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Weißer Ex-Polizist wegen Tötung Floyds schuldig gesprochen

Nach der Tötung von George Floyd wurde Gerechtigkeit für den Afroamerikaner gefordert. Nun ist ein Urteil gefallen. Es sorgt für Erleichterung - US-Präsident Biden mahnt aber weitere Schritte an.

Urteil im Floyd-Prozess
Tony L. Clark hält ein Foto des verstorbenen George Floyd. Der ehemalige Polizist Derek Chauvin ist schuld an der Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners. Foto: Jerry Holt/Star Tribune/AP/dpa
Tony L. Clark hält ein Foto des verstorbenen George Floyd. Der ehemalige Polizist Derek Chauvin ist schuld an der Tötung des unbewaffneten Afroamerikaners. Foto: Jerry Holt/Star Tribune/AP/dpa

MINNEAPOLIS. Fast ein Jahr nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd haben die Geschworenen den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. Damit droht ihm eine lange Haftstrafe.

Das genaue Strafmaß soll in acht Wochen festgelegt werden, erklärte Richter Peter Cahill in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota. Der Richter widerrief auch Chauvins Freilassung auf Kaution - dieser wurde nach der Urteilsverkündung in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführt. Vor dem Gerichtsgebäude brachen Wartende in Jubel und Tränen aus. Gegen das Urteil könnte die Verteidigung noch Berufung einlegen.

Der schwerwiegendste Anklagepunkt gegen Chauvin lautete Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Darauf stehen in Minnesota bis zu 40 Jahre Haft. Zudem wurde Chauvin auch Mord dritten Grades vorgeworfen, was mit bis zu 25 Jahren Haft geahndet werden kann. Auch musste er sich wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, worauf zehn Jahre Haft stehen. Chauvin hatte auf nicht schuldig plädiert.

Der 46 Jahre alte Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres in Minneapolis bei einer Festnahme ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb wenig später. Die Beamten hatten ihn wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.

US-Präsident Joe Biden begrüßte den Schuldspruch. Der Demokrat rief aber zugleich zu weiterem Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt auf. Struktureller Rassismus sei »ein Schandfleck auf der Seele unserer Nation«, sagte Biden bei einer Ansprache im Weißen Haus. Mit Blick auf Floyds Familie betonte er: »Nichts kann jemals ihren Bruder, ihren Vater zurückbringen. Aber dies kann ein riesiger Schritt vorwärts auf dem Marsch zur Gerechtigkeit in Amerika sein.« Nötig dafür seien allerdings echter Wandel und echte Reformen.

Biden erinnerte an Floyds letzte Worte »I can't breathe« (»ich kann nicht atmen«) und sagte: »Wir können diese Worte nicht mit ihm sterben lassen.« US-Vizepräsidentin Kamala Harris nannte Rassismus »ein Problem für jeden Amerikaner«. Die Demokratin ist die erste Schwarze in dem Amt.

Experten gehen davon aus, dass der bislang nicht vorbestrafte Chauvin ein deutlich geringeres Strafmaß bekommen dürfte als maximal zulässig. Die Staatsanwaltschaft könnte aber innerhalb einer Woche noch einen Antrag stellen, um wegen besonderer Schwere der Straftat ein höheres Strafmaß zu beantragen.

Der Anwalt von Floyds Familie, Ben Crump, bezeichnete den Schuldspruch als "Wendepunkt in der Geschichte". "SCHULDIG!", schrieb Crump auf Twitter. "Endlich ist schmerzlich verdiente Gerechtigkeit für George Floyds Familie eingetroffen. Das Urteil sende eine klare Botschaft, dass auch die Strafverfolgung zur Rechenschaft verpflichtet sei. Crump schrieb weiter: "Gerechtigkeit für das schwarze Amerika ist Gerechtigkeit für ganz Amerika!"

Floyds Bruder Philonise zeigte sich ebenfalls erleichtert: »Gerechtigkeit für George bedeutet Freiheit für alle«, sagte Philonise Floyd in Anspielung auf die letzten Worte seines Burders. Dessen wiederholtes Flehen kurz vor seinem Tod - »I Can't Breathe« - ist zu einem Slogan gegen Polizeigewalt und Rassismus geworden.

