Im Fall des kürzlich aufgedeckten Datenlecks von Dokumenten der US-Geheimdienste gehen die Ermittler davon aus, dass der Verdächtige auf weitaus mehr Verschlusssachen zugegriffen hat als bisher bekannt.
»Die Informationen, zu denen der Angeklagte Zugang hatte - und auch zugegriffen hat - gehen weit über das hinaus, was bisher im Internet veröffentlicht wurde«, heißt es in einem Schreiben der Staatsanwälte. Die Anklage fordert, den festgenommenen IT-Spezialisten des Militärs im Gefängnis zu behalten. Dem Anfang 20-jährigen Jack Teixeira drohen bei einer Verurteilung mindestens 25 Jahre Gefängnis. Teixeira erschien laut US-Medien zu einem Haftprüfungstermin im US-Bundesstaat Massachusetts vor Gericht. Eine Entscheidung stand am Nachmittag (Ortszeit) noch aus.
Teixeira steht im Verdacht, streng vertrauliche Dokumente in einem geschlossen Chat-Raum veröffentlicht zu haben. Von dort aus sollen sie sich weiter verbreitet haben, bis Behörden und Medien darauf aufmerksam wurden. Die Verschlusssachen enthalten zum Beispiel Informationen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, aber auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partner. Teixeira wurde vor zwei Wochen festgenommen. Dem IT-Spezialisten der Nationalgarde werden unbefugte Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen und nationalen Verteidigungsinformationen zur Last gelegt.
Staatsanwaltschaft hält Teixeira für große Gefahr
Die Staatsanwaltschaft argumentiert nun, dass Teixeira weiter eine große Gefahr für die nationale Sicherheit sei. »Er hat möglicherweise noch immer Zugang zu einer Fülle geheimer Informationen, die für feindliche Staaten von enormem Wert wären«, heißt es. »Diese könnten ihm einen sicheren Unterschlupf bieten und versuchen, seine Flucht aus den USA zu erleichtern.« Der Schaden, den der Angeklagte noch anrichten könne, sei außerordentlich. Der Verdächtige habe vor seiner Festnahme wohl auch versucht, Beweismittel zu zerstören. Teixeira soll bereits ab etwa Februar 2022 auf »Hunderte« Verschlusssachen zugriffen haben, so die Staatsanwaltschaft.
Bisher hieß es, dass der Verdächtige diese ab Dezember im Netz geteilt habe. In dem Schreiben der Anwälte steht nun mit Blick auf Äußerungen Teixeiras im Netz: »Der Angeklagte räumte mehrfach ein, dass er Verschlusssachen veröffentlicht habe und dass er dies vor Dezember 2022 getan hatte.« Die US-Regierung untersuche immer noch, ob und wo der Beklagte weitere Kopien der Verschlusssachen aufbewahre - einschließlich Material, das bisher noch nicht veröffentlicht wurde. Teixeira habe immer wieder versucht, »die Regierung daran zu hindern, sich ein vollständiges Bild von der Schwere und dem Ausmaß seines Verhaltens zu machen.«
An Diskussion über Gewalt und Mord beteiligt
Die Anklage argumentiert außerdem, Teixeira habe eine beunruhigende Vorgeschichte rassistischer und gewalttätiger Äußerungen. So sei er an der High School wegen Bemerkungen über Waffen und Molotow-Cocktails suspendiert worden. Bei seiner Festnahme seien in seinem Zimmer mehrere Waffen sichergestellt worden. Der Verdächtige habe sich wiederholt an »detaillierten und beunruhigenden Diskussionen über Gewalt und Mord« beteiligt. Im Chat-Raum habe er unter anderem gesagt, dass er, wenn es nach ihm ginge, »eine Menge Menschen umbringen« würde, weil damit »die Schwachen ausgemerzt« würden.
US-Medien berichteten außerdem, dass die Datenleck-Affäre erste personelle Konsequenzen habe. Die Luftwaffe habe zwei Vorgesetzte Teixeiras vom Dienst suspendiert. Die Suspendierungen sind demnach vorübergehend, bis die Untersuchungen in dem Fall abgeschlossen sind. US-Präsident Joe Biden war im Zuge des Skandals unter Druck geraten, da Zweifel an der Sicherheit streng vertraulicher Dokumente aufgekommen sind. Der Demokrat wies seine Regierung an, den Zugang zu Verschlusssachen künftig einzugrenzen.
© dpa-infocom, dpa:230427-99-468908/4