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Verhärtete Fronten vor USA-China-Gipfel

Die Beziehungen zwischen China und den USA sind so schlecht wie nie. Beide Mächte wollen ihren Einfluss in Asien ausbauen. Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt treffen sich Biden und Xi Jinping wieder persönlich.

Joe Biden
US-Präsident Joe Biden nimmt derzeit am Asean-Gipfel in Kambodscha teil. Foto: Vincent Thian
US-Präsident Joe Biden nimmt derzeit am Asean-Gipfel in Kambodscha teil.
Foto: Vincent Thian

Kurz vor dem Spitzentreffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping sind die Fronten zwischen den beiden Rivalen so verhärtet wie nie. »Der Präsident sieht die USA und China in einem harten Wettbewerb, aber dieser Wettbewerb sollte nicht in einen Konflikt oder eine Konfrontation umkippen und verantwortlich geregelt werden«, sagte Sicherheitsberater Jake Sullivan vor dem Gipfel in Nusa Dua auf der indonesischen Insel Bali.

Nach der Teilnahme Bidens am Gipfel des südostasiatischen Staatenverbundes Asean in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh traf Biden am Sonntag auf Bali ein. Auf dem Flug sagte Sullivan vor Journalisten, alle Länder müssten sich an Regeln wie Freiheit der Schifffahrt und faire Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen halten und von »Einschüchterung, Zwang und Aggression« absehen. Es gebe aber auch Bereiche, wo beide Länder zusammenarbeiten könnten.

Allerdings bezog Biden - frisch gestärkt durch den Wahlerfolg und die Sicherung der Mehrheit im US-Senat - auf dem Asean-Gipfel deutlich Position gegen Peking. Er sprach sich die Territorialansprüche Chinas im Südchinesischen Meer und dessen Drohungen gegen das demokratische Taiwan aus. Auch erwähnte er Menschenrechtsverletzungen.

Biden und Xi treffen sich einen Tag vor dem Start des zweitägigen Gipfels der Gruppe der führenden Wirtschaftsnationen (G20) in Nusa Dua, wo auch Kanzler Olaf Scholz erwartet wird. Es ist die erste persönliche Begegnung beider Spitzenpolitiker seit Bidens Amtsantritt vor knapp zwei Jahren. Die Beziehungen sind auf einem Tiefstand.

Freimütiger Schlagabtausch erwartet

Biden erwartet einen freimütigen Austausch mit Xi Jinping. Er wolle die »rote Linien« aufzeigen. »Ich kenne ihn gut. Er kennt mich«, sagte der US-Präsident. »Ich habe mehr Zeit mit ihm verbracht als mit einem anderen Führer der Welt«, sagte Biden mit Blick auf seine früheren Treffen mit Xi Jinping, als beide noch Vizepräsidenten waren. »Wir hatten immer offene Diskussionen.« Es habe »nie irgendwelche Missverständnisse« zwischen ihnen gegeben.

Worum streiten die USA und China?

Die Liste ist lang: Chinas Rückendeckung für Russlands Präsident Wladimir Putin nach dessen Einmarsch in der Ukraine, Handelskrieg und US-Sanktionen, Chinas Säbelrasseln gegenüber dem demokratischen Taiwan und seine Territorialansprüche im Südchinesischen Meer. China wirft den USA vor, seinen Aufstieg in der Welt behindern zu wollen. Die USA sehen China zunehmend als Rivalen und Bedrohung.

Biden nannte die Entscheidung des internationalen Schiedsgerichts in Den Haag, das Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer 2016 als unrechtmäßig abgewiesen hatte, »endgültig und rechtlich bindend«. Die Freiheit der Schifffahrt und des Überfluges müsse respektiert werden.

Mit Japan streitet China um Teile des Ostchinesischen Meeres und beansprucht ferner rund 80 Prozent des Südchinesischen Meeres. Auch Asean-Staaten erheben Ansprüche auf Inseln, Atolle und Riffe. Um für die Freiheit der Navigation einzutreten, operieren US-Kriegsschiffe demonstrativ in dem Seegebiet, wobei es wiederholt zu Begegnungen mit chinesischen Marineschiffen kommt. Durch das rohstoffreiche Seegebiet geht ein Drittel des weltweiten Schiffsverkehrs.

Der US-Präsident mahnte auch »Frieden und Stabilität« in der Meerenge der Taiwanstraße an. Peking droht mit einer Eroberung Taiwans. Es betrachtet die Insel als Teil der Volksrepublik, während sich Taiwan als unabhängig ansieht. Die USA haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was bisher meist Waffenlieferungen bedeutete. Doch hat Biden geht weiter als seine Vorgänger und hat im Fall eine Angriffs auch Hilfe durch US-Truppen in Aussicht gestellt.

Die USA brauchen aber Kooperation Chinas

Trotz aller Konkurrenz sollen aber die Kommunikationsverbindungen aufrechterhalten bleiben, »um zu verhindern, dass der Wettbewerb in einen Konflikt ausartet«, wie das Weiße Haus mitteilte. Beide Länder müssen auch zusammenarbeiten: Biden sucht eine »konstruktive Rolle« Chinas im Konflikt mit Nordkorea um dessen Raketenstarts und die Gefahr eines neuen Atomtests. Mit Japans Ministerpräsident Fumio Kishida und Südkoreas Präsident Yoon Sek Yeol vereinbarte Biden in Phnom Penh eine einheitlich Antwort. Details blieben unklar.

China und USA umwerben Asean-Staaten

Bei dem Gipfel wurden die Asean-Staaten gleich von zwei Seiten umworben. »Asean steht im Mittelpunkt der Indo-Pazifik-Strategie meiner Regierung«, sagte Biden. Die USA und Asean hoben ihre Beziehungen - wie zuvor angekündigt - auf die Ebene einer »umfassenden strategischen Partnerschaft«. Chinas Premier Li Keqiang wies darauf hin, dass China und Asean schon vor einem Jahr eine solche »umfassende strategische Partnerschaft« vereinbart haben.

Zum Asean gehören neben Brunei, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam auch solche mit engen Verbindungen zu China wie Kambodscha, Laos, Myanmar und demnächst auch Osttimor.

Russland wirft USA Hegemonie vor

Russlands Außenminister Sergej Lawrow stellte sich an Chinas Seite warf den USA und der Nato vor, eine Vormachtstellung einnehmen und die Asien-Pazifik-Region »schlucken« zu wollen. Ihre Militarisierung der Region ziele darauf, »China und die russischen Interessen in der Region einzugrenzen«. Lawrow reist vom Asean-Treffen zum G20-Gipfel nach Bali weiter. Er vertritt dort Präsident Putin, der seine Teilnahme abgesagt hatte. Zu den G20 gehören die Europäische Union und die stärksten Volkswirtschaften aller Kontinente

Kein Treffen zwischen Ukraine und Russland

Obwohl Lawrow und sein ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba in Phnom Penh waren, kam es nicht zu einem Treffen. Lawrow habe ihn nicht um ein Treffen gebeten, wie es in der internationalen Diplomatie üblich sei, sagte Kuleba. »Es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass Russland ernsthaft Verhandlungen anstrebt.«

© dpa-infocom, dpa:221113-99-497854/6