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Streit in USA: Florida bringt Migranten auf noble Insel

Seit Monaten setzen US-Republikaner mit provokanten Aktionen ein Zeichen im Streit über die Einwanderungspolitik: Migranten werden in Bussen an demokratisch regierte Orte gebracht. Floridas Gouverneur trägt die Strategie nun einen Schritt weiter.

Migrationsstreit in USA
Einwanderer stehen mit ihren Habseligkeiten vor der St. Andrews-Kirche auf Martha's Vineyard. Foto: Ray Ewing
Einwanderer stehen mit ihren Habseligkeiten vor der St. Andrews-Kirche auf Martha's Vineyard.
Foto: Ray Ewing

Im Streit über die Einwanderungspolitik in den USA weiten republikanische Gouverneure ihre Taktik aus, Migranten in demokratisch geprägte Teile des Landes zu schaffen.

Auf der Insel Martha's Vineyard im Bundesstaat Massachusetts, die als nobler Ferienort bekannt ist, kamen am Mittwoch (Ortszeit) überraschend mehrere Dutzend Migranten per Flugzeug an. Der republikanische Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, hatte die Menschen dorthin bringen lassen, wie dessen Büro in einer Stellungnahme verkündete, die mehrere US-Medien verbreiteten. Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, ließ am Donnerstag zwei Busse voller Migranten öffentlichkeitswirksam in die Nähe der Residenz von US-Vizepräsidentin Kamala Harris in Washington bringen.

Protest gegen die Migrationspolitik

Im Frühjahr hatten Abbott und sein republikanischer Amtskollege aus Arizona, Doug Ducey, damit begonnen, aus Protest gegen die Migrationspolitik der Regierung von US-Präsident Joe Biden Migranten aus den Grenzgebieten mit Bussen in die demokratisch regierten Großstädte Washington, New York und Chicago zu bringen. Allein in Washington kamen Berichten zufolge bereits mehr als 9000 Migranten an. Die demokratische Bürgermeisterin der US-Hauptstadt, Muriel Bowser, rief angesichts der eintreffenden Migrantenbusse zuletzt den Notstand aus, um Unterstützung durch den Bund zu bekommen.

Am Donnerstag wählte Abbott einen besonderen Ort, um Migranten aus seinem Bundesstaat in Washington abzusetzen: die unmittelbare Nachbarschaft des offiziellen Wohnsitzes der US-Vizepräsidentin, die es zur Aufgabe bekommen hat, Fluchtursachen zu bekämpfen und illegale Migration so einzudämmen. Harris leugne die Krise und behaupte, die US-Grenze sei sicher, schrieb Abbott am Donnerstag auf Twitter: »Wir schicken Migranten in ihren Hinterhof, um die Regierung Biden aufzufordern, ihren Job zu machen und die Grenze zu sichern.«

DeSantis trieb die Idee seiner Amtskollegen nun einen Schritt weiter voran, indem er Flugzeuge statt Busse einsetzte und statt einer Großstadt eine kleine Ferieninsel wählte, die regulär nur etwa 15.000 Einwohner hat, im Sommer kommen aber Tausende Besucher hinzu.

In der Stellungnahme aus DeSantis' Büro hieß es, Staaten wie Massachusetts oder New York würden sich besser um die Versorgung der Migranten kümmern. Sie hätten die Menschen »eingeladen«, in die USA zu kommen, indem sie einen Anreiz für illegale Migration schafften und Bidens »Politik offener Grenzen« unterstützten.

Martha's Vineyard ist beliebter Ferienort prominenter Demokraten

Massachusetts hat zwar einen republikanischen Gouverneur, gilt ansonsten jedoch als demokratisch geprägter Bundesstaat, der auch im Senat von zwei Demokraten vertreten wird. Martha's Vineyard im Besonderen ist bekannt als beliebter Ferienort prominenter Demokraten, wie der Familien der früheren Präsidenten Bill Clinton und Barack Obama. Die Obamas besitzen seit ein paar Jahren eine Luxus-Strandvilla auf der Insel. Auch andere Prominente und Wohlhabende haben dort Häuser oder verbringen Urlaube auf der Insel.

Der örtliche demokratische Abgeordnete Dylan Fernandes schrieb auf Twitter, die Gemeinde habe sofort Betten, Mahlzeiten und medizinische Versorgung für die Migranten organisiert.

Er kritisierte das Vorgehen der Republikaner scharf: »Republikaner, die sich selbst als Christen bezeichnen, planen seit einiger Zeit, Menschenleben - Männer, Frauen und Kinder - als politisches Pfand zu benutzen. Das ist böse und unmenschlich.« Fernandes warf DeSantis vor, dieser wolle mit der Aktion nur »billige politische Punkte« machen. Das sei »verdorben«.

Das Weiße Haus verurteilte die Aktionen der republikanischen Gouverneure mit scharfen Worten. Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre nannte ihr Vorgehen »schändlich«, »rücksichtslos« und »schlicht falsch«. Es handele sich um einen kalten, vorsätzlichen politischen Stunt. Die Gouverneure nutzten Familien und Kinder als politisches Druckmittel. »Es ist unmenschlich«, sagte sie. »Es ist grausam.«

DeSantis gilt als möglicher Präsidentschaftsbewerber der Republikaner und als derzeit größter parteiinterner Konkurrent für Ex-Präsident Donald Trump, der seit Wochen Spekulationen anheizt, dass er 2024 für eine zweite Amtszeit antreten könnte. DeSantis ist außerdem mitten im Wahlkampf für eine weitere Amtszeit als Gouverneur, wie Greg Abbott in Texas. Beide stellen sich im November zur Wiederwahl.

Kongresswahl im November

Bei der Kongresswahl am 8. November, in der Mitte von Bidens Amtszeit, werden in den USA alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben. Ebenso stehen in zahlreichen Bundesstaaten Gouverneurswahlen an.

Das Thema Migration gehört seit Jahren zu den erbittertsten Streitpunkten zwischen Demokraten und Republikanern. Trump hatte in seiner Amtszeit einen besonders harten Kurs in der Migrationspolitik gefahren und sich auf verschiedensten Wegen bemüht, Einwanderung zu erschweren. Der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko war das prominenteste Beispiel. Hinzu kamen unzählige Verschärfungen, um Asylsuchende - aber auch andere Einwanderer - fernzuhalten. Biden schlug zu seinem Amtsantritt einen grundlegend anderen Kurs ein.

© dpa-infocom, dpa:220915-99-775158/5