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Vor Flüchtlingsgipfel: Verhärtete Fronten bei Kosten

Maßgebliche Entscheidungen rund um das Thema Migration liegen beim Bund. Die Unterbringung vor Ort organisieren aber die Kommunen. Die fordern dringend mehr Unterstützung, flankiert von den Ländern.

Flüchtlingsunterkunft
Flüchtlinge in einem Zelt einer provisorischen Flüchtlingsunterkunft in Hessen. Foto: Arne Dedert
Flüchtlinge in einem Zelt einer provisorischen Flüchtlingsunterkunft in Hessen.
Foto: Arne Dedert

Im Streit um die Finanzierung der Aufnahme von Flüchtlingen zeichnet sich keine Annäherung von Ländern und Kommunen auf der einen und dem Bund auf der anderen Seite ab. Die Länder dringen auf mehr Geld vom Bund. Am Mittwoch soll darüber in Berlin beim Flüchtlingsgipfel beraten werden. Auch innerhalb der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP werden Zweifel am Regierungskurs laut: Grünen-Chefin Ricarda Lang forderte mehr Geld vom Bund für die Unterbringung von Flüchtlingen.

Der Bund trage bereits einen erheblichen Teil der Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. »Richtig ist, dass die Kommunen vor finanziellen Herausforderungen stehen«, sagte Hebestreit. Für deren Finanzsituation trügen aber die Länder die Verantwortung, direkte Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen seien rechtlich nicht vorgesehen. »Insofern kann der Bund da auch nur bedingt helfen.«

Grüne fordern mehr Geld vom Bund

Lang sagte, sie gehe davon aus, dass die Regierung einen Blick für die Probleme vor Ort habe und niemanden hängen lassen wolle. »Deshalb bin ich optimistisch, dass man da gemeinsam zu Lösungen kommt.« Viele Kommunen gingen an ihre Belastungsgrenze. »Am Ende wird es da wahrscheinlich auch um eine finanzielle Beteiligung des Bundes gehen.« Von der Bundesregierung war die Forderung nach mehr finanzieller Unterstützung bisher abgelehnt worden.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erklärte, seine Partei erwarte, dass das Treffen am Mittwoch »eine Zeitenwende in der Migrationspolitik« einleite. »Hier geht es nicht um das Thema Geld. Geld wird nur kurzfristig helfen. Was wir brauchen, sind politische Lösungen.« Es gehe um Steuerung und Kontrolle in der Migrationspolitik. »Die Menschen in unserem Land wollen wissen, wer zu uns kommt.«

Weil: Länder und Kommunen stehen Seite an Seite

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil, betonte, Länder und Kommunen stünden in dieser Frage Seite an Seite. »Die finanziellen Mittel des Bundes müssen sich an der tatsächlichen Zahl der zu uns geflüchteten Menschen ausrichten, mit einmaligen Pauschalzahlungen ist es nicht getan«, sagte der SPD-Politiker. Die Kommunen forderten zudem, dass der Bund die Kosten der Unterbringung wieder zu 100 Prozent trage.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst warf der Bundesregierung als Co-Vorsitzender der MPK vor, die Lage vor Ort weitgehend zu ignorieren. »Die Hilferufe aus Städten und Gemeinden werden aus Berlin abgetan«, sagte der CDU-Politiker.

Die Regierungschefs und -chefinnen der Länder hatten sich zuvor mit den Bundesspitzen der Kommunalen Spitzenverbände ausgetauscht. »Am Mittwoch müssen Ergebnisse erzielt werden«, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, der Deutschen Presse-Agentur. Die Kommunen forderten nichts Unmögliches, sondern die vollständige Übernahme der Unterkunftskosten für anerkannte Flüchtlinge. Hier klaffe bei den Kommunen ein jährliches Loch von mehr als zwei Milliarden Euro.

Bund-Länder-Gipfel am Mittwoch

Auf einem Bund-Länder-Gipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) soll am Mittwoch erneut über die Flüchtlingskosten beraten werden. Für 2023 hatte der Bund im vergangenen Jahr 1,5 Milliarden Euro für die Geflüchteten aus der Ukraine zugesagt, außerdem eine allgemeine flüchtlingsbezogene Pauschale von 1,25 Milliarden Euro. Darüber hinaus zahlt der Bund Sozialleistungen.

Die Kosten zur Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden sind Zankapfel zwischen Bund und Ländern. Dass der Bund die Länder dabei finanziell unzureichend unterstütze, geht aus einem Papier der Länderfinanzminister hervor, das nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Sonntagabend einvernehmlich abgestimmt wurde. Darin beklagen die Länder Kürzungen bei Kostenübernahmen durch den Bund und infolgedessen eine völlig unzureichende Finanzausstattung angesichts wachsender Belastungen.

Länder fürchten die Kosten allein tragen zu müssen

Die Landesfinanzminister machen diese Rechnung auf: »Ein Großteil der Leistungen des Bundes sind befristet und fallen ab 2024 weg«, bilanzieren sie. Geregelt sei derzeit lediglich die jährliche Flüchtlingspauschale über 1,25 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu hätten die Länder vom Bund in den Jahren 2022 und 2023 dafür 4,5 Milliarden beziehungsweise 2,8 Milliarden Euro erhalten. »Im Jahr 2016 betrug die Zahlung von Bund sogar 9,1 Milliarden Euro«, halten sie mit Blick auf die zurückliegende Flüchtlingskrise fest.

Der Bund argumentiert, dass dieser angesichts der großen Zahl an Geflüchteten aus der Ukraine die Unterstützung der Länder und Kommunen ab 2022 wieder massiv ausgeweitet habe. Das geschehe allerdings auf anderen Wegen als 2015/16.

© dpa-infocom, dpa:230507-99-600713/8