Die US-Regierung will der Ukraine umstrittene Streumunition liefern und verteidigt sich gegen Kritik an diesem Schritt. US-Präsident Joe Biden sprach von einer Übergangslösung und sagte, dass ihm die Entscheidung sehr schwergefallen sei. Sein Sicherheitsberater Jake Sullivan betonte: »Es ist eine Entscheidung, die wir aufgeschoben haben.«
Die Ankündigung kommt kurz vor dem Nato-Gipfel in der kommenden Woche. Die Ukraine werde als Ergebnis des Gipfels nicht der Nato beitreten, stellte Sullivan weiter mit Blick auf Beitrittshoffnungen des von Russland angegriffenen Landes klar.
In einem am Freitag ausgestrahlten Interviewausschnitt mit dem US-Sender CNN betonte Biden, er habe über den Schritt mit Verbündeten und Mitgliedern des US-Kongresses gesprochen. Die USA seien - anders als Deutschland - zwar keine Unterzeichner des Vertrags zur Ächtung von Streumunition, dennoch habe es eine Weile gedauert, bis er überzeugt gewesen sei, die Streumunition zu liefern. Er halte dies für notwendig, weil die Ukraine die Munition im Kampf gegen Russland benötige.
Selenskyj dankt den USA
Die Streumunition ist Teil eines neuen Militärhilfe-Pakets in Höhe von 800 Millionen US-Dollar (rund 729 Millionen Euro). »Russland hat seit Beginn des Krieges Streumunition eingesetzt, um die Ukraine anzugreifen«, betonte Sullivan. »Wir sind uns bewusst, dass Streumunition das Risiko birgt, dass Zivilisten durch nicht explodierte Munition zu Schaden kommen. Deshalb haben wir die Entscheidung so lange aufgeschoben, wie wir konnten.« Die Ukraine habe sich zu Minenräumungsmaßnahmen verpflichtet, um möglichen Schaden für die Zivilbevölkerung zu mindern.
Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj dankte den USA für das Hilfspaket mit der Streumunition. »Der Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten der Ukraine wird neue Instrumente für die Befreiung unseres Landes schaffen und den Frieden näher bringen«, teilte Selenskyj bei Twitter mit. Er hielt sich in Istanbul zu Gesprächen mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan auf. Er lobte Washington »für entscheidende Schritte, um die Ukraine dem Sieg über den Feind und die Demokratie dem Sieg über die Diktatur näher zu bringen«.
Forderungen der Ukraine schon älter
Die Ukraine hatte immer wieder Streumunition gefordert, um die Stellungen russischer Besatzer effektiver zu zerstören. Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper - sogenannte Submunition - verstreuen oder freigeben. Streumunition ist vor allem deswegen umstritten, weil ein erheblicher Prozentsatz ihrer Sprengkörper nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und so die Bevölkerung auch nach Ende eines Gefechts noch gefährdet. Deutschland ist wie mehr als 100 weitere Staaten einem Vertrag zur Ächtung von Streumunition beigetreten - dem sogenannten Oslo-Übereinkommen. Die USA haben das Abkommen ebenso wie die Ukraine nicht unterzeichnet.
Sullivan betonte mit Blick auf eine Frage zu Deutschlands Haltung, dass es keine »Risse« in der Einheit der Nato gebe. »Ganz im Gegenteil: Wir glauben, dass es ein tiefes Verständnis innerhalb des Bündnisses gibt.« Die Bundesregierung signalisierte am Freitag Verständnis für die Pläne der US-Regierung. »Wir sind uns sicher, dass sich unsere US-Freunde die Entscheidung über eine Lieferung entsprechender Munition nicht leicht gemacht haben«, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Keine weiteren Details bekannt
Das Pentagon betonte, man werde der Ukraine nur Streumunition mit niedriger Blindgängerrate liefern. Kiew habe außerdem zugesichert, die Geschosse nicht in dicht besiedelten städtischen Gebieten einzusetzen und festzuhalten, wo die Munition zum Einsatz komme. Weitere Details zum Zeitplan und der exakten Menge der Lieferung wollte das Pentagon nicht preisgeben. Die Bereitstellung solle aber so erfolgen, dass sie für die bereits angelaufene ukrainische Gegenoffensive relevant sei. Die USA haben nach eigenen Angaben Hunderttausende der Geschosse auf Lager.
Mit Blick auf den Nato-Gipfel in Vilnius machte das Weiße Haus deutlich, dass man eine »Politik der offenen Tür« unterstütze. Das bedeute, dass die Nato-Mitglieder gemeinsam mit der Ukraine über die Aufnahme in das Bündnis entscheiden. Die Ukraine müsse aber weitere Reformen umsetzen, bevor sie Mitglied der Nato werden könne. Der Gipfel in Vilnius sei auf diesem Weg ein wichtiger Meilenstein. Diskussionen gab es innerhalb der Nato bis zuletzt noch darüber, wie genau beim Gipfel auf die Beitrittshoffnungen der Ukraine eingegangen werden soll.
Die Vereinigten Staaten gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Nach Pentagon-Angaben haben die USA seit dem Kriegsbeginn Ende Februar 2022 militärische Hilfe im Umfang von mehr als 40 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt oder zugesagt.
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