Nach mehreren Tagen eines großen russischen Angriffs im Grenzgebiet zur ukrainischen Millionenstadt Charkiw sieht die Führung in Kiew allmählich eine Stabilisierung der Front. Die Lage sei sehr angespannt und ändere sich rasch, sagte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR, Kyryllo Budanow, in der Dauernachrichtensendung des Fernsehens. »Ich glaube aber, dass es seit gestern Abend eine rasche Tendenz zur Stabilisierung gibt.«
Die russischen Truppen würden an der Grenze blockiert, sagte Budanow. Er warnte allerdings davor, dass sie einen ähnlichen Vorstoß ein Stück weiter nördlich in Richtung der Gebietshauptstadt Sumy unternehmen könnten.
Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in seiner Videobotschaft vom Montagabend davon gesprochen, dass ukrainische Truppen den Frontabschnitt verteidigten und sogar zum Gegenangriff übergegangen seien. Unabhängige Bestätigungen für diese Einschätzungen gab es nicht.
Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs vom Dienstag griffen russische Truppen weiter in Richtung Sloboschanske an, das etwa 30 Kilometer nördlich von Charkiw liegt. Militärexperten, die Fotos im Internet analysieren, gingen auch davon aus, dass russische Truppen am Stadtrand von Wowtschansk 40 Kilometer nordöstlich von Charkiw stehen.
Moskau vermeldet Erfolge
In Moskau verkündete das Verteidigungsministerium die Eroberung einer weiteren Ortschaft. Mit der Einnahme von Buhruwatka südwestlich von Wowtschansk sei es gelungen, in die Tiefe der ukrainischen Verteidigungslinien vorzudringen. Alle ukrainischen Gegenangriffe seien abgewehrt worden.
Weil russische Truppen seit vergangenem Freitag mehrere ukrainische Grenzdörfer besetzen konnten, ist in der Ukraine eine Diskussion entbrannt, ob die Front hinreichend befestigt war. Der Gouverneur des Gebietes Charkiw, Oleh Synjehubow, ordnete eine Überprüfung der Befestigungsarbeiten an, zu der alle beteiligten Baufirmen vorgeladen wurden.
Der neue russische Vorstoß soll nach übereinstimmender Auffassung von Militärbeobachtern die Ukraine zwingen, Truppen aus anderen bedrohten Frontabschnitten abzuziehen. Für einen Vormarsch auf Charkiw reichen die zusammengezogenen russischen Kräfte nach Einschätzung des britischen Verteidigungsministeriums nicht aus. Die Stadt ist aber weiter russischen Bombenangriffen durch russische Kampfflugzeuge aus deren eigenem Luftraum ausgeliefert.
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