Mit einem pompösen Empfang für den indischen Premierminister Narendra Modi als Staatsgast in den USA hat Präsident Joe Biden das bevölkerungsreichste Land der Erde umworben. Biden und Modi beschlossen bei einem Treffen am Donnerstag in Washington mehrere wirtschaftliche und militärische Vereinbarungen und beschworen die Partnerschaft beider Länder.
Bidens Regierung versucht offensiv, Indien als wichtigen Akteur im Indopazifik und auf der internationalen Bühne stärker an sich zu binden. Zahlreiche Politiker aus dem US-Kongress äußerten sich jedoch besorgt über die Menschenrechtslage in Indien. Modi wies das als unbegründet zurück.
Biden: »Zwei große Freunde, zwei große Mächte«
Biden sagte, er sei überzeugt, »dass die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Indien eine der entscheidenden Beziehungen des 21. Jahrhunderts sein werden«. Es handele sich um »zwei große Nationen, zwei große Freunde, zwei große Mächte«, die den Verlauf des Jahrhunderts bestimmen könnten. Die USA und Indien müssten »zusammenarbeiten und gemeinsam die Führung übernehmen«, um den Herausforderungen des Jahrhunderts zu begegnen.
Die US-Regierung hatte bereits kurz vor Modis Besuch diverse neue Partnerschaften angekündigt, etwa den Verkauf bewaffneter MQ-9B-Drohnen aus den USA an Neu-Delhi, US-Investitionen in die Halbleiter-Produktion in Indien sowie neue Kooperationen in der Raumfahrt und im Technologiesektor. Biden sagte nun, auch indische Firmen hätten Investitionen im Umfang von mehr als zwei Milliarden Dollar (1,82 Milliarden Euro) in den USA angekündigt. »Unsere Handelsbeziehungen florieren«, betonte er. Die Partnerschaft beider Staaten habe »grenzenloses Potenzial«.
(Fast) vegetarisches Staatsbankett
Biden begrüßte Modi im Weißen Haus mit einer feierlichen Zeremonie. Später hielt der indische Premier eine Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses und pries dort unter anderem den Aufstieg seines Landes. Indien sei heute die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt und stelle ein Sechstel der Weltbevölkerung. »Wenn Indien wächst, wächst die ganze Welt«, sagte er.
Zum kulinarischen Höhepunkt lud Biden zum fast gänzlich vegetarischen Staatsbankett. Knapp 400 Gäste - dabei waren unter anderem eine Reihe Ministerinnen und Minister, Apple-Chef Tim Cook oder Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege - trafen im extra geschmückten Weißen Haus ein. Zu Ehren des Vegetariers Modi war ein fast komplett pflanzliches Menü geplant. Als Vorspeise sollte es marinierte Hirse und gegrillten Maiskörnersalat geben, danach mit Safran-Risotto gefüllte Portobello-Pilze und als Nachtisch mit Kardamom angereicherte Erdbeerkuchen. Alternativ gab es als Hauptgang dabei auch einen gerösteten Wolfsbarsch.
Staatsbesuche werden anders als reguläre Arbeitsbesuche von besonderem protokollarischen Pomp begleitet, wie etwa einem Staatsbankett. Modi ist in Bidens Amtszeit erst der dritte ausländische Gast, dem diese Ehre zuteil wird. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war im vergangenen Dezember zu einem Staatsbesuch in die USA gereist. Ende April folgte Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol.
Indien hat China als bevölkerungsreichstes Land abgelöst. Mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern ist es auch die größte Demokratie der Welt und hat wachsenden politischen und wirtschaftlichen Einfluss, gerade im Indopazifik. Bidens Regierung versucht dem Machtstreben Chinas in der Region etwas entgegenzusetzen und hat daher Partnerschaften mit anderen Ländern in der Region deutlich forciert, unter anderem im sogenannten Quad-Bündnis mit Indien, Japan und Australien.
Kritik in offenem Brief
Dass Biden dem indischen Premier derart den roten Teppich ausrollt, stößt auch auf Kritik. Seit 2014 ist Modi von der hindu-nationalistischen BJP Premierminister des Landes. In seiner Amtszeit fiel Indien auf Ranglisten zu Demokratie oder Pressefreiheit mehrere Plätze zurück. Kritiker beklagen, religiöse Minderheiten würden in dem mehrheitlich hinduistischen Land diskriminiert.
Auch mehr als 70 US-Politiker aus dem Repräsentantenhaus und dem Senat hatten sich vor Modis Besuch besorgt über die Menschenrechtslage in Indien geäußert und Biden in einem offenen Brief aufgefordert, diese Probleme bei dem Treffen anzusprechen. Sie mahnten, es gebe beunruhigende Anzeichen, dass politische Rechte und Meinungsfreiheit in Indien eingeschränkt würden, dass religiöse Intoleranz gegenüber Minderheiten zunehme und die Pressefreiheit leide. Aus dem Weißen Haus hieß es vorab, der Präsident ducke sich nicht weg vor diesen schwierigen Themen. Einzelne Abgeordnete wollten wegen dieser Bedenken auch Modis Rede im Kongress boykottieren.
Modi: »Demokratie liegt in unserer DNA«
Biden sagte bei einem gemeinsamen Presseauftritt mit Modi, die beiden hätten sich intensiv über demokratische Werte ausgetauscht. »Wir sind offen miteinander und wir respektieren einander.« Modi, der in der Heimat üblicherweise keine Reporterfragen beantwortet, wies in Washington Kritik an der Menschenrechtslage in Indien zurück. »Die Demokratie liegt in unserer DNA. Die Demokratie ist unser Geist. Die Demokratie fließt in unseren Adern«, sagte er und versicherte, es gebe in Indien »absolut keine Diskriminierung«, weder aufgrund der Kaste, des Glaubens oder anderer Dinge.
Ein anderes nicht ganz einfaches Thema zwischen beiden Ländern ist der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Indien positioniert dazu bislang neutral und trägt westliche Sanktionen nicht mit. Das Land hat gute Beziehungen sowohl zu westlichen Ländern als auch zu Russland, von dem es bei einem Großteil seiner militärischen Ausrüstung abhängig ist. Während des Kriegs begann Indien außerdem, mehr Öl aus Russland zu kaufen.
Die USA dagegen sind der engste Verbündete der Ukraine in dem Konflikt und stehen an der Spitze der internationalen Allianz gegen Russland. Modi betonte erneut, Indien lege den Fokus auf eine Lösung des Ukraine-Konflikts durch Dialog und Diplomatie. »Wir sind bereit, auf jede erdenkliche Weise zur Wiederherstellung des Friedens beizutragen.«
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