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Trotz Waffenlieferantrag: Ampel und Union streiten weiter

Ampel und Union haben sich zwar für einen gemeinsamen Antrag zu Waffenlieferungen an die Ukraine zusammengerauft. Allzu weit reicht die Einmütigkeit aber nicht. Das zeigt die Debatte im Bundestag.

Bundestag
Im Bundestag soll ein Antrag für Waffenlieferungen an die Ukraine beschlossen werden. Foto: Christophe Gateau
Im Bundestag soll ein Antrag für Waffenlieferungen an die Ukraine beschlossen werden.
Foto: Christophe Gateau

Der Bundestag hat der Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine zugestimmt und mit breiter Mehrheit den gemeinsamen Antrag von Ampel-Koalition und Union beschlossen. In der Debatte lieferten sich Vertreter von Regierung und Opposition jedoch einen teilweise scharfen Schlagabtausch.

CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz warf Kanzler Olaf Scholz (SPD) erneut Zögerlichkeit und eine Hinhaltetaktik vor. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil bescheinigte ihm daraufhin »parteitaktische Profilierung«. Auch über das Fehlen des nach Japan gereisten Bundeskanzlers empörte sich die Opposition.

Der gemeinsame Antrag von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU wurde mit 586 Ja-Stimmen angenommen, es gab 100 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen. In der namentlichen Abstimmung votierte die SPD geschlossen für den Antrag, bei der CDU/CSU gab es eine Gegenstimme, bei den Grünen zwei Enthaltungen und bei der FDP eine Enthaltung. Auch vier AfD-Abgeordnete und ein Fraktionsloser stimmten mit Ja.

In dem Antrag wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, die Ausrüstungslieferung »fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern«. Sie solle zudem prüfen, ob weitere Waffen abgegeben werden können und aktiv auf Länder zugehen, um ihnen einen Ringtausch anzubieten.

Merz knöpft sich Scholz vor

Merz warf Scholz vor, über Wochen die Frage offen gelassen zu haben, ob die Ukraine Waffen erhalten solle. »Das ist nicht Besonnenheit, wie Sie es in den Ampel-Fraktionen versuchen, in den letzten Tagen zu erklären. Das ist Zögern, das ist Zaudern und das ist Ängstlichkeit«, monierte er. »Das Problem für den Bundeskanzler war und ist nicht die Opposition. Das Problem für den Bundeskanzler war und ist bis zum heutigen Tag die Kritik aus den eigenen Reihen.« Diese sei bis hin zu der Frage gegangen, ob Scholz seinem Amt noch gewachsen sei.

Dessen Warnung in einem »Spiegel«-Interview, die Lieferung deutscher Waffen würde möglicherweise einen Dritten Weltkrieg auslösen, nannte Merz »ebenso unverantwortlich wie aus unserer eigenen historischen Erfahrung heraus falsch und irreführend«.

Klingbeil kontert und attackiert Merz

Auf diese Art Generalabrechnung erwiderte SPD-Chef Klingbeil: »Das hätte heute eine staatspolitische Rede von Ihnen werden können. Es ist aber eine parteipolitische Rede geworden.« Er sei dankbar dafür, dass die Ampel-Fraktionen und die CDU/CSU den gemeinsamen Antrag auf den Weg gebracht hätten, sagte Klingbeil. »Aber hier ist kein Platz für parteipolitische Profilierung.« Der Antrag richte das klare Signal an Kreml-Chef Wladimir Putin und an die Menschen in der Ukraine, »dass wir auf der richtigen Seite der Geschichte als Deutscher Bundestag stehen«.

Chrupalla: Abwesenheit von Scholz »unentschuldbar«

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) griff später das Stichwort »staatspolitische Rede« auf und kritisierte die Japan-Reise des Kanzlers: »Die staatspolitische Rede hätte heute hier der Bundeskanzler halten müssen. Der wäre hier gefordert gewesen. Den hätten wir hier sehen wollen.« Zuvor hatte es schon AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla als »unentschuldbar« bezeichnet, dass Scholz nicht anwesend sei. Der Bundestag streite über Krieg und Frieden »und Herr Scholz reist zur Kirschblüte nach Japan«.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte den Kanzler hingegen. Es gehe jetzt darum, die Beziehungen zu liberalen Demokratien weltweit zu stärken. »Deshalb ist es richtig, dass der Bundeskanzler dieser Tage nach Japan gereist ist, um genau dies zu tun.«

Warnung vor dem Risiko eines Atomkriegs

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warnte vor dem Risiko eines Atomkriegs als Folge der Waffenlieferungen an die Ukraine. »Unter anderem mit der Angst vor einem Atomkrieg hat der Bundeskanzler die Lieferung schwerer Waffen ausgeschlossen, und zwar zu Recht«, sagte Bartsch. Dies erwarteten die Menschen von der Regierung. Doch jeden Tag gebe es bei Scholz und der Ampel eine Kehrtwende. »Es gibt einen fatalen Wettlauf: höher, schneller, weiter.«

Wie »die Beitrittsbekundung zu einem Krieg« lese sich der Antrag, warnte auch Chrupalla. Er äußerte die Befürchtung, dass dieser »den Ukraine-Krieg verlängern wird und uns zur Kriegspartei in einem atomar geführten Krieg machen könnte«. Der AfD-Politiker forderte, Deutschland solle auch zu Russland wieder gute Beziehungen pflegen.

FDP und Grüne verteidigen Waffenlieferungen

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann prangerte Fehler in der Vergangenheit an. Man habe »naiv, ignorant, in deutscher Ruhe« zugesehen, wie Russland bereits vor acht Jahren einen Krieg in der Ostukraine anzettelte, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Seitdem seien 14.000 Menschen ums Leben gekommen. »Es geht um Freiheit und Demokratie, um Selbstbestimmung, um Menschenrechte, die mit den Füßen getreten werden.« Deshalb bitte, rufe und schreie die Ukraine »nach unserer Hilfe«.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann betonte: »Die Ukraine kann sich auf unsere Unterstützung verlassen.« Sie machte deutlich, dass sich die Regierung die Entscheidungen nicht leicht mache: »Wir wägen ab, wir zweifeln, ja, und wir hadern - aber, und wir entscheiden.«

© dpa-infocom, dpa:220428-99-72933/8