Logo
Aktuell US-Parlament

Vier Tote nach Angriff von Trump-Anhängern auf Kapitol in Washington

Nachdem eine von US-Präsident Donald Trump angeheizte Menschenmenge das Kapitol in Washington gestürmt hatte, hat die Polizei eine erste Bilanz des Gewaltausbruches gezogen.

Verbarrikadiert
Sicherheitsleute des Kapitols stehen mit gezogenen Waffen hinter einer verbarrikadierten Tür. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa
Sicherheitsleute des Kapitols stehen mit gezogenen Waffen hinter einer verbarrikadierten Tür. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa

WASHINGTON. Bei den Ausschreitungen von Anhängern des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump am US-Kapitol sind nach Angaben der Polizei vier Menschen ums Leben gekommen. Eine Frau sei am Mittwoch (Ortszeit) im Kongressgebäude von einem Polizisten angeschossen worden und später im Krankenhaus gestorben, sagte der Chef der Polizei in der US-Hauptstadt, Robert Contee, in der Nacht zu Donnerstag. »Darüber hinaus wurden heute drei weitere Todesfälle aus der Umgebung des Kapitols gemeldet. Eine erwachsene Frau und zwei erwachsene Männer scheinen an unterschiedlichen medizinischen Notfällen gelitten zu haben, die zu ihrem Tod führten.«

Contee machte keine Angaben dazu, wer die Frau war, die im Kapitol angeschossen wurde. »Das ist ein tragischer Vorfall, und ich kondoliere der Familie und den Freunden des Opfers«, sagte er. Der Vorfall werde intern von der Polizei untersucht. Unklar blieb auch, um welche medizinischen Notfälle es sich handelte.

Contee sagte weiter, bei den Zusammenstößen seien mindestens 14 Polizisten verletzt worden, zwei davon schwer. Einer der Schwerverletzten sei von Demonstranten in die Menge gezogen und dort angegriffen worden. Der zweite habe erhebliche Gesichtsverletzungen erlitten, als er von einem Projektil getroffen worden sei.

Contee sagte, zwei Rohrbomben seien gefunden worden. In einem Fahrzeug seien außerdem Molotow-Cocktails entdeckt worden. Bis zum Abend habe die Polizei 52 Personen festgenommen - vier wegen verbotenem Waffenbesitz und 47 wegen Verstoßes gegen die nächtliche Ausgangssperre, die um 18.00 Uhr (Ortszeit) in Kraft trat. Die Hälfte dieser Festnahmen seien auf dem Gelände des Kapitols erfolgt.

Die Proteste aufgebrachter Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump in der Hauptstadt Washington waren zuvor ausgeartet. Nach einer einheizenden Rede des Republikaners marschierten Trump-Unterstützer vor dem Kapitol auf, dem Sitz des US-Parlaments, um gegen die Zertifizierung der Präsidentschaftswahlergebnisse zu protestieren. Bei dem Ansturm auf das Kongressgebäude drangen Demonstranten ins Innere des Kapitols ein. Die beiden Kongresskammern mussten ihre Sitzungen abrupt unterbrechen, die Parlamentssäle wurden geräumt.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur AP wurde inmitten der Proteste eine Person angeschossen. In welchem Zustand sie sich befinde, sei unklar, die genauen Details zu dem Vorfall ebenfalls, berichtete AP. Der Nachrichtensender CNN berichtete, eine Frau werde wegen Schusswunden in der Brust behandelt. Der Sender NBC News berichtete unter Berufung auf Sicherheitskräfte zudem von mehreren Verletzten.

Verletzter Demonstrant
Ein verletzter Demonstrant am Rande der Proteste vor dem Kapitol. Foto: John Minchillo/AP/dpa
Ein verletzter Demonstrant am Rande der Proteste vor dem Kapitol. Foto: John Minchillo/AP/dpa

Laut Weißem Haus sollte die Nationalgarde zum Einsatz kommen. »Auf Anweisung von Präsident Donald Trump ist die Nationalgarde zusammen mit anderen Bundesschutzdiensten unterwegs«, schrieb Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany auf Twitter. Die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, ordnete angesichts der Proteste eine Ausgangssperre an - vom frühen Mittwochabend bis zum frühen Donnerstagmorgen.

Die Lage war zunächst unübersichtlich. Auf Bildern des Senders CNN war zu sehen, wie Demonstranten Fensterscheiben zerschlugen und sich so Zugang zum Gebäude verschafften. Auf einem anderen Bild posierte ein Demonstrant im geräumten Senatssaal mit erhobener Faust auf dem Platz des Kammervorsitzenden.

