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Verteidigungsministerin Lambrecht tritt zurück

Immer wieder stand die Verteidigungsministerin in der Kritik. Nun zieht Christine Lambrecht Konsequenzen. Kanzler Scholz muss damit ein Ministerium neu besetzen, das aktuell besonders im Fokus steht.

Verteidigungsministerin Lambrecht
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) tritt zurück. Foto: Jens Büttner
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) tritt zurück.
Foto: Jens Büttner

Die seit Monaten in der Kritik stehende Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zieht die Konsequenzen und tritt zurück. Sie habe Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) um ihre Entlassung gebeten, hieß in einer Erklärung der Ministerin. Die Nachfolgefrage ist noch unbeantwortet.

Scholz sagte dazu jedoch: »Ich habe eine klare Vorstellung und das wird sehr schnell für alle bekannt werden, wie das weitergehen soll.« Es wird erwartet, dass dies bereits an diesem Dienstag passiert. Eigene Fehler räumte Lambrecht in ihrer Erklärung nicht ein. Stattdessen nannte sie die Berichterstattung der Medien als Grund für ihren Rücktritt.

»Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu«, schrieb Lambrecht. »Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen. Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen.« Sie danke allen, »die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren und wünsche ihnen von Herzen alles erdenklich Gute für die Zukunft«.

Scholz: Hohen Respekt für Entscheidung

Der Bundeskanzler sagte beim Besuch einer Rüstungsfirma in Ulm, er habe viele Jahre gut und gerne mit Lambrecht zusammengearbeitet. Er dankte ihr für ihre Arbeit und sagte, er habe hohen Respekt für ihre Entscheidung. Die Bundeswehr und alle, die sich um die Verteidigung bemühten, hätten verdient, dass die Nachfolge schnell geklärt werde.

Dies verlangte auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja. »Wir brauchen jetzt schnell Klarheit und Kompetenz für die Bundeswehr«, sagte er im Fernsehsender Welt. Die Truppe müsse wissen, wer sie führe. Auch für die anstehenden Rüstungsprojekte und die Entscheidungen über mögliche Panzerlieferungen in die Ukraine brauche es die schnelle Nachfolge. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), nannte die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) als geeignete Nachfolgerin.

Eine schnelle Entscheidung mahnte auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai an. Der Krieg in Europa lasse keine Zeit, sagte er in Berlin. »Eine Hängepartie wäre schlecht für Deutschland.« Der FDP gehe es bei der Nachbesetzung ganz allein um die Kompetenzfrage.

SPD-Chef Lars Klingbeil zollte Lambrecht Respekt für ihren Schritt. Sie habe das Verteidigungsministerium in einer außen- und sicherheitspolitischen Ausnahmesituation übernommen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. »Sie hat gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz dafür gesorgt, dass wir mit dem 100 Milliarden Euro Sondervermögen die Bundeswehr endlich wieder auf die Höhe der Zeit bringen können.« Zudem habe sie »viele ganz konkrete Verbesserungen für die Truppe angestoßen, bei der persönlichen Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten etwa oder auch bei den finanziellen Spielräumen für die Kommandeure vor Ort«.

Habeck: Verantwortung in schwierigen Zeiten

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, Lambrecht habe in schwierigen Zeiten Verantwortung getragen. »Dass sie sich jetzt für diesen Schritt entscheidet, war sicherlich nicht leicht. Es zeigt, wie ernst sie das Amt nimmt.«

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch wirft Scholz derweil Fehler im Umgang mit der Personalie vor. Der Rücktritt sei überfällig gewesen, sagte Bartsch der Deutschen Presse-Agentur. »Bundeskanzler Scholz hätte nicht wochenlang tatenlos zusehen dürfen. Dies hat dem hämischen Verhalten, insbesondere der Union, gegenüber Frau Lambrecht Tür und Tor geöffnet.« Der Linksfraktionschef kritisierte, »das Personaltheater um Christine Lambrecht« sei »ein Trauerspiel für die deutsche Politik«. »Dass sie selbst die Reißleine gezogen hat, spricht für sie.«

Negativschlagzeilen häuften sich

Die 57-jährige Lambrecht sah sich seit Monaten Rücktrittsforderungen der Opposition ausgesetzt. Kritiker warfen ihr fehlende Sachkenntnis, die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit vor. Negativschlagzeilen machte ein Foto ihres Sohnes, der in einem Hubschrauber der Bundeswehr mitreiste. Jüngst sorgte Lambrecht für Irritationen mit einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk in Berlin über den Ukraine-Krieg sprach.

Damit muss der Kanzler nun einen zentralen Posten im Ampel-Kabinett neu besetzen. Das Verteidigungsministerium ist infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine noch stärker in den Fokus gerückt. Deutschland hatte als Reaktion ein 100-Milliarden-Euro-Programm aufgelegt, um die Bundeswehr besser auszurüsten. Auch bei der Unterstützung der Ukraine spielt das Ministerium eine wichtige Rolle.

Bereits zweiter Ampel-Rücktritt

Mitte Dezember hatte Scholz seine Verteidigungsministerin noch gegen Kritik in Schutz genommen. »Die Bundeswehr hat eine erstklassige Verteidigungsministerin«, sagte er damals der »Süddeutschen Zeitung«. Lambrecht hatte das Verteidigungsministerium mit dem Start der Ampel Ende 2021 übernommen. Zuvor war sie im letzten Kabinett von Angela Merkel (CDU) Bundesjustizministerin gewesen, am Schluss führte sie zusätzlich auch das Familienministerium.

Die SPD-Politikerin ist bereits die zweite Ampel-Ministerin, die ihr Amt wieder abgibt. Im vergangenen Jahr war die Grünen-Politikerin Anne Spiegel als Familienministerin zurückgetreten - wegen ihrer Rolle als rheinland-pfälzische Umweltministerin während der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021. Sie wurde durch Lisa Paus (Grüne) ersetzt.

© dpa-infocom, dpa:230115-99-226435/18