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Union will Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht

CDU und CSU hatten die Teil-Impfpflicht für Kliniken und Pflegeheime mitgetragen. Doch nach der Ankündigung Bayerns, die Maßnahme vorerst nicht umzusetzen, will die Union bundesweit auf die Bremse treten.

Corona-Impfung
Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken müssen bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen. Foto: Marijan Murat/dpa
Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken müssen bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen. Foto: Marijan Murat/dpa

BERLIN. Der Streit um die gesetzliche Corona-Impfpflicht für Personal von Kliniken und Pflegeheimen spitzt sich zu. Die Union dringt auf eine bundesweite Aussetzung der Teil-Impfpflicht, die eigentlich ab Mitte März greift. »Die Bundesregierung muss einsehen, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Moment kaum umsetzbar ist«, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Tino Sorge, der »Bild«-Zeitung. Am frühen Abend hatte bereits CDU-Chef Friedrich Merz die Aussetzung in ganz Deutschland gefordert.

Merz warf der Bundesregierung vor, Einrichtungen und Beschäftigte mit den Folgen dieser Impfpflicht allein zu lassen. Die CDU habe damals zwar zugestimmt, allerdings in der Annahme, dass die Probleme gelöst werden könnten. Sorge forderte: »Die Aussetzung sollte bundesweit einheitlich gelten, bis zentrale rechtliche und praktische Fragen beantwortet sind.« Die Regierung müsse unter anderem die Frage klären, wie mit Personal umzugehen sei, das von Einrichtungen als unverzichtbar angesehen wird. »Heute sieht es nicht so aus, als würde das der Ampel rechtzeitig zum 16. März gelingen.«

Zuvor hatte Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder angekündigt, die Maßnahme im Freistaat bis auf weiteres nicht umzusetzen. Bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und weiteren Vertretern der Ampel-Koalition sorgte dies für Kritik.

FDP-Politiker sieht »PR-Trick«

Der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann sprach von einer »egozentrischen Weigerung«. »Im Grunde ist es nur ein PR-Trick, um in den Medien stattzufinden«, sagte er der »Augsburger Allgemeinen«. Ullmann warf Söder vor: »Wenn ein ernsthaftes Interesse an Umsetzungsfragen bestehen würde, hätte er mit dem Bund und den Ländern daran arbeiten können.«

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, der Schutz der Heimbewohnerinnen und -bewohner gerate komplett aus dem Fokus. »Es gibt ein Gesetz, das zum Schutz dieser Menschen verabschiedet wurde. Wird es wegen fehlender Kontrollen nun nicht umgesetzt, bringt das Menschenleben in Gefahr.«

Das bereits im Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetz legt fest, dass Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen - oder ein Attest, nicht geimpft werden zu können. Arbeitgeber müssen die Gesundheitsämter informieren, wenn das nicht geschieht. Diese können die Beschäftigung in der Einrichtung untersagen. Auch die ganz große Mehrheit der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag hatte dafür gestimmt. Lauterbach hat deutlich gemacht, dass das Gesetz gilt und dass er eine Verschiebung ablehnt.

Virologe Streeck: Impfpflicht würde Lage verschärfen

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel sagte dem »Spiegel«: »Wir sollten das umsetzen, was wir aus guten Gründen im Dezember beschlossen haben.« Die auch für Senioren zuständige Grünen-Politikerin betonte die »Verantwortung, ältere Menschen in der Gesellschaft zu schützen«. Der Virologe Hendrik Streeck sagte dagegen »Bild«: »Die einrichtungsbezogene Impfpflicht würde die personelle Lage in den Kliniken weiter verschärfen und somit das Gesundheitswesen weiter belasten. Es ist gut, wenn die Politik aus dieser Erkenntnis Schlüsse zieht.«

Der Städte- und Gemeindebund hält bei Umsetzung der Teil-Impfpflicht in Ausnahmefällen eine »zeitliche Streckung« für sinnvoll. »Wenn die Funktionsfähigkeit oder der laufende Betrieb gefährdet sind, kann es richtig sein, hier zusätzlichen Spielraum zu eröffnen«, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es zeigten sich regionale Unterschiede, die teilweise »den zeitgerechten Vollzug« behinderten. »Während Sozialeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen bei ihrem Personal teilweise eine Impfquote von 97 Prozent melden, sieht dies offenbar bei vielen Einrichtungen in Bayern anders aus. Entsprechendes dürfte wohl auch für einige ostdeutsche Bundesländer gelten.«

Holetschek: »Umsetzung mit Augenmaß«

Bayerns Regierungschef Söder hatte angekündigt, es werde »großzügigste Übergangsregelungen« geben, was »de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft«. Landesgesundheitsminister Klaus Holetschek verteidigte den Schritt. Bayern setze auf eine »Umsetzung mit Augenmaß, bei der auch die berechtigten und wichtigen Belange der betroffenen Einrichtungen sowie der ohnehin am Limit agierenden Gesundheitsämter berücksichtigt werden«, teilte der CSU-Politiker mit. »Mit angemessenen Umsetzungsfristen sorgen wir dafür, dass die Versorgungssicherheit in Krankenhäusern, Pflegeheimen und weiteren von der Impfpflicht erfassten Einrichtungen stets gewährleistet bleibt.«

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow kritisierte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland: »Man darf als Ministerpräsident nicht den Eindruck erwecken, dass man nicht mehr bundestreu ist. Die Situation ist ja schon aufgeheizt. Dann hätte er vorher auf die Bremse treten müssen.« Ramelow sagte jedoch auch, dass das Gesetz Widersprüche produziere, die es zu klären gelte. Im Übrigen »wäre eine allgemeine Impfpflicht von vornherein besser gewesen«

Mecklenburg-Vorpommern will die einrichtungsbezogene Impfpflicht zügig umsetzen, erwartet dazu aber noch Klarstellungen vom Bund. Der Gesetzgeber habe eine Reihe von Fragen noch nicht beantwortet, hieß es am Montag aus dem Sozialministerium in Schwerin. Dazu gehörten etwa die Prüfung von Nachweisen und Ausnahmetatbeständen, die rechtssichere Einbindung der Arbeitgeber, die Art der Sanktionen sowie die Frage einheitlicher Kontrollen. Die Kommunen benötigten Vorlauf- und Umsetzungszeit.

© dpa-infocom, dpa:220208-99-21509/4