Vor dem massiv gesicherten Gerichtsgebäude in Minneapolis herrschte Volksfeststimmung, Hunderte Menschen jubelten und feierten ausgelassen, wie ein dpa-Reporter berichtete. Anwesende skandierten unter anderem »Black Lives Matter« und »Wer hat gewonnen? Wir haben gewonnen«. Sie riefen George Floyds Namen. Auch am einstigen Tatort, dem heutigen »George Floyd Platz«, versammelten sich Menschen.

Aus den Reihen der Republikaner gab es zunächst nur wenige Reaktionen. Der einzige schwarze republikanische Senator, Tim Scott, nannte das Urteil richtig und wertete es als Indiz für die Integrität des Justizsystems. Scott teilte aber zugleich mit, das Verhältnis zwischen der Polizei und Minderheiten sei reparaturbedürftig.

Floyds Schicksal hatte in den USA mitten in der Corona-Pandemie eine Welle an Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst und entwickelte sich zur größten Protestbewegung seit Jahrzehnten. Vielerorts wurden auch Polizeireformen auf den Weg gebracht.

Im US-Kongress ist zudem noch ein nach George Floyd benanntes Gesetz für Polizeireformen anhängig. Das von Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus hat dem Gesetz zugestimmt, im Senat wäre aber auch die Zustimmung einiger Republikaner notwendig. Das ist bislang nicht absehbar. Biden rief den Kongress am Dienstag dazu auf, das Gesetz schnell zu verabschieden.

Die Erwartungen an das Verfahren in den USA waren immens: Viele Menschen, darunter viele Schwarze, hatten auf ein Urteil gehofft, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt setzen würde.

Der frühere US-Präsident Barack Obama forderte nach dem Schuldspruch ein tiefgreifendes Umdenken und Reformen. »Wahre Gerechtigkeit erfordert, dass wir die Tatsache einsehen, dass schwarze Amerikaner anders behandelt werden, jeden Tag«, erklärte Obama auch im Namen seiner Frau Michelle. »Wir müssen anerkennen, dass Millionen unserer Freunde, Familienangehörigen und Mitbürger in Angst leben, dass ihre nächste Begegnung mit der Polizei ihre letzte sein könnte.«

Die Entscheidung über Schuld oder Unschuld fiel dem US-Rechtssystem folgend den Geschworenen zu. Für die seit Montagnachmittag andauernden Beratungen der zwölf Jury-Mitglieder gab es keine Zeitvorgabe. Sie waren während der Unterredungen in einem Hotel untergebracht. Ihr Urteil musste einstimmig getroffen werden.

Wegen des Prozesses war in Minneapolis ein Großaufgebot der Sicherheitskräfte im Einsatz, inklusive Soldaten der Nationalgarde. Die Stadt Minneapolis hatte sich bereits im März mit Floyds Familie auf eine Vergleichszahlung von 27 Millionen US-Dollar (etwa 22,6 Millionen Euro) wegen des Vorgehens der Polizei geeinigt. Das strafrechtliche Verfahren war davon aber nicht direkt betroffen.

Chauvins Verteidiger Eric Nelson hatte argumentiert, dass Chauvins Gewaltanwendung gerechtfertigt gewesen sei, weil sich Floyd der Festnahme widersetzt habe. Zudem vertrat er die Meinung, dass Floyds Tod nicht primär auf Gewalteinwirkung zurückging, sondern vor allem auf bestehende Herzprobleme und Rückstände von Drogen in seinem Blut.

Experten der Staatsanwaltschaft wiesen diese Argumentation klar zurück. Ein Lungenspezialist etwa erklärte, Floyd sei an den Folgen von Sauerstoffmangel gestorben. Der niedrige Gehalt an Sauerstoff habe Hirnschäden verursacht und Floyds Herz zum Stillstand gebracht. Der Polizeichef von Minneapolis, Medaria Arradondo, bezeichnete Chauvins Gewaltanwendung als unverhältnismäßig und vorschriftswidrig.

Chauvin war nach Floyds Tod entlassen worden. Er befand sich gegen Kaution auf freiem Fuß und war während des ganzen Prozesses anwesend. Neben Chauvin sind drei weitere am Einsatz gegen Floyd beteiligte Ex-Polizisten angeklagt, die in einem separaten Verfahren ab dem 23. August vor Gericht stehen werden. Ihnen wird Beihilfe zur Last gelegt. Auch ihnen könnten langjährige Haftstrafen drohen. (dpa)