Im Streit mit Russland um den Absturz einer amerikanischen Militärdrohne über dem Schwarzen Meer hat das US-Militär Videomaterial von dem Vorfall veröffentlicht. Die USA untermauern damit ihre Darstellung, wonach Piloten russischer Kampfjets den Absturz durch rücksichtsloses Verhalten herbeigeführt haben sollen. Die Russen bestreiten das.
Die Offenlegung des Materials folgt einem Muster der Amerikaner in den vergangenen Monaten. Mit Blick auf den Ukraine-Konflikt - vor Beginn des Krieges und seitdem - hatte die US-Regierung ein ums andere Mal gezielt Geheimdienstinformationen veröffentlicht und deren Geheimhaltung aufgehoben, um Russlands Angaben zu widerlegen.
»Wir haben das schon oft getan, um den Rest der Welt aufzuklären und darüber zu informieren, in welcher Art und Weise die Russen schlicht und ergreifend lügen«, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, in Washington.
Kollision inmitten besonders angespannter Lage
Eine unbemannte US-Militärdrohne war nach Angaben des US-Militärs am Dienstag in internationalem Luftraum über dem Schwarzen Meer mit einem russischen Kampfjet kollidiert und danach abgestürzt. Die Amerikaner gaben den Russen die Schuld für den Vorfall, Moskau wies das von sich und erhob seinerseits Vorwürfe gegen Washington.
Der Zwischenfall und der nachfolgende Disput befeuerten Sorgen vor einer Eskalation zwischen Washington und Moskau. Angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist die Lage besonders angespannt und die Angst groß, dass die beiden Großmächte USA und Russland in eine direkte militärische Konfrontation geraten könnten.
Unterschiedliche Darstellungen
Bislang stand in dem Fall Aussage gegen Aussage. Das US-Militär hatte geschildert, die amerikanische Drohne vom Typ MQ-9 sei in internationalem Luftraum über dem Schwarzen Meer geflogen, als zwei russische Kampfjets ein Abfangmanöver begonnen hätten. Einer der Kampfjets habe dabei den Propeller der US-Drohne getroffen. Diese sei danach nicht mehr manövrierfähig gewesen. US-Kräfte hätten sie daher ins Meer stürzen lassen müssen. Die USA beklagten ein »unprofessionelles«, »unsicheres« und »rücksichtsloses« Handeln der russischen Piloten. Die Jets hätten sich 30 bis 40 Minuten in der Nähe der Drohne aufgehalten, seien direkt vor ihr hergeflogen und hätten und bereits vor der Kollision Treibstoff über ihr abgelassen.
Russlands Verteidigungsministerium dagegen wies jede Verantwortung für den Absturz von sich. »Die russischen Kampfflugzeuge haben keine Bordwaffen eingesetzt, sind nicht in Kontakt mit dem unbemannten Flugapparat geraten und kehrten sicher zu ihrem Heimatflughafen zurück«, hieß es aus Moskau. Jets vom Typ Su-27 seien aufgestiegen, um einen unbekannten Eindringling über dem Schwarzen Meer zu identifizieren. Der Bordfunk sei ausgeschaltet gewesen und die Drohne habe Kurs auf Russlands Grenze genommen, hieß es. Bei einem scharfen Ausweichmanöver habe sie rapide an Höhe verloren und sei abgestürzt.
Was in dem Video zu sehen ist - und was nicht
In dem 42-sekündigen Clip, den das US-Militär am Donnerstagmorgen veröffentlichte, ist zu sehen, wie ein nach US-Angaben russisches Kampfflugzeug beim Anflug auf die US-Drohne Treibstoff ablässt und dabei nah an die Drohne heranfliegt. Ein Zusammenstoß ist in dem Video nicht zu sehen. In einer zweiten Sequenz steuert erneut ein Kampfflugzeug auf die Drohne zu und lässt Treibstoff ab. Dann bricht das Video ab. Nach US-Angaben fiel die Kamera rund eine Minute aus. Im Anschluss ist in dem Video der teils beschädigte Propeller der Drohne zu sehen.
Kirby sagte, das Video gebe aus Sicht der US-Regierung keinen Aufschluss darüber, ob die russische Seite mit Absicht gehandelt hat. »Uns ist nicht klar, ob der Pilot die Drohne absichtlich treffen wollte«, sagte er. Klar sei, dass die bei dem Vorfall involvierten Piloten der russischen Kampfjets aggressiv und rücksichtslos geflogen seien, dass sie Treibstoff abgelassen hätten und schließlich die Drohne getroffen hätten. »Aber wir wissen nicht, ob es auch Absicht war. Und das zeigt uns auch das Video nicht.«
Der Zwischenfall über dem Schwarzen Meer hatte die ohnehin großen Spannungen zwischen beiden Ländern zuletzt weiter vergrößert. Das US-Außenministerium stellte unmittelbar nach der Aktion aus Protest den russischen Botschafter in Washington ein. Es folgten gegenseitige Schuldzuweisungen auf offener Bühne. Russland warf den USA dabei unter anderem vor, sie hätten Geheimdienstinformationen mit der Drohne gesammelt, die im Ukraine-Krieg von Kiew genutzt würden, »um unsere Streitkräfte und unser Territorium anzugreifen«.
Verteidigungsminister telefonieren
Am Mittwoch telefonierten US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und sein russischer Amtskollege Sergej Schoigu miteinander. In dem Telefonat mit seinem US-Kollegen habe Schoigu darauf verwiesen, dass die USA Flugraumsperrungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg nicht beachtet hätten, teilte das Ministerium in Moskau mit. Zudem hätten die USA ihre Aufklärungstätigkeiten gegenüber Russland verstärkt. Dies sei der Grund für den Vorfall. »Betont wurde, dass die Flüge strategischer US-Drohnen an der Küste der Krim provokanten Charakter haben«, hieß es in der Erklärung.
Austin äußerte sich zu Einzelheiten aus dem Gespräch nicht, machte aber deutlich, dass die Vereinigten Staaten weiterhin dort fliegen und operieren würden, wo internationales Recht es erlaube. Es sei wichtig, die Kommunikation mit Russland weiter offen zu halten. US-Generalstabschef Milley betonte, die USA wollten keine Eskalation. »Zwischenfälle kommen vor. Und wir wollen eindeutig keinen bewaffneten Konflikt mit Russland«, sagte er.
Russland will versuchen, die Trümmer zu bergen, um offenzulegen, was Washington mit der Drohnen-Mission eigentlich vorhatte. Der US-Generalstabschef betonte, die abgestürzte Drohne habe vermutlich keinen Wert mehr. Sie sei US-Eigentum und es gebe »wahrscheinlich nicht viel zu bergen«. Die USA hätten mit Blick auf die von der Drohne gesammelten Informationen »wie in solchen Fällen üblich Maßnahmen der Schadensbegrenzung« ergriffen. Man sei sich sicher, dass was auch immer von Wert gewesen sei, keinen Wert mehr habe.
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