Von den Umsturzplänen des vergangene Woche festgenommenen »Reichsbürger«-Netzwerks sollen mindestens 120 Menschen gewusst haben. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) berichtete im Innenausschuss des Bundestags nach Angaben von Sitzungsteilnehmern, bei den Durchsuchungen seien zwischen 120 und 130 Erklärungen gefunden worden, in denen sich Menschen bei Strafandrohung zur Verschwiegenheit verpflichteten.
In der Sitzung ging es auch um die Frage, wie die Gefährlichkeit der Gruppe einzuschätzen ist, deren Mitglieder nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden als waffenaffin und gewaltbereit gelten. Vor einer Woche waren 25 mutmaßliche »Reichsbürger« festgenommen worden. 22 von ihnen wird vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte.
»AfD versucht den Fall zu verharmlosen«
Zu den Festgenommenen gehört die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Die AfD beantragte nach Angaben eines Sprechers deshalb Akteneinsicht bei Generalbundesanwalt Peter Frank. In einem entsprechenden Anwaltsschreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag, heißt es zur Begründung: Im Falle einer Bestätigung des Verdachts gegen Malsack-Winkemann wäre diese nicht länger als Mitglied der AfD tragbar. Die Partei prüfe Parteiordnungsmaßnahmen bis hin zu einem Ausschluss und habe entsprechend der Strafprozessordnung »ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, welche Beweismittel für den Verdacht vorliegen und wie Frau Dr. Malsack-Winkemann sich dazu geäußert hat«.
Bei einer Aktuellen Stunde distanzierte sich der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Gottfried Curio, ausdrücklich von dem Umsturzplänen, zweifelte aber zugleich an deren Erfolgsaussichten. Von der festgenommenen »Rentner-Combo« sei »keine Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung« ausgegangen. Für diese Einlassungen gab es Kritik von allen Seiten. So betonte Justizminister Marco Buschmann (FDP), alle Versuche, die »Reichsbürger«-Razzia ins Lächerliche zu ziehen, seien »absurd« und »frei von jeder Sachkenntnis«.
FDP sieht Pläne zum Waffenrecht kritisch
Faeser informierte die Abgeordneten auch über ihre Pläne für eine Verschärfung des Waffenrechts sowie für eine erleichterte Entfernung von verfassungsfeindlichen Beamten aus dem öffentlichen Dienst. Hier ist angedacht, dass dies künftig per Verwaltungsakt und nicht wie bisher per Verwaltungsgerichtsurteil möglich sein soll, was das Verfahren beschleunigen soll. Diesen Gesetzentwurf will die Ministerin noch vor Weihnachten vorlegen.
Die von ihr angepeilte Verschärfung des Waffenrechts stößt hingegen beim Koalitionspartner FDP weiterhin auf Widerstand. »Das geltende Waffenrecht lässt eine konsequente Entwaffnung von Reichsbürgern bereits zu«, betonte die rechtspolitische Sprecherin der Freidemokraten, Katrin Helling-Plahr. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) kritisierte die FDP für diese Haltung: Die Uneinigkeit in der Ampel-Koalition blockiere ein konsequente Vorgehen. Für die Sicherheit im Land sei das »weder förderlich noch akzeptabel«.
Faeser erklärte am Rande der Ausschusssitzung, ihr gehe es einerseits um einen besseren Austausch zwischen Polizei und Waffenbehörden, etwa wenn ein Mensch umzieht, der eine waffenrechtliche Erlaubnis besitzt. Außerdem will sie kriegswaffenähnliche, halbautomatische Waffen in Privatbesitz verbieten.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), bezweifelte unterdessen, dass die geplante Reform des Disziplinarrechts wirklich zu einer schnelleren Entfernung von Extremisten aus dem Staatsdienst führen wird. Mit Blick auf Spekulationen über eine mögliche Spitzenkandidatur Faesers bei der Landtagswahl in Hessen 2023 sagte er: »Die Bundesinnenministerin hat heute im Innenausschuss des Bundestages bestätigt, dass das Amt des Bundesinnenministers die volle Kraft erfordert, ich hoffe das gilt auch noch in den nächsten Monaten.«
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