Die US-Regierung hält es für möglich, dass Israel mit von den USA bereitgestellten Waffen im Gazastreifen gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen haben könnte. Aufgrund der Situation in dem Kriegsgebiet sei es schwierig, einzelne Vorfälle zu bewerten oder abschließende Feststellungen zu treffen, heißt es in einem Bericht des US-Außenministeriums. »Es gibt jedoch genügend gemeldete Vorfälle, die Anlass zu ernsthaften Bedenken geben.«
Das Außenministerium habe von mehreren glaubwürdigen UN- und Nichtregierungsquellen Berichte über mögliche Menschenrechtsverletzungen durch israelische Streitkräfte erhalten. Da Israel in erheblichem Maße auf US-Verteidigungsgüter angewiesen sei, sei es eine plausible Einschätzung, dass das israelische Militär diese seit dem 7. Oktober in Fällen eingesetzt habe, die »mit den Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts oder den bewährten Praktiken zur Minderung ziviler Schäden unvereinbar« seien.
Bericht kommt mit Verzögerung
Präsident Joe Biden hatte Anfang Februar schriftliche Zusicherungen ausländischer Regierungen darüber gefordert, dass mit Militärhilfe aus den USA nicht das Völkerrecht gebrochen wird. Das US-Außenministerium sollte innerhalb von 45 Tagen »glaubwürdige« Zusicherungen von betreffenden Staaten einholen. Betroffen sind Länder, deren US-Hilfe vom Kongress genehmigt wurde und die sich aktuell in einem bewaffneten Konflikt befinden, also auch Israel.
Über den Vorgang musste das US-Außenministerium den Kongress in einem Bericht informieren. Der Stichtag dafür war ursprünglich am Mittwoch, das US-Außenministerium hatte jedoch eine Verzögerung um wenige Tage angekündigt, ohne genauere Gründe dafür zu nennen. Der Bericht wurde erst jetzt veröffentlicht.
In Bidens Maßgabe hieß es damals, wenn die Zusicherungen der betroffenen Länder zur Einhaltung des Völkerrechts nicht innerhalb dieses Zeitraums übermittelt würden, werde die militärische Unterstützung gestoppt. Aufgeführt war darin auch der Umgang mit humanitärer Hilfe: So hieß es, betroffene Länder dürften den Transport oder die Lieferung humanitärer Hilfe der USA oder solche, die von der US-Regierung unterstützt werde, »nicht willkürlich ablehnen, einschränken oder anderweitig behindern«.
Kritik aus Biden-Lager: US-Regierung drückt sich
In dem Bericht heißt es nun, israelische Beamte hätten erklärt, dass Israel das humanitäre Völkerrecht einhalte und sich weiterhin verstärkt darum bemühe, den Schaden für die Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten. Das Ministerium betonte, das allgemeine Engagement eines Landes für das humanitäre Völkerrecht werde nicht zwangsläufig durch einzelne Verstöße widerlegt, solange das Land geeignete Schritte unternehme, um diese zu untersuchen.
Der Sender CNN hatte zuvor unter Berufung auf einen US-Regierungsvertreter berichtet, im US-Außenministerium herrsche Uneinigkeit darüber, ob Israels Zusagen als »glaubwürdig und zuverlässig« akzeptiert werden sollten.
Kritik kam auch aus Bidens eigener Partei. Der Bericht habe mit Blick auf den konkreten Einsatz von US-Waffen »eine große Lücke«, zitierten mehrere Medien den demokratischen Senator Chris Van Hollen. Zwar sei das Ministerium zu einer allgemeinen Schlussfolgerung gekommen. Man habe es aber »versäumt, die harte Arbeit einer Bewertung vorzunehmen« und sich letztlich davor »gedrückt«, die eigentlichen Kernfragen zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu beantworten.
Terroristen der Hamas und anderer islamistischer Gruppen hatten am 7. Oktober in Israel ein verheerendes Massaker vor allem an Zivilisten angerichtet. Seitdem führt Israel Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen. Die hohe Zahl ziviler Opfer im Gaza-Krieg und die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung haben international scharfe Kritik am Vorgehen Israels ausgelöst. Die USA als wichtigster Verbündeter Israels drängen die Regierung in Jerusalem schon länger dazu, den Schutz der Zivilbevölkerung zu verstärken und mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen.
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