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Sturm auf US-Botschaft im Irak

An der US-Botschaft im Irak eskaliert an Silvester die Lage. Hunderte Demonstranten greifen den hochgesicherten Komplex an. Die Lage gleicht einem Pulverfass. Für Präsident Trump ist klar, wer die Schuld daran trägt.

Demonstrant in Bagdad
Ein Demonstrant schürt vor der Botschaft der Vereinigten Staaten in Bagdad ein Feuer. Foto: Khalil Dawood/XinHua/dpa
Ein Demonstrant schürt vor der Botschaft der Vereinigten Staaten in Bagdad ein Feuer. Foto: Khalil Dawood/XinHua/dpa

Bagdad/Washington (dpa) - Nach US-Luftangriffen gegen schiitische Milizen im Irak haben Hunderte Demonstranten die US-Botschaft in der Hauptstadt Bagdad attackiert und versucht, das Gelände zu stürmen.

Mehrere Wachhäuschen am Eingangstor zu dem Botschaftskomplex standen am Dienstag in Flammen, wie auf Livebildern des arabischen Fernsehsenders Al-Arabija am Abend zu sehen war. Demonstranten, die zum Teil in Militäruniformen kamen, schwenkten Fahnen schiitischer Milizen im Irak. Die US-Regierung schickte wegen der gewaltsamen Proteste zusätzliche Truppen zur Sicherung der Vertretung und appellierte an den Irak, die Sicherheit der Botschaft zu garantieren.

Das Außenministerium in Washington erklärte, den Demonstranten sei es nicht gelungen, in die Botschaft einzudringen. Das Personal sei in Sicherheit, die Botschaft werde nicht evakuiert. Botschafter Matt Tueller kehre aus dem Urlaub zurück nach Bagdad, hieß es. »Wir haben klargemacht, dass die Vereinigten Staaten ihre Bürger, die dort sind, um einen unabhängigen und eigenständigen Irak zu unterstützen, sichern und verteidigen werden«, erklärte das Ministerium.

Augenzeugen berichteten der Deutschen Presse-Agentur, dass am Abend immer wieder amerikanische Hubschrauber über die Botschaft flogen. Ein Sprecher der von den USA geführten Militärkoalition im Irak veröffentlichte auf Twitter Videos eines Kampfhubschraubers vom Typ »Apache«, der Signalraketen über der Botschaft abfeuerte. US-Verteidigungsminister Mark Esper erklärte unterdessen, es würden zusätzliche Truppen an die Botschaft entsandt und Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit der US-Bürger zu gewährleisten. US-Medienberichten zufolge wurden unter anderem 120 Marineinfanteristen aus Kuwait eingeflogen.

Präsident Donald Trump machte den Iran für die Ausschreitungen an der Botschaft verantwortlich und drohte Teheran mit unbestimmten Konsequenzen. »Jetzt orchestriert der Iran einen Angriff auf die US-Botschaft im Irak«, twitterte Trump. Dafür würden die Iraner »voll zur Verantwortung« gezogen, erklärte er. Das irakische Militär müsse die Botschaft schützen, forderte er. Das betonte Trump auch in einem Telefonat mit dem irakischen Regierungschef, erklärte das Weiße Haus.

Der Iran wiederum bestritt vehement, etwas mit den Ausschreitungen zu tun zu haben. »Die USA sollten mit diesen politischen Fehlkalkulationen und irrationalen Reaktionen vorsichtig sein«, sagte Außenamtssprecher Abbas Mussawi am Dienstag. Anstatt anderen Ländern die Schuld zuzuschieben, sollten die USA laut Mussawi lieber ihre »destruktive Politik« im Irak überdenken. Die Amerikaner seien in den Augen der Iraker eine »Besatzungsmacht«, weswegen es zu Protesten komme, sagte er Sprecher der Nachrichtenagentur Mehr zufolge.

Das Auswärtige Amt in Berlin hatte den Iran bereits am Montag aufgefordert, seine »Politik der regionalen Destabilisierung« zu beenden, da »die steigende Zahl von Angriffen durch nicht-staatliche Milizen« die Stabilität des Iraks gefährde. Der Iran warf Deutschland daraufhin »grundlose Unterstellungen« vor. Deutschland verschließe zugleich die Augen vor den Einmischungen der USA in die inneren Angelegenheiten des Iraks, twitterte Außenamtssprecher Mussawi.

