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Ukraine fordert schwere Waffen - Ampel streitet

Die Forderungen an die Adresse von Kanzler Scholz nehmen zu, auch schwere Waffen in die Ukraine zu liefern. Kiew macht Druck, aber auch in der eigenen Koalition nehmen die Kontroversen an Schärfe zu.

Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt an der Kabinettssitzung im Kanzleramt teil. Foto: John Macdougall
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt an der Kabinettssitzung im Kanzleramt teil.
Foto: John Macdougall

In der Debatte über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine hat der Außenminister des Landes, Dmytro Kuleba, von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schnelle Zusagen gefordert.

»Ich hoffe, dass Scholz eine positive Entscheidung fällt«, sagte Kuleba am Donnerstagabend in den ARD-»Tagesthemen«. Vertreter von Grünen, FDP und Union drangen ebenfalls erneut auf die Lieferung von Kriegsgerät und kritisierten Scholz.

Argumente gegen eine Lieferung der geforderten Waffen seien nicht stichhaltig, sagte Kuleba. Alle Waffen, die die ukrainische Armee auf ihrem Staatsgebiet einsetze, seien defensiver Natur. Aus Sicht des Außenministers hätte der Krieg vermieden werden können, »wenn Deutschland früher Waffenlieferungen zugelassen hätte«.

Kanzler Scholz reagiert ausweichend

Deutschland hat bisher - soweit es bekannt ist - vor allem Panzerfäuste, Maschinengewehre und Luftabwehrraketen sowie Stahlhelme in die Ukraine geschickt. Bei der Frage nach schweren Waffen - dazu gehören etwa Panzer - reagierte Scholz bisher ausweichend.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte am Donnerstag: »Einfache Antworten, auch bei der Lieferung von schwerem Kriegsgerät an die Ukraine, gibt es nicht. Wer das behauptet, handelt verantwortungslos.«

Mützenich ging dabei auf die Reise dreier Bundestagsabgeordneter von Grünen, FDP und SPD in die Ukraine am Dienstag ein, die sich anschließend für weitere Waffenlieferungen ausgesprochen hatten. Unter dem Eindruck von Besuchen vor Ort »bisher beispiellose Entscheidungen zu fordern, ohne sie selbst verantworten zu müssen, ist falsch - zumal diese weitgehende Konsequenzen für die Sicherheit unseres Landes und der Nato haben könnten«, erklärte Mützenich.

Die Vorsitzende des Bundestagsverteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die mit in die Ukraine gereist war, warf Mützenich daraufhin vor, zu denen zu gehören, die »die Notwendigkeit der Zeitenwende« des eigenen Kanzlers nicht verstanden hätten oder nicht verstehen wollten. »Kanzler Scholz hat für seine Zeitenwende unsere volle Unterstützung. Dafür ist es jetzt Zeit, zu führen und dabei gemeinsam als Ampel voranzugehen«, sagte die FDP-Politikerin.

Hofreiter greift den Kanzler an

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, der ebenfalls an dem Ukraine-Besuch teilgenommen hatte, griff Scholz im »Spiegel« erneuert scharf an. »Der Kanzler ist das Problem - nicht nur in der Ukraine-Politik, sondern auch bei anderen Fragen der europäischen Zusammenarbeit«, sagte der Chef des Europaausschusses des Bundestages. Hofreiter hatte bereits nach der Reise bei RTL kritisiert: »Das Problem ist im Kanzleramt.« Man müsse jetzt endlich anfangen, der Ukraine das zu liefern, was sie brauche, und das seien auch schwere Waffen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und die Grünen-Spitze hatten sich zwar von Hofreiters Kritik distanziert. Aber auch Habeck appellierte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe: »Es müssen mehr Waffen kommen. Wir können die Ukraine in dem Krieg nicht alleine lassen. Sie kämpft auch für uns. Die Ukraine darf nicht verlieren, (der russische Präsident Wladimir) Putin darf nicht gewinnen.«

Auf die Frage nach Lieferung schwerer Waffen verwies Habeck aber auch auf »eine Verantwortung dafür, nicht selbst zum Angriffsziel zu werden. Das ist der Rahmen, innerhalb dessen wir alles liefern, was möglich ist.« Dieser Rahmen »schließt große Panzer oder Kampfflugzeuge bisher nicht ein«, fügte Habeck hinzu.

»Natürlich bedeutet eine Brutalisierung des Krieges auch, dass man in Quantität und Qualität der Waffenlieferungen zulegen muss. Aber das besprechen wir mit unseren europäischen Partnern und den Nato-Partnern«, sagte der Wirtschaftsminister weiter.

Roth für umfassende Waffenlieferungen an Ukraine

SPD-Außenpolitiker Michael Roth sprach sich für umfassende Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag sagte der »Frankfurter Rundschau«: »Die Ukrainerinnen und Ukrainer können sich nur verteidigen mit Waffen – und dabei sollten wir sie rasch und umfassend unterstützen.«

Bei einem militärischen Sieg Russlands drohten neue militärische Konflikte in Moldau, Georgien und vermutlich auch auf dem westlichen Balkan, sagte Roth. »Deswegen muss – und das ist auch in unserem nationalen und europäischen Interesse – die Ukraine diesen furchtbaren Krieg gewinnen.« Auch war Roth gemeinsam mit Hofreiter und Strack-Zimmermann nach Kiew gereist.

Deutschland will nicht Kriegspartei werden

Befürchtungen, der russische Präsident könnte die Lieferung schwerer Waffen als Kriegseintritt werten, wies Strack-Zimmermann zurück. »Wir sind keine und werden keine Kriegspartei. Die Ukraine wurde völkerrechtswidrig angegriffen und darf sich entsprechend verteidigen, und der Westen darf sie durch Lieferung militärischen Materials darin unterstützen«, sagte sie der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Putin schreibe seine eigene Geschichte und sei daher »so oder so unberechenbar«.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, forderte angesichts der Debatte ein Machtwort von Scholz: Der »insbesondere von Grünen und FDP beförderte Weg der von Tag zu Tag stärkeren militärischen Einmischung« nehme immer bedrohlichere Ausmaße an. Scholz müsse »den Waffenexzessforderungen von Grünen und FDP Einhalt« gebieten, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Vertreter der Union sprachen sich ebenfalls für weitere Waffenlieferungen aus. Die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler nannte es in der »Heilbronner Stimme« »absolut notwendig und richtig« auch schweres Kriegsgerät zu liefern. Die Ukraine werde brutal von einem Aggressor angegriffen und agiere aus der Defensive heraus. »Deshalb ist auch alles, was wir gerade an Waffen liefern, defensiver Natur.«

Der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt, sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Die Zeit für langwierige Ampeleien ist vorbei.« Deutschland könne und müsse deutlich mehr militärische Unterstützung leisten. »Es braucht eine weitere Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine auch mit schweren Waffen, geschützten Fahrzeugen und Aufklärungstechnik mit Drohnen.«

© dpa-infocom, dpa:220414-99-922285/9