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Ukraine-Krieg treibt Militärausgaben auf neues Allzeithoch

Nie waren die weltweiten Militärausgaben so hoch wie 2022. Angetrieben vom Ukraine-Krieg stiegen sie vor allem in Europa. Friedensforscher sehen das als Anzeichen für eine zunehmend unsichere Welt.

Militärausgaben
Während einer französisch-amerikanischen Militärübung im rumänischen Capu Midia steht ein französischer Soldat auf einem Kampfpanzer des Typs »Leclerc«. Foto: Andreea Alexandru
Während einer französisch-amerikanischen Militärübung im rumänischen Capu Midia steht ein französischer Soldat auf einem Kampfpanzer des Typs »Leclerc«.
Foto: Andreea Alexandru

Die weltweiten Militärausgaben haben einen neuen Höchststand erreicht. Vor allem wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine stiegen sie im Jahr 2022 inflationsbereinigt um 3,7 Prozent auf 2,24 Billionen Dollar (rund 2,04 Billionen Euro), wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri in einem neuen Bericht mitteilte.

Die Staaten der Erde steckten somit auch im achten Jahr in Folge mehr Geld ins Militär als im jeweiligen Vorjahr. Ohne Inflationsbereinigung würde der Anstieg gar bei 6,5 Prozent liegen. Die USA bleiben klarer Spitzenreiter, Deutschland Siebter.

»Der kontinuierliche Anstieg der weltweiten Militärausgaben in den vergangenen Jahren ist ein Zeichen dafür, dass wir in einer zunehmend unsicheren Welt leben«, erklärte der Sipri-Forscher Nan Tian. Als Reaktion auf das sich verschlechternde Sicherheitsumfeld stärkten Staaten ihr Militär - und sie rechneten auch nicht damit, dass sich an diesem Umfeld in naher Zukunft etwas zum Besseren ändern werde.

Ukraine-Krieg und russische Bedrohung als Ausgabentreiber

Den mit Abstand stärksten Ausgabenanstieg verzeichnete Europa mit einer inflationsbereinigten Zunahme um 13 Prozent, dem höchsten jährlichen Anstieg der Zeit nach dem Kalten Krieg. Im Wesentlichen lag das an den stark gestiegenen Militärausgaben Russlands und der Ukraine, doch die militärischen Hilfen für die Ukraine und Sorgen vor einer stärkeren Bedrohung durch Russland haben nach Sipri-Angaben auch die Ausgabenentscheidungen vieler anderer Staaten beeinflusst.

Die Russland-Sorgen hätten sich dabei schon seit langem aufgebaut. Viele frühere Ostblockstaaten hätten ihre militärischen Ausgaben seit 2014 - dem Jahr der russischen Krim-Annexion - mehr als verdoppelt.

Die Staaten in Mittel- und Westeuropa verwendeten 2022 insgesamt 345 Milliarden Dollar (315 Mrd. Euro) für das Militär. Damit übertrafen sie inflationsbereinigt erstmals das Jahr 1989, als der Kalte Krieg endete. Russlands Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 habe sich unmittelbar auf die Entschlüsse dieser Länder ausgewirkt, was sich etwa in mehrjährigen Plänen zur Ausgabensteigerung gezeigt habe, sagte Sipri-Experte Diego Lopes da Silva. Infolgedessen könne man in den kommenden Jahren mit weiteren Anstiegen rechnen.

USA unangefochten an der Spitze - Rekordanstieg durch Ukraine

Ganz klarer Spitzenreiter bei den Militärausgaben bleiben die USA. Nach einem Anstieg um 0,7 Prozent landeten sie bei Ausgaben in Höhe von 877 Milliarden Dollar (800 Mrd. Euro), darunter 19,9 Milliarden an Militärhilfe für die Ukraine. Damit kommen sie auf einen Anteil an den globalen Ausgaben von 39 Prozent und auf das Dreifache von China (geschätzte 292 Mrd. Dollar) auf Rang zwei. Russland steigerte seine militärischen Aufwendungen um 9,2 Prozent auf geschätzte 86,4 Milliarden Dollar, womit es vom fünften auf den dritten Platz sprang.

Indien und Saudi-Arabien komplettieren die Top fünf, Deutschland folgt dann nach Zuwächsen um 2,3 Prozent mit 55,8 Milliarden Dollar auf Rang sieben hinter Großbritannien. Mit Blick auf das ausgewiesene Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro rechnet Sipri mit einem erheblichen Anstieg der deutschen Militärausgaben in den kommenden Jahren. Vom Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Verteidigung zu stecken, ist die Bundesrepublik demnach Stand jetzt mit 1,4 Prozent weiterhin weit entfernt.

Greenpeace kritisierte angesichts der Zahlen die deutschen Ausgaben. Verteidigungsminister Boris Pistorius müsse »die Frage beantworten, warum sein Verteidigungsministerium ein Fass ohne Boden ist, das Milliarde um Milliarde verschwendet«, sagte der Abrüstungsexperte der Organisation, Alexander Lurz. »Noch mehr Mittel für die Bundeswehr sind angesichts dessen keinesfalls gerechtfertigt - das Geld wird dringend für Soziales und Klimaschutz gebraucht.«

Die weltweiten Militärausgaben entsprachen 2,2 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts.

Und die Ukraine? Die verzeichnete einen Anstieg um satte 640 Prozent - dem höchsten, den Sipri jemals für ein Land in einem einzelnen Jahr registriert hat. Mit Militärausgaben von nun 44 Milliarden Dollar ohne Berücksichtigung finanzieller Unterstützung und Rüstungsspenden aus dem Ausland springt die Ukraine somit von Platz 36 schlagartig auf Rang 11. Angesichts dieses Kostenanstiegs und der immensen Kriegsfolgen für die ukrainische Wirtschaft entsprachen die Ausgaben geschätzten 34 Prozent des BIP des Landes - nach 3,2 Prozent 2021.

Spannungen auch in Fernost

Neben dem Ukraine-Krieg machte Sipri noch einen weiteren Grund für den globalen Anstieg aus: Spannungen in Ostasien. Die militärischen Gesamtausgaben in Asien und Ozeanien stiegen inflationsbereinigt um 2,7 Prozent auf 575 Milliarden Dollar an, stärker dabei jedoch in China (4,2 Prozent), Indien (6,0 Prozent) und in Japan (5,9 Prozent), die zusammen fast drei Viertel der regionalen Ausgaben ausmachten.

Japan hatte 2022 eine neue Sicherheitsstrategie ausgegeben, um seine militärischen Fähigkeiten mit Blick auf die wahrgenommenen Bedrohungen durch China, Nordkorea und Russland im kommenden Jahrzehnt auszubauen. »Japan erlebt einen tiefgreifenden Wandel bei seiner Militärpolitik«, stellte der Sipri-Experte Xiao Liang fest.

Der jährlich erscheinende Sipri-Bericht zu den Militärausgaben in aller Welt gilt als weltweit umfassendste Datensammlung dieser Art. Die Friedensforscher zählen auch Aufwände für Personal, Militärhilfen sowie militärische Forschung und Entwicklung zu den Ausgaben.

© dpa-infocom, dpa:230424-99-423568/7