Am Sonntag hatten die USA bei fünf Luftangriffen im Irak und in Syrien Einrichtungen der schiitischen Miliz Kataib Hisbollah angegriffen. Dabei wurden 25 Menschen getötet und 50 weitere verletzt. Die USA machen die vom Iran unterstützte Miliz für Angriffe auf US-Soldaten verantwortlich, bei denen ein US-Bürger starb.

Wie Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur berichteten, konnten die Demonstranten am Dienstagmorgen zunächst einen ersten Sicherheitsposten an der Zufahrtsstraße vor dem Botschaftsgelände ungehindert passieren und so bis an die Außenmauern und das Eingangstor der Botschaft gelangen. Irakische Sicherheitskräfte seien demnach zunächst nicht eingeschritten.

Demonstranten zündeten dann US-Flaggen an und zertrümmerten Fensterscheiben, berichteten Augenzeugen. Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie Demonstranten Feuer an den Außenmauern des Botschaftsgeländes legten und Brandsätze über die Mauern warfen. Sie beschmierten Außenmauern mit anti-amerikanischen Parolen. »Tod Amerika« und »Geschlossen durch das Volk« stand dort. Hochgerüstete Sicherheitskräfte der USA waren durch Fensterscheiben im Eingangsbereich der Botschaft zu sehen. Irakische Sicherheitskräfte versuchten später, die Menge mit Tränengas auseinanderzutreiben.

Die 2009 eröffnete US-Botschaft in Bagdad ist nach US-Angaben die größte Botschaft der Vereinigten Staaten weltweit. Der hochgesicherte Botschaftskomplex ist mit 42 Hektar in etwa so groß wie der Vatikan.

US-Außenminister Mike Pompeo telefonierte unterdessen mit der irakischen Führung. Der noch amtierende Regierungschef Adel Abdel Mahdi und Präsident Barham Salih hätten Pompeo versichert, dass der Irak seine Verantwortung ernst nehme, die Sicherheit der US-Truppen und US-Einrichtungen zu garantieren, erklärte das Ministerium.

Regierungschef Abdel Mahdi rief die Demonstranten auf, sich umgehend von der Botschaft zurückzuziehen. Die Sicherheitskräfte würden jedem Angriff auf ausländische Botschaften hart begegnen, hieß es in einer Mitteilung. Die irakische Regierung habe die US-Luftangriffe vom Sonntag bereits aufs Schärfste verurteilt, sagte Abdel Mahdi weiter. Er hatte im November aufgrund anhaltender Proteste seinen Rücktritt bekanntgegeben, führt die Amtsgeschäfte aber noch weiter.

Bereits im Mai hatte das US-Außenministerium aufgrund der angespannten Sicherheitslage Teile des Personals im Irak zeitweise abgezogen. Im September waren zwei Raketen in der Nähe des Botschaftsgeländes in Bagdad eingeschlagen.

Nach US-Angaben hat es in den vergangenen zwei Monaten elf Angriffe schiitischer Milizen gegen amerikanische Truppen oder US-Bürger im Irak gegeben. Bei einem Angriff auf eine irakische Militärbasis in Kirkuk, auf der sich auch US-Soldaten und Angestellte befanden, waren am Freitag ein US-Bürger getötet und vier amerikanische Soldaten verletzt worden. Daraufhin griffen die USA mit Kampfjets am Sonntag die Einrichtungen der Kataib-Hisbollah-Miliz an.

Die vom Iran unterstützte Miliz, die Teil der schiitischen Volksmobilisierungseinheiten im Irak ist, kündigte Vergeltung für die Angriffe an. »Das Blut der Märtyrer und der Verwundeten wird nicht vergeblich sein und unsere Antwort gegen die US-Kräfte im Irak wird scharf sein«, sagte der stellvertretende Anführer, Abu Mahdi al-Mohandis unmittelbar nach den Angriffen gegen die Miliz.

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