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Visa-Affäre: Polens Außenminister tritt nicht zurück

Die nationalkonservative Regierung in Warschau macht Stimmung gegen Migranten. Doch nun setzen Ermittlungen zum Verkauf von Arbeitsvisa die regierende PiS unter Druck - und das mitten im Wahlkampf.

Zbigniew Rau
Polens Außenminister Zbigniew Rau: »Es gibt keine Visa-Affäre«. Foto: Christoph Soeder/DPA
Polens Außenminister Zbigniew Rau: »Es gibt keine Visa-Affäre«.
Foto: Christoph Soeder/DPA

Polens Außenminister Zbigniew Rau sieht nach Ermittlungen gegen seine Behörde wegen Korruption bei der Vergabe von Arbeitsvisa in Asien und Afrika keinen Anlass für einen Rücktritt. »Ich fühle mich nicht mitschuldig, ich denke nicht daran zurückzutreten, und es gibt keine Visa-Affäre«, sagte Rau laut Nachrichtenagentur PAP in New York. Die Opposition spricht von Hunderttausenden fraglichen Visa, die Regierung von rund 200. Nun ist auch die Bundesregierung besorgt und fordert Aufklärung.

Der Skandal um die Visavergabe setzt die nationalkonservative Regierungspartei PiS einen Monat vor der Parlamentswahl am 15. Oktober heftig unter Druck. Dabei geht es um die Frage, ob massenweise Arbeitsvisa für Bürger afrikanischer und asiatischer Länder ausgestellt wurden und ob dies schneller ging, wenn die Antragsteller über Vermittler große Summen zahlten.

Am Donnerstag hatte die polnische Generalstaatsanwaltschaft bekannt gegeben, dass sie gegen sieben Personen wegen des Verdachts ermittelt, sie hätten gegen Bezahlung die Vergabe von Arbeitsvisa beschleunigt. Drei Personen wurden festgenommen. Die Staatsanwaltschaft sprach von Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe »mehrerer Hundert Arbeitsvisa« in mehreren arabischen Ländern sowie in Indien, den Philippinen, Singapur, Hongkong und Taiwan. Außenminister Rau sagte nun, es gehe bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft um 200 Visa.

200 Visa - oder 350.000?

Berichte polnischer Medien und Angaben der Opposition deuten dagegen auf ein sehr viel größeres Ausmaß hin. Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) nannte die Zahl von 250.000 Arbeitsvisa, die innerhalb von 30 Monaten in Afrika und Asien ausgestellt worden seien. Zwei Parlamentarier seiner Partei, die im Rahmen einer in Polen möglichen Abgeordnetenkontrolle Einblicke in Unterlagen des Außenministeriums nahmen, sprechen von 350.000 Visa.

Personelle Konsequenzen hinter den Kulissen gab es schon Ende August: Der für konsularische Angelegenheiten zuständige Vize-Außenminister Piotr Wawrzyk wurde entlassen und verschwand von der Wahlliste der PiS. Zur gleichen Zeit wurde seine Abteilung von der Antikorruptionsbehörde CBA durchsucht. Am Freitag sagte Justizminister Zbigniew Ziobro, Wawrzyk sei nach einem Selbstmordversuch in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Nach Berichten polnischer Medien soll der Politiker der Drahtzieher hinter dem System der korrupten Visavergabe gewesen sein.

Bundesregierung verlangt Aufklärung

Die PiS-Regierung macht im Wahlkampf Stimmung gegen Migranten. Sie sperrt sich auch gegen den EU-Asylkompromiss, der eine verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen vorsieht.

Die Bundesregierung will angesichts der Vorwürfe von der Regierung in Warschau nun Aufklärung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe hierzu um ein Gespräch mit ihrem polnischen Amtskollegen, Mariusz Kaminski, gebeten, hieß es aus Regierungskreisen in Berlin. Zugleich werde der polnische Botschafter in Deutschland um ein Gespräch mit dem Bundesinnenministerium gebeten. Bisher geht die Bundesregierung durch die Vergabe polnischer Visa nicht von direkten Auswirkungen auf Deutschland aus.

© dpa-infocom, dpa:230918-99-237845/3