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US-Kongress verhindert Shutdown - Ukraine als Verlierer

Dieses Mal blieben dem US-Kongress nur wenige Stunden, um einen Shutdown zu verhindern. Mit dem Kompromiss kann wohl niemand so richtig glücklich sein. Vor allem in Kiew dürfte man sich Sorgen machen.

Kevin McCarthy
Republikaner Kevin McCarthy legte den Übergangshaushalt überraschend vor und setzte damit die Demokraten unter Druck. Foto: J. Scott Applewhite/DPA
Republikaner Kevin McCarthy legte den Übergangshaushalt überraschend vor und setzte damit die Demokraten unter Druck.
Foto: J. Scott Applewhite/DPA

Der US-Kongress hat im letzten Moment einen drohenden Stillstand der Regierung verhindert - den Preis für die Einigung zahlt allerdings die Ukraine. Der am Samstagabend verabschiedete Übergangshaushalt enthält keine weitere Unterstützung für Kiew.

Nur wenige Stunden vor Ablauf der Frist stimmte der Senat nach dem Repräsentantenhaus mit überparteilicher Mehrheit für den Gesetzesentwurf und wendete damit einen sogenannten Shutdown ab. Der Haushalt gewährt allerdings nur einen kurzen Aufschub bis Mitte November - der Streit um einen neuen Bundeshaushalt zwischen den Demokraten und den Republikanern ist damit nur verschoben. Für die Ukraine hat der Krimi im US-Kongress aber schon jetzt Konsequenzen.

US-Präsident Joe Biden unterzeichnete das Gesetz nur kurz nach der Abstimmung. Doch der Demokrat fand zugleich mahnende Worte: »Wir können unter keinen Umständen zulassen, dass die amerikanische Unterstützung für die Ukraine unterbrochen wird.« Er versicherte der Ukraine am Sonntag, auch weiterhin auf die Unterstützung der USA zählen zu können. Die Einigung bringt nun zwar eine Galgenfrist - aber vor allem auch viele Verlierer. Sie könnte den republikanischen Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, das Amt kosten.

Bei einem Shutdown steht viel auf dem Spiel

Die Laufzeit des Ende vergangenen Jahres vom US-Kongress beschlossenen Haushalts endete mit Ablauf dieses Monats - also in der Nacht. Bis dahin musste ein neuer Bundeshaushalt beschlossen werden, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.

Das politische Gezerre wiederholt sich jedes Jahr. In der Regel behilft sich der Kongress mit der Verabschiedung eines Übergangshaushalts - so auch dieses Mal. Ein Shutdown bedeutet, dass Millionen Angestellte der Regierung kein Gehalt mehr bekommen - viele von ihnen müssen dann in Zwangsurlaub gehen. Etliche leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck und haben keine großen Rücklagen.

Showdown im Kongress

Mit dem Übergangshaushalt geben vor allem ultraradikale Republikaner in den USA den Ton an - zumindest wenn es um die Frage nach weiterer Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine geht. Diese lehnen sie nämlich ab. Zuletzt hatten sich vor allem die tief gespaltenen Republikaner im Repräsentantenhaus im Streit über einen neuen Haushalt gegenseitig zerlegt und dabei den Vorsitzenden der Kammer, Kevin McCarthy, bloßgestellt.

Sie haben im Repräsentantenhaus eine knappe Mehrheit, im Senat haben Bidens Demokraten eine Mehrheit. McCarthy zog am Samstagmorgen plötzlich den Entwurf für den Übergangshaushalt aus dem Ärmel und wendete damit das Blatt. Zunächst hatte es so ausgesehen, als ließe sich ein Shutdown nicht mehr verhindern.

