Mit überdeutlichen Attacken auf die AfD und alle Demokratiefeinde hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an die Geburtsstunde des Grundgesetzes erinnert. »Wir alle haben es in der Hand, die Verächter unserer Demokratie in die Schranken zu weisen«, sagte Steinmeier bei den Feiern zum 75. Jahrestag des Verfassungskonvents im Neuen Schloss Herrenchiemsee.
»Und wir alle - jede Politikerin und jeder Politiker, aber eben auch jede Bürgerin und jeder Bürger - wir haben eine gemeinsame Verantwortung für unsere Demokratie. Wir müssen sie schützen.«
Deutliche Worte von Steimeier
»Erinnern wir uns daran, dass unsere Demokratie im Schatten von Diktatur, Krieg und Völkermord entstand. Und erkennen wir, was heute für unsere Demokratie auf dem Spiel steht«, betonte Steinmeier.
Ohne die in Umfragen derzeit starke AfD beim Namen zu nennen, fügte er hinzu, kein Wähler könne sich »auf mildernde Umstände herausreden, wenn er sehenden Auges politische Kräfte stärkt, die zur Verrohung unserer Gesellschaft und zur Aushöhlung der freiheitlichen Demokratie beitragen«. Verfassungsfeinde wollten ihre politischen Gegner vernichten. Deren Ziel sei Herrschaft ohne Widerspruch. »Und das ist nicht die Demokratie des Grundgesetzes.«
Das ist der Verfassungskonvent
Der sogenannte Verfassungskonvent fand im August 1948 im Alten Schloss auf Herrenchiemsee statt. Er wurde von den Ministerpräsidenten der Länder der westlichen Besatzungszonen einberufen. Gemeinsam mit Experten erarbeitete der Konvent in nur zwei Wochen eine Verfassung, die schließlich für die Ausarbeitung des deutschen Grundgesetzes maßgeblich wurde.
Anlässlich der Feierlichkeiten eröffnete Steinmeier im Alten Schloss auch eine neu konzipierte Ausstellung zum Konvent. »Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee ist unter den wichtigen Momenten in der Geschichte der deutschen Demokratie wohl einer der unbekanntesten. Dabei ist er einer der bedeutendsten«, sagte er.
Im Kampf gegen den Extremismus gebe es eine historische Lehre, die sich wie ein roter Faden durch den Verfassungsentwurf von Herrenchiemsee ziehe. Sie gelte bis heute:»Eine Demokratie muss wehrhaft sein gegenüber ihren Feinden. Niemals wieder sollen demokratische Freiheitsrechte missbraucht werden, um Freiheit und Demokratie abzuschaffen.« Dazu gehöre auch der Wille zum Widerspruch bei »auftrumpfenden Lügen von Freiheitsfeinden«. »Wir dürfen die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht ignorieren.«
Ein »klarer, entschiedener, ja kämpferischer Widerspruch der demokratischen Parteien« sei gefordert, »wenn Agitatoren in öffentlichen Versammlungen Stadtrats- oder Gemeinderatsversammlungen unsere Demokratie als «System», «Unrechtsregime» oder «Diktatur» verunglimpfen und demokratische Institutionen diskreditieren und verächtlich machen«, sagte Steinmeier.
Das sagen Ilse Aigner und Markus Söder
Auch die beiden Gastgeber des Festaktes, Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU) betonten in ihren Reden die Werte der Demokratie und riefen zum Schutz von Verfassung und Freiheit auf und griffen ihrerseits die AfD an. Namentlich nannte Aigner die AfD nicht, sondern sprach von »Vertretern einer Partei«. Sie bedienten Verschwörungstheorien und verletzten die Menschenwürde ganzer Personenkreise »mit Hass und Hetze«, sagte sie. Deutschland habe bereits einmal die Erfahrung machen müssen, wie eine Demokratie gescheitert sei.
»Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit«, sagte Söder und forderte einen Zusammenschluss aller Demokraten im Kampf gegen die alle Feinde der Demokratie. »Wir wollen die Verfassung schützen und die Freiheit verteidigen«, betonte er. »Und wenn es schwer wird, sind wir bereit, diesen Weg auch zu gehen.«
© dpa-infocom, dpa:230810-99-795197/3