Logo
Aktuell Ausland

Unicef appelliert an Putin: »Kinder können nichts für Krieg«

Die neue Unicef-Direktorin nennt den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine »Abscheulichkeit«. Sie äußert große Sorge über die Zukunft der vielen Frauen und Kinder, die nun vor den Bomben fliehen.

Catherine Russell
Catherine Russell ist die neue Direktorin des UN-Kinderhilfswerks Unicef. Foto: Jörg Carstensen
Catherine Russell ist die neue Direktorin des UN-Kinderhilfswerks Unicef.
Foto: Jörg Carstensen

Die Direktorin des UN-Kinderhilfswerks Unicef, Catherine Russell, appelliert angesichts der humanitären Notlage in der Ukraine an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, die Angriffe seiner Armee sofort zu beenden.

»Sie müssen diesen Krieg stoppen! Er ist furchtbar. Seine Auswirkungen auf Kinder sind inakzeptabel und abscheulich«, sagte Russell der Deutschen Presse-Agentur. Die Menschen vor Ort und die fliehenden Frauen und Kinder seien »vollkommen unschuldig« und hätten mit dem Konflikt nichts zu tun, sagte Russell. »Sie haben das nicht verdient.«

Die US-Amerikanerin, seit Februar neu im Amt, war in dieser Woche von New York nach Deutschland gereist, um mit Vertretern der Bundesregierung unter anderem über die Lage in der Ukraine zu beraten. Deutschland ist weltweit der zweitgrößte Geldgeber von Unicef.

Flüchtlingsstrom als Herausforderung

Russell äußerte sich sehr besorgt über die Entwicklung in der Ukraine, wo die russischen Angriffe auch drei Wochen nach Kriegsbeginn am 24. Februar weitergehen. 148 Mitarbeiter von Unicef seien noch im Land, um die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen, berichtete Russell. Entlang der Fluchtrouten hat das Hilfswerk nach eigenen Angaben 26 Anlaufstellen, sogenannte »Blue Dots«, eingerichtet, um geflüchtete Menschen zu versorgen und bei bürokratischen Hürden zu vermitteln. Dabei gehe es auch darum, die Menschen zu registrieren, erklärte Russell. Die Hilfsorganisation achte darüber hinaus darauf, dass es nicht zu Menschenhandel und zur Mitnahme von Kindern durch Fremde komme.

»Es handelt sich um den schnellsten Flüchtlingszustrom seit dem Zweiten Weltkrieg. Das ist eine große Herausforderung für die aufnehmenden Länder«, sagte Russell. Auch in Deutschland müsse man sich etwa die Frage stellen, wie und in welcher Sprache man die vielen Kinder und Jugendlichen unterrichten wolle.

Sie habe in Gesprächen an der ukrainischen Grenze zu Rumänien öfter gehört, dass die Geflüchteten »bald wieder nach Hause« wollten. Aber das sei erfahrungsgemäß nicht sehr realistisch, sagte Russell.

Die Unicef-Chefin erinnerte auch an die Lage von Kindern in anderen Krisengebieten wie Afghanistan und Jemen, die aktuell nicht mehr so im Fokus der Öffentlichkeit stünden. In Afghanistan etwa gebe es aktuell eine »schreckliche humanitäre Krise«. Kinder drohten zu verhungern. »Wir gehen davon aus, dass in den nächsten zwei, drei Monaten 95 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben werden«, sagte Russell.

Ihre Organisation hat nach eigenen Angaben 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 190 Ländern - die meisten davon in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie in Krisengebieten.

Flüchtlinge in Polen

In Polen sind nach Angaben des Grenzschutzes seit dem Beginn des Kriegs mehr als zwei Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland eingetroffen. Es seien hauptsächlich Frauen und Kinder, teilte die Behörde per Twitter mit. Allein gestern waren es demnach rund 52.500 Menschen. Dies sei ein Rückgang um elf Prozent im Vergleich zum Vortag. Aus Polen in die Ukraine hätten seit Kriegsbeginn am 24. Februar etwa 227.000 Menschen die Grenze überquert.

Es gibt derzeit keine offiziellen Angaben dazu, wie viele der Kriegsflüchtlinge in Polen geblieben und wie viele bereits in andere EU-Staaten weitergereist sind. Die Ukraine - flächenmäßig das größte Land in Europa - hatte vor Beginn des russischen Angriffs mehr als 44 Millionen Einwohner. Polen und die Ukraine verbindet eine mehr als 500 Kilometer lange Staatsgrenze.

© dpa-infocom, dpa:220318-99-572145/5