Spiel mit dem Feuer für McCarthy

Der Übergangshaushalt enthält zwar keine Ukraine-Hilfe, aber auch nicht die weitgehenden Kürzungen, welche die Extremen in McCarthys Partei verlangt hatten. Er finanziert die Regierungsgeschäfte für 45 Tage auf dem Niveau des vorigen Bundeshaushalts weiter. Mit seinem überraschenden Vorstoß hat McCarthy die Ultraradikalen vor den Kopf gestoßen haben. Der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz kündigte an, einen Antrag stellen zu wollen, um McCarthy aus dem Amt zu jagen. Das bedeutet nicht automatisch, dass es zu einer Abstimmung darüber kommt - für McCarthy steht aber sein politisches Überleben auf dem Spiel. Die Ankündigung ist keine Überraschung. McCarthys Gegner haben zwischenzeitlich ohnehin eher den Eindruck erweckt, dass sie einen Shutdown wollen - um des Chaos Willens.

Die Demokraten feiern den Übergangshaushalt als Beispiel für Kompromissfähigkeit im Kongress. Fakt ist aber auch, dass sie vom Republikaner McCarthy überrumpelt wurden. Dieser hätte ihnen den schwarzen Peter für einen Shutdown zugeschoben, wenn sie sich gegen den Gesetzesentwurf gestellt hätten. Bidens Demokraten wollten auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass ihnen Hilfe für die Ukraine wichtiger sei als der Gehaltszettel von Millionen Menschen in den USA. Am Ende waren es die Demokraten, die mit ihren Stimmen einen Stillstand der Regierung verhindert haben - allerdings zu einem hohen Preis.

Bedingungslose Unterstützung nicht selbstverständlich

Die Vereinigten Staaten gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Seit Kriegsbeginn hat Bidens Regierung allein an Militärhilfe deutlich mehr als 40 Milliarden US-Dollar bereitgestellt. Biden bat den Kongress im Sommer um weitere Milliardensummen für die Ukraine - er forderte allein rund 13 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe, um bis Anfang 2024 die Unterstützung für Kiew sicherzustellen. Hinzu kamen weitere Milliarden für wirtschaftliche und humanitäre Unterstützung.

Dass in dem Übergangshaushalt keine Hilfe für die Ukraine enthalten ist, bedeutet nicht, dass Kiew sofort keine Unterstützung mehr von den USA bekommt. Allerdings gehen die bisher genehmigten Mittel langsam zur Neige. Folgen hat der Showdown im US-Kongress dennoch schon jetzt - denn er sendet eine Botschaft an Russland.

Es handle sich um ein Signal der Schwäche, der mangelnden Entschlossenheit seitens der USA, warnte der Militäranalyst des US-Senders CNN, Cedric Leighton. In den USA fürchtet man auch, dass die Europäer ihre Unterstützung herunterfahren könnten, wenn die USA nur zögerlich handeln. Gut ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl zeigt sich, wie kontrovers das Thema Ukraine mittlerweile in den USA diskutiert wird - und das die bedingungslose Unterstützung der Amerikaner keineswegs selbstverständlich ist.

Kongress muss nun schnell handeln

Der Kongress muss also bald neue Hilfe genehmigen. Die Spitzen der Demokraten und Republikaner im Senat haben sich darauf verständigt, dafür zu kämpfen. »Ich bin zuversichtlich, dass der Senat noch in diesem Jahr weitere dringende Hilfen für die Ukraine beschließen wird«, sagte der Minderheitsführer der Republikaner, Mitch McConnell, vor der Abstimmung. Die Mehrheiten dafür gibt es im US-Kongress - auch wenn vor allem bei den Republikanern die Unterstützung schwindet.

Im Repräsentantenhaus hängt es aber an Republikaner McCarthy, ein Gesetz überhaupt zur Abstimmung zur bringen. Wie dieser sich unter Druck der Rechtsaußen in seiner Fraktion verhalten wird, ist schwer vorherzusagen. Zuletzt hatte er es in mehreren Statements vermieden, sich zu weiteren US-Hilfen für das Land zu bekennen. Als Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche im US-Kongress für weitere Unterstützung warb, verhinderte McCarthy, dass der ukrainische Präsident vor beiden Kammern des Kongresses sprechen konnte.

© dpa-infocom, dpa:230930-99-387776/11