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Streit um Schuldenobergrenze in den USA spitzt sich zu

Die US-Politiker streiten mal wieder über die Erhöhung der gesetzlich fixierten Schuldengrenze. Klingt technisch, bringt die größte Volkswirtschaft der Welt jedoch an den Rand eines Zahlungsausfalls.

Joe Biden
US-Präsident Joe Biden ist vom G7-Gipfel in Japan zurückgekehrt - in der Heimat erwarten ihn harte Verhandlungen zur US-Schuldenobergrenze. Foto: Susan Walsh
US-Präsident Joe Biden ist vom G7-Gipfel in Japan zurückgekehrt - in der Heimat erwarten ihn harte Verhandlungen zur US-Schuldenobergrenze.
Foto: Susan Walsh

Die USA blicken wieder einmal in den finanzpolitischen Abgrund: Sollte sich der Kongress nicht bald auf eine Anhebung der staatlichen Schuldengrenze verständigen, droht der wohl wichtigste Schuldner der Welt zahlungsunfähig zu werden. Zwar kochte der Schuldenstreit in den vergangenen Jahren immer wieder hoch. Die Folgen eines Zahlungsausfalls wären für die USA - und weit darüber hinaus - jedoch schwerwiegend. Um was geht es eigentlich, und wo liegen die Gefahren, auch für die deutsche Wirtschaft?

Warum streiten Demokraten und Republikaner?

In den USA sind die staatlichen Schulden durch eine gesetzliche Grenze gedeckelt. Diese Grenze muss in unregelmäßigen Abständen durch den Kongress angehoben werden. Im Falle unterschiedlicher Mehrheiten in den Kongresskammern - Repräsentantenhaus und Senat - führt das häufig zu politischem Streit. So ist es auch jetzt.

Das entsprechende Gesetz nennt einen konkreten Höchstbetrag für die US-Verschuldung - ein relativ starres Verfahren, das in kaum einem anderen Land der Welt üblich ist. Die Obergrenze beträgt aktuell 31,4 Billionen Dollar. Weil dieser Deckel bereits erreicht ist, können sich die Vereinigten Staaten nur noch mit einigen finanzpolitischen Kniffen - im Fachjargon »außerordentliche Maßnahmen« genannt - über Wasser halten. Mit anderen Worten: Die Staatskasse ist fast leer.

Warum ist die Verschuldung der USA so wichtig?

Die Vereinigten Staaten sind nicht nur die größte Volkswirtschaft der Welt, sondern auch der global wichtigste Schuldner. Amerikanische Staatsanleihen genießen international einen erstklassigen Ruf. Als Finanzanlage sind sie damit fast ohne Konkurrenz. Hierzu trägt nicht zuletzt die schiere Größe des US-Finanzmarkts bei. In der Folge genießt der amerikanische Dollar den Status einer faktischen Weltreservewährung. In vielen Handels- und Finanzgeschäften ist er zumindest kurzfristig nicht zu ersetzen. Gerät dieses System ins Wanken, drohen schwerwiegende wirtschaftliche Verwerfungen.

Welche Probleme können entstehen?

Die konkreten Folgen sind schwer absehbar, da die Welt von einem derart bedeutenden Zahlungsausfall in jüngerer Vergangenheit verschont blieb. Sehr wahrscheinlich würde aber das Vertrauen in die Vereinigten Staaten als solventer Schuldner erschüttert werden. Die Experten der großen US-Bank JP Morgan sehen zunächst einmal die Gefahr, dass in den USA wichtige Staatsausgaben wie Rentenzahlungen zumindest zeitweise ausfallen würden. Wichtiger für die Weltwirtschaft wäre jedoch, dass das ohnehin bestehende Risiko eines wirtschaftlichen Abschwungs in den Vereinigten Staaten größer würde. Mittelfristig könnte sogar der Status des Dollars als globale Reservewährung in Frage gestellt werden, wenn die USA ihre Auslandsschulden nicht mehr bedienen können.

Mögliche Auswirkungen auf Deutschland und Europa?

»Das ist eine Frage mit viel Wenn und Aber«, sagt Ralf Umlauf, Experte von der Landesbank Hessen-Thüringen. Sollte es tatsächlich zu einem Zahlungsausfall der USA kommen, könnte der Dollar stark an Wert verlieren. Im Gegenzug dürfte der Euro erheblich aufwerten. »Der deutschen Exportwirtschaft käme das in der ohnehin schwierigen Wirtschaftslage sehr ungelegen, da der stärkere Euro ihre Waren international verteuern würde«, warnt Umlauf. Auch sei denkbar, dass es über die Kapitalmärkte zu einem zusätzlichen globalen Zinsschub komme - was ebenfalls eine herbe Belastung für die deutsche wie europäische Wirtschaft wäre. »Entscheidend für die konkreten Auswirkungen dürfte aber sein, wie lange sich der Schuldenstreit tatsächlich hinzieht«, erwartet Umlauf.

Wie realistisch ist eine politische Einigung?

Noch gehen viele Fachleute von einer rechtzeitigen Einigung zwischen Demokraten und Republikanern aus. An diesem Montag will sich US-Präsident Joe Biden erneut mit dem republikanischen Verhandlungsführer Kevin McCarthy treffen. Finanzministerin Janet Yellen warnt seit längerem, dass nicht mehr viel Zeit bleibe: Bereits Anfang Juni drohen demnach erste Zahlungen der USA auszufallen.

Die Vergangenheit zeigte allerdings, dass sich die Parteien letztlich doch zusammenraufen können. »Seit 1960 wurde die Schuldengrenze 78 mal angehoben«, sagt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. So war es auch im Jahr 2011, als die Schuldengrenze nach großem politischen Zwist quasi auf den letzten Drücker angehoben wurde. Allerdings verloren die USA damals ihren Status als erstklassiger Schuldner bei der großen Ratingagentur Standard & Poor's. Solche Bewertungen sind für den Ruf und die Finanzierungskosten eines Landes wichtig.

Experten weisen auch auf historische Unterschiede hin: Die politischen Positionen der Parteien seien heute weiter voneinander entfernt als noch vor zwölf Jahren, heißt es von den Experten bei JP Morgan. Zudem seien die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit hoher Inflation, hohen Zinsen und schwacher Konjunktur heute vollends anders als damals. Das spreche für eine schärfere Reaktion der Finanzmärkte auf eine Eskalation des heutigen Schuldenstreits.

© dpa-infocom, dpa:230522-99-777163/5