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Wagner-Chef: Moskau verbreitet Lügen über Lage an Front

Die ukrainische Gegenoffensive läuft und Moskau behauptet, die Ukraine würde dabei nicht viel erreichen. »Lüge«, sagt ausgerechnet Wagner-Chef Prigoschin und erhebt schwere Vorwürfe.

Jewgeni Prigoschin
Wagner-Chef Prigoschin spricht von »kolossalen Problemen« auf russischer Seite, die verheimlicht würden. Foto: Uncredited/DPA
Wagner-Chef Prigoschin spricht von »kolossalen Problemen« auf russischer Seite, die verheimlicht würden.
Foto: Uncredited/DPA

Der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat Russlands Militärführung Lügen und Verschweigen von Fakten über die Lage an der Front in der Ukraine vorgeworfen. Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow tischten Präsident Wladimir Putin »Blödsinn« auf, sagte Prigoschin in einer Sprachnachricht bei Telegram. Dies geschehe in der Hoffnung, dass solche »Lügen« nur schrecklich genug sein müssten, damit Putin sie glaube. Die ukrainischen Streitkräfte hätten bereits erhebliche Erfolge.

»Das sind große Gebiete, die wir verloren haben«, sagte Prigoschin. Auch die Verluste in den russischen Reihen seien groß. Es gebe »kolossale Probleme«, die verheimlicht würden. Dagegen berichtete die Armeeführung ohne Beweise über angeblich massenhaft Tote und vernichtete Technik auf ukrainischer Seite. Der Chef der Söldnertruppe warf Schoigu und Gerassimow wiederholt Unfähigkeit vor. Einmal mehr forderte er eine Mobilmachung, um eine russische Niederlage zu verhindern. Russland führt seit 16 Monaten Krieg gegen die Ukraine.

Dagegen berichtete Schoigu bei einem Treffen mit Putin erneut über Verluste auf ukrainischer Seite, darunter angeblich zahlreiche Panzer. Das Tempo von Kiews Gegenoffensive habe sich nach 16 Tagen verlangsamt, sagte Schoigu der Agentur Interfax zufolge. Trotzdem hätten die Streitkräfte weiter großes Potenzial. Zuvor hatte auch Kiew eingeräumt, dass die Offensive langsamer vorankomme als von einigen Beobachtern erhofft.

Auf eine Nachfrage Putins zu Risiken für die eigenen Streitkräfte durch die Lieferung schwerer Waffen aus dem Westen an die Ukraine sagte Schoigu: »Wir sehen hier nicht irgendwelche Bedrohungen - auch, weil bei uns eine Formierung von Reserven läuft«. Bis zum Monatsende werde eine »Reservearmee« mit mehr als 3000 Einheiten von Kampftechnik aufgestellt. Details nannte er nicht.

Ukrainischer Premier: Über 113 Quadratkilometer zurückerobert

Nach Angaben von Premierminister Denys Schmyhal hat die ukrainische Armee in der laufenden Gegenoffensive inzwischen acht Dörfer und 113 Quadratkilometer besetzen Gebiets zurückerobert. »Das ist ein riesiges Territorium«, sagte Schmyhal bei der Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in London. Zudem seien die ukrainischen Truppen auf einer Tiefe von bis zu sieben Kilometer in russisch besetztes Gebiet vorgestoßen.

»Wir haben gute Ergebnisse«, sagte Schmyhal. Trotzdem mahnte er zu Geduld. Bei einer Gegenoffensive handele es sich um eine Reihe militärischer Einsätze, einige davon seien offensiv, andere defensiv. Manchmal seien taktische Pausen notwendig. Verlangsamt werde das Vorrücken zudem durch von den Russen angelegte Minenfelder.

»Wir werden unsere Soldaten nicht verfeuern, wie die Russen das tun«, so der ukrainische Premier. Jedes Leben zähle. Er fügte hinzu: »Wir werden sehr durchdachte Offensiveinsätze durchführen. Deswegen könnte es Zeit brauchen.« Man sei jedoch »absolut optimistisch«, das gesamte von Russland besetzte Gebiet wieder zurückerobern zu können.

Bei der Ukraine Recovery Conference am Mittwoch und Donnerstag in London wurde darüber diskutiert, wie das seit Februar 2022 von Russland angegriffene Land wieder aufgebaut und die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden kann. Die britischen Gastgeber hatten dabei private Investitionen in den Fokus gestellt. Im kommenden Jahr soll Deutschland die Konferenz gemeinsam mit der Ukraine ausrichten.

© dpa-infocom, dpa:230622-99-149287/2