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Wahlen in der Türkei: Erdogan gegen Anti-Erdogan

Erdogan ist seit 20 Jahren an der Macht, nun steht er vor der schwierigsten Abstimmung seiner Karriere. Zwei Kandidaten treten gegen den türkischen Präsidenten an. Einer hat gute Aussichten, ihn zu schlagen.

Vor den Wahlen in der Türkei
Kemal Kilicdaroglu, Vorsitzender der CHP-Partei und Präsidentschaftskandidat der Nationalen Allianz. Foto: Ali Unal
Kemal Kilicdaroglu, Vorsitzender der CHP-Partei und Präsidentschaftskandidat der Nationalen Allianz.
Foto: Ali Unal

Bei den Wahlen am Sonntag zeichnet sich ein knappes Rennen sowohl um Parlament als auch um das Präsidentenamt ab. Ein Überblick über die Kandidaten.

Amtsinhaber Erdogan

Präsident Recep Tayyip Erdogan (69) hat keine landesweite Wahl verloren, seit seine islamisch-konservative AKP 2002 an die Macht kam. 2003 wurde Erdogan Ministerpräsident, seit 2014 ist er Staatspräsident.

In seinen ersten Regierungsjahren sorgte Erdogan für einen beachtlichen Wirtschaftsaufschwung. Inzwischen kämpfen die Türken mit massiver Inflation und hoher Arbeitslosigkeit. Seit dem Übergang in ein Präsidialsystem 2018 vereinigt Erdogan so viel Macht auf sich wie nie zuvor. Er kann weitestgehend am Parlament vorbei per Dekret regieren. Die EU-Kommission attestierte der Türkei zuletzt demokratische Rückschritte und zunehmenden Druck auf die Zivilgesellschaft.

Erdogan kommt aus dem Istanbuler Arbeiterviertel Kasimpasa, seine Familie stammt aus Rize am Schwarzen Meer. Er spielte Fußball in der Amateurliga und war Anfang der 1990er Jahre Bürgermeister der Metropole Istanbul.

Im Wahlkampf versucht Erdogan mit prestigeträchtigen Projekten etwa in der Rüstungsindustrie zu punkten. Die Türkei sei nur unter seiner Führung groß und stark, so stellt er es dar. In den vergangenen Jahren führte er eine teils aggressive Außenpolitik. Im Ukraine-Krieg gibt er sich als Vermittler.

Erdogan verspricht, die Inflation - die unter seiner Führung Rekorde erreicht hat - in den Griff zu bekommen. Außerdem will er die Erdbebenregion schnell wieder aufbauen. Unterstützt wird er von der ultranationalistischen MHP und kleinen islamistischen Parteien.

Der Herausforderer - Oppositionsführer Kilicdaroglu

Die Demokratie stärken, Inflation und Korruption bekämpfen und eine schärfere Migrationspolitik - damit wirbt Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (74). Er präsentiert sich als Gegenentwurf zu Erdogan: Ruhiges, statt markiges Auftreten und Wahlkampfvideos aus einer einfachen Küche, statt Einweihung von Großprojekten.

Ein neues Gesicht ist auch Kilicdaroglu für die Türken nicht. Er steht seit 13 Jahren an der Spitze der größten Oppositionspartei CHP, kann aber noch keinen Erfolg bei landesweiten Wahlen vorweisen. Seine Kandidatur war auch deswegen zunächst umstritten. Bei den Kommunalwahlen 2019 gelang es der Opposition, der Regierung nach zwei Jahrzehnten die wichtigen Metropolen Istanbul und Ankara zu entreißen. Ein Erfolg, den Kilicdaroglu dank geschickter Allianzen auch für sich verbuchen kann.

Kilicdaroglu hat nun sechs Parteien unterschiedlicher Lager zusammengebracht: von nationalistisch über konservativ und ultrareligiös bis zu seiner eigenen säkularen Mitte-Links Partei CHP. Die linksgerichtete prokurdische HDP, die als Königsmacher gilt, unterstützt ihn zudem. Alle wollen das Präsidialsystem abschaffen und die Türkei wieder in eine parlamentarische Demokratie überführen.

Kilicdaroglu wurde in Tunceli in der Osttürkei geboren und gehört der religiösen Minderheit der Aleviten an. Er machte als Bürokrat im Staatsdienst Karriere. Das Image des farblosen Bürokraten hängt ihm noch immer nach. Inzwischen hat er an Profil gewonnen und gute Aussichten auf einen Sieg.

Der Außenseiter: Sinan Ogan

Der 55 Jahre alte Sinan Ogan tritt als Kandidat für eine kleine nationalistische Allianz ebenfalls zur Präsidentenwahl an. Er hat aber keine Chance zu gewinnen. Der vierte Kandidat, Muharrem Ince von der kleinen Vaterlandspartei, hatte seine Kandidatur am Donnerstag zurückgezogen. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Präsidentenwahl in der ersten Runde entschieden wird. Erreicht keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen, geht es am 28. Mai in die Stichwahl.

© dpa-infocom, dpa:230513-99-672920/3