Eskalation
Trump-Unterstützer versuchen eine Absperrung vor dem Kapitol zu durchbrechen. Die Kongresssitzungen wurden daraufhin unterbrochen. Foto: John Minchillo/AP/dpa
Trump-Unterstützer versuchen eine Absperrung vor dem Kapitol zu durchbrechen. Die Kongresssitzungen wurden daraufhin unterbrochen. Foto: John Minchillo/AP/dpa

Abgeordnete, die sich in Sicherheit gebracht hatten, meldeten sich über die sozialen Medien oder per Telefonschalten im nationalen Fernsehen zu Wort. Der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger etwa nannte die Vorgänge bei CNN »ekelhaft« und »absolut verabscheuungswürdig«.

Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat die dramatischen Ereignisse rund um das Kapitol in Washington scharf verurteilt. »Zu dieser Stunde wird unsere Demokratie beispiellos angegriffen«, sagte Biden in Wilmington (Delaware). Die Gewalt müsse enden. Zudem ruft er Donald Trump auf, sich in einer Fernsehansprache an die Nation zu wenden. Trump müsse eine Ansprache halten, um seinem Eid nachzukommen und die Verfassung zu verteidigen, sagt Biden.

Chaos am Kapitol
Die Polizei versucht, das Kapitol vor Eindringlingen zu schützen. Foto: Julio Cortez/AP/dpa
Die Polizei versucht, das Kapitol vor Eindringlingen zu schützen. Foto: Julio Cortez/AP/dpa

Im Kapitol hatten sich das Repräsentantenhaus und der Senat am Mittag versammelt, um die Ergebnisse der Präsidentenwahl vom November offiziell zu bestätigen. Tausende Trump-Anhänger strömten in die US-Hauptstadt, um gegen die Zertifizierung des Wahlausgangs zu protestieren.

Trump hatte die Präsidentschaftswahl mit deutlichem Abstand gegen seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden verloren. Er weigert sich aber, seine Niederlage einzugestehen. Trump behauptet, er sei durch massiven Betrug um den Sieg gebracht worden. Weder er noch seine Anwälte legten stichhaltige Beweise dafür vor. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden bislang von Gerichten abgeschmettert, auch vom Obersten US-Gericht.

Kurz vor dem Start der Kongresssitzung war Trump nahe dem Kapitol vor seinen Anhängern aufgetreten, hatte seine haltlosen Wahlbetrugsbehauptungen wiederholt und seine Unterstützer dazu aufgerufen, zum Kapitol zu ziehen. Sie dürften sich den »Diebstahl« der Wahl nicht gefallen zu lassen.

Abgeordnete
Abgeordnete suchen auf der Tribüne des Repräsentantenhauses Schutz. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa
Abgeordnete suchen auf der Tribüne des Repräsentantenhauses Schutz. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa

Nach dem Gewaltausbruch riefen zahlreiche Politiker Trump eindringlich auf, die Ausschreitungen sofort zu stoppen. Die ehemalige Kommunikationsdirektorin des Weißen Hauses, Alyssa Farah, schrieb auf Twitter an Trump gerichtet: »Verurteilen Sie das jetzt, Donald Trump - Sie sind der einzige, auf den sie hören werden. Für unser Land!«

Der amtierende Präsident rief seine Anhänger auf Twitter auf, bei ihrem Protest friedlich zu bleiben und Polizei und Sicherheitskräfte zu unterstützen. In einem weiteren Tweet schrieb Trump: »Keine Gewalt!«

Deutlicher wurde US-Vizepräsident Mike Pence. Trumps Stellvertreter schrieb auf Twitter: »Friedlicher Protest ist das Recht jedes Amerikaners, aber dieser Angriff auf unser Kapitol wird nicht toleriert werden und jene, die daran beteiligt sind, werden mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen.«

Kostümiert
Zu seinem Superman-Kostüm trägt dieser Mann eine Trump-Maske. Foto: Jose Luis Magana/FR159526 AP/dpa
Zu seinem Superman-Kostüm trägt dieser Mann eine Trump-Maske. Foto: Jose Luis Magana/FR159526 AP/dpa

Pence hatte die Kongresssitzung vor der Unterbrechung geleitet. Trump hatte ihn direkt dazu aufgerufen, sich gegen die Zertifizierung des Wahlergebnisses zu stellen - entgegen der gesetzlichen Vorgaben. Pence wies dieses Ansinnen jedoch zurück.

Die Zertifizierung der Wahlergebnisse ist in den Vereinigten Staaten üblicherweise eine Formalie. Diverse Republikaner hatten jedoch vorab eine politische Störaktion angekündigt, bei der sie Einspruch gegen Ergebnisse aus den Bundesstaaten einlegen wollten. Trump wiederum hatte über Wochen diesen Tag der Kongresssitzung - ohne jegliche Grundlage - als letzte Möglichkeit dargestellt, den Wahlausgang noch umzustürzen. Am Wahlausgang ist aber nicht zu rütteln. Auch die politische Störaktion der Republikaner hatte von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg.

Mehrere hochrangige Republikaner hatten die geplante Aktion ihrer Parteikollegen und Trumps fortdauernden Feldzug gegen den Wahlausgang als gefährlich gebrandmarkt. Biden soll am 20. Januar vereidigt werden. (dpa)