Nach der Ankunft Tausender Migranten auf Lampedusa hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kurzfristig einen Besuch auf der kleinen Mittelmeerinsel angekündigt. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sieht nun die EU in der Pflicht, das Mittelmeerland zu unterstützen.
Sie forderte etwa eine europäische Mission, um Migrantenboote auf dem Weg nach Europa zu stoppen. Wenn nötig müsse die Marine eingesetzt werden, sagte die Rechtspolitikerin in einer Videobotschaft. Nach ihrer Vorstellung sollen die Menschen bereits in Nordafrika vom Ablegen abgehalten werden. Ein solcher Einsatz müsse »sofort« starten.
Auf der kleinen Insel zwischen Sizilien und Nordafrika sind seit Wochenbeginn mehrere Tausend Bootsmigranten angekommen. Nach einer Zeit, in der verhältnismäßig weniger Migranten auf der Insel landeten, scheint das gute Wetter dafür gesorgt zu haben, dass so viele Boote auf einmal losgefahren sind. Allein am Dienstag kamen mehr als 5000 Menschen an - so viele wie noch nie an einem einzigen Tag. Zeitweise war das Erstaufnahmelager mit rund 6800 Menschen maßlos überfüllt. Wegen der Nähe zur tunesischen Küstenstadt Sfax gehört Lampedusa seit Jahren zu den Brennpunkten der Migration nach Europa. Der Stadtrat rief wegen der Lage den Notstand aus.
Einladung von Meloni
Meloni lud von der Leyen nach Lampedusa ein, »um sich persönlich den Ernst der Lage, in der wir uns befinden, bewusst zu machen«. Ein Sprecher von der Leyens sagte der Deutschen Presse-Agentur am Rande einer Veranstaltung in Hanau, die Kommissionschefin werde zunächst nach Rom und später mit Meloni nach Lampedusa reisen. Ein weiterer Kommissionssprecher teilte kurze Zeit später über die Plattform X (früher Twitter) mit, die Reise auf die Insel sei für Sonntag vorgesehen.
Unterdessen erreichten erneut mehrere Hundert Menschen Lampedusa. Mehr als 800 Menschen seien auf mehr als einem Dutzend Booten bis zum Nachmittag angekommen, meldete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Auf einem der Boote starb italienischen Medienberichten zufolge ein Baby, das während der Überfahrt geboren wurde. Bei der Mutter setzten auf dem Kahn die Wehen ein. Mit der Hilfe von anderen Mitreisenden brachte sie das Baby zur Welt. Laut den Berichten starb der Säugling kurz nach der Geburt.
Angesichts der Lage auf Lampedusa beriet sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Samstagnachmittag mit ihren Amtskollegen aus Italien, Frankreich und Spanien. Die Telefonkonferenz, an der auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson teilnahm, brachte jedoch kein konkretes Ergebnis, teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit. Faeser habe betont, »dass sich Deutschland immer solidarisch gezeigt hat und dies auch weiter tun wird«. Außerdem habe sie humanitäre Unterstützung Deutschlands angeboten. Italiens Innenminister Matteo Piantedosi forderte laut Mitteilung, eine »neue operative Strategie«, die darauf abziele, konkrete Initiativen zu ergreifen, um die Überfahrten zu stoppen.
Meloni will Deal mit Tunesien beschleunigen
Die EU muss nach Melonis Worten ihr Land unterstützen. Sie habe deswegen den Präsidenten des Europäischen Rats, Charles Michel, gebeten, das Migrationsthema auf die Tagesordnung des EU-Gipfels im Oktober zu setzen. Die Regierungschefin betonte die Wichtigkeit des geplanten Abkommens mit Tunesien. Die vereinbarten finanziellen Mittel müssen nach ihren Worten schnellstmöglich übertragen werden, um den Deal zu beschleunigen.
Tunesien ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten auf dem Weg nach Europa. Die EU-Kommission plant derzeit ein Migrationsabkommen mit dem nordafrikanischen Land. Im Gegenzug für millionenschwere Finanzhilfen aus der EU soll Tunesien künftig stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen, um dort die Abfahrten von Menschen in Richtung Europa zu reduzieren.
Meloni sagte, ihr Land und Europa könnten die enorme Zahl an Menschen nicht aufnehmen. »Der Migrationsdruck, den Italien seit Anfang dieses Jahres erlebt, ist unhaltbar«, sagte die Rechtspolitikerin. Sie beabsichtige, »außergewöhnliche Maßnahmen« zu ergreifen. Meloni kündigte an, die Maßnahmen sollten am Montag in einer Kabinettssitzung beschlossen werden.
Italien wird seit Oktober 2022 von einer Rechtsallianz regiert. Die ultrarechte Meloni versprach, die Migration einzuschränken. Bislang konnte sie das Wahlversprechen nicht erfüllen. Seit Jahresbeginn kamen laut Zahlen des Innenministeriums in Rom schon mehr Migranten als im gesamten Jahr 2022 über das Meer nach Italien. Bis zum 15. September waren es rund 127.200 Menschen (Stand 15. September) - im Vorjahreszeitraum rund 66.200.
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