gleich am Sonntag: Die Mehrheit der Delegierten (rund 60 Prozent) beschloss, den Verein »Zentrum« von der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD zu streichen. Darauf führt die Partei Organisationen und Vereine, deren Mitgliedern ein Zutritt zur AfD verwehrt wird.

Der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel warb mit Blick auf den Landesverband des Vereins im Südwesten für diesen Schritt. Das Zentrum sei die einzige Arbeitnehmervertretung im Gesundheits- und Automobilsektor, die auch nur mit der AfD rede. Vorstandsmitglied Marc Jongen hielt dagegen: Solange Vertreter des Zentrums dort Veranstaltungen mit der NPD und der Kleinpartei III. Weg machten, wolle man als Landespartei Baden-Württemberg im Moment keine Kooperation. Roman Reusch, ebenfalls Mitglied im neuen Vorstand sagte, eine Streichung würde dem Verfassungsschutz in die Hände spielen.

Durchsetzen konnte sich aber die andere Seite, für die auch Höcke ans Rednerpult trat: Man brauche solche Vorfeldorganisationen. Die Argumente von Reusch wischte er mit der Aussage vom Tisch, der »sogenannte Verfassungsschutz« sei ohnehin »Teil dieses Machtinstruments, das unser Deutschland abwickeln will«. Deshalb sollte man sich um die Einschätzungen dieser Behörde nicht weiter kümmern. AfD-Chefin Weidel nannte die Entscheidung »natürlich nicht in meinem Sinne und schon gar nicht im Sinne der Partei«.

AfD-Parteitag streitet über Europa- und Außenpolitik

Nach weitgehend harmonischen zwei Tagen knallte es am Sonntag dann beim Thema Außen- und Russland-Politik. Hintergrund war ein Antrag für eine Resolution zum Thema Europa, zu deren Unterstützern unter anderem der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland und Höcke gehörten. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz kritisierte, dass in dem Text »nicht ein Mal« das Wort Krieg vorkomme und »völlig verharmlosend« von einem Ukraine-Konflikt gesprochen werde. Solche Papiere brächten die Partei im Westen richtig in die Bredouille, sagte er. Nach langer aufgeheizter Debatte konnte sich Parteichef Chrupalla im zweiten Versuch schließlich mit dem Vorschlag durchsetzen, über das Thema zunächst im Bundesvorstand weiter zu beraten und nicht mehr abzustimmen. Der Parteitag wurde beendet. Auch andere geplante Themen wurden nicht mehr behandelt.

Weidel und Chrupalla beschworen dennoch den Aufbruch. Man wolle bei den anstehenden Landtagswahlen in Niedersachsen wieder angreifen und erfolgreich sein, sagte Weidel. Chrupalla sprach von einem »sehr kontroversen Tag« und äußerte den Wunsch, dass »trotz der inhaltlichen Unterschiede« ein Aufbruchssignal nach außen getragen werde.

© dpa-infocom, dpa:220617-99-695734/33