Der frühere US-Präsident Donald Trump rechnet damit, im Zusammenhang mit der gewaltsamen Erstürmung des US-Parlaments am 6. Januar 2021 bald angeklagt zu werden. Sonderermittler Jack Smith habe ihn in einem Brief am Sonntag darüber informiert, dass er Ziel der Ermittlungen sei und sich binnen vier Tagen bei einem Geschworenengremium - einer sogenannten Grand Jury - melden solle, teilte Trump mit.
Dies bedeute fast immer eine Festnahme und Anklage. Der 77-Jährige will bei der Präsidentenwahl nächstes Jahr erneut für die Republikaner kandidieren.
Es wäre die zweite Anklage auf Bundesebene für den Republikaner und die dritte Anklage wegen einer Straftat. Trump war Mitte Juni vor einem Bundesgericht in der US-Metropole Miami angeklagt worden, weil er Regierungsdokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe nach seiner Amtszeit in seinem Anwesen Mar-a-Lago aufbewahrt und nach Aufforderung nicht zurückgegeben hatte. Trump plädierte auf »nicht schuldig«.
Sondermittler sammelt seit Monaten Beweise
Das Justizministerium hatte den Sonderermittler im November eingesetzt, um die politisch heiklen Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten auszulagern. Smith kümmert sich sowohl um die Geheimdokumenten-Affäre als auch um die Rolle des Republikaners bei der Attacke von Trump-Anhängern auf das Kapitol. Er prüft seit Monaten, ob es genügend Beweise für strafrechtliche Schritte gibt. Trump hatte die Wahl 2020 gegen den Demokraten Joe Biden klar verloren - akzeptiert die Niederlage aber bis heute nicht und verbreitet die Lüge vom Wahlbetrug.
Am 6. Januar 2021 hatten Trump-Anhänger schließlich den Sitz des US-Kongresses in Washington gestürmt, wo die Wahlniederlage formal bestätigt werden sollte. Eine von Trump aufgestachelte Menge drang gewaltsam in den Kongress ein, fünf Menschen starben. Trump hatte seinen Vize Mike Pence zuvor öffentlich aufgerufen, das Prozedere zur Beglaubigung von Bidens Wahlsieg zu blockieren. Pence hielt sich jedoch an die Verfassung.
Ausschuss empfiehlt Anklage
Ein Untersuchungsausschuss im Kongress hatte Trump im Dezember in diesem Zusammenhang gleich mehrere Vergehen vorgeworfen und dem Justizministerium empfohlen, gegen Trump vorzugehen. Die Empfehlungen sind jedoch nicht bindend. Der Ausschuss des Repräsentantenhauses untersuchte - ähnlich wie der Sonderermittler - Trumps Rolle bei den Bemühungen, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 zu beeinflussen.
Das Gremium warf Trump damals unter anderem vor, die Menge zum Aufruhr angestiftet zu haben. Es empfahl auch Ermittlungen gegen Trump und weitere Beteiligte wegen Behinderung eines öffentlichen Verfahrens, Verschwörung gegen die US-Regierung und Falschbehauptung gegenüber dem Staat.
Unterstützung aus der eigenen Partei
Trump kritisiert die Ermittlungen insgesamt als politisch motiviert. Auf dem von ihm mitgegründeten Internetportal »Truth Social« schrieb er am Dienstag, es handle sich einmal mehr um eine Hexenjagd, die darauf abziele, ihn an einem Wiedereinzug ins Weiße Haus zu hindern.
Führende Republikaner wie der Vorsitzende im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, solidarisierten sich mit ihm. McCarthy sagte, die Regierung von US-Präsident Biden nutze den Sondermittler mit Blick auf die Wahlen 2024 als Waffe, um gegen Bidens ärgsten Gegner vorzugehen. »Das ist falsch, und die amerikanische Öffentlichkeit hat es satt.« Das Weiße Haus äußerte sich zu den Vorgängen zunächst nicht.
Auch der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, der Trump bei den parteiinternen Vorwahlen bezwingen will, sprach von einer Politisierung des Justizministeriums und des FBI. Gleichzeitig betonte er, Trump hätte sich am 6. Januar 2021 klarer positionieren müssen. Die ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, die ebenfalls gegen Trump antritt, sagte dem Sender CNN hingegen: »Wir sollten uns nicht weiter mit diesem Drama oder der Negativität beschäftigen.«
Bisher liegt Trump in Umfragen unter Parteianhängern vorn - bis zur endgültigen Entscheidung kann aber noch viel passieren.
Noch andere juristische Baustellen
Gegen den Ex-Präsidenten laufen noch weitere Ermittlungen. Alle Augen waren im Frühjahr auf einen Fall in New York gerichtet. Anfang April war Trump unter weltweitem Aufsehen im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar in New York strafrechtlich angeklagt worden. Damit war Trump der erste Ex-Präsident in der US-Geschichte, der wegen einer Straftat angeklagt wurde. Er plädierte auf »nicht schuldig«. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Republikaner unter anderem vor, durch die Zahlung gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen zu haben.
In einem anderen Fall wurde Trump auch schon belangt - zumindest indirekt. Sein Immobilienkonzern wurde in New York unter anderem wegen Steuerbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilt. Trump war dabei nicht persönlich angeklagt gewesen.
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