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Streikverbot für verbeamtete Lehrer rechtmäßig

Verbeamtete Lehrer dürfen nicht streiken. Dabei bleibt es auch nach einem Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte. Gewerkschaften sehen in dem Urteil trotzdem einen Arbeitsauftrag für Bund und Länder.

Schule
Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind für die Staaten bindend. Foto: Sebastian Willnow/DPA
Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind für die Staaten bindend.
Foto: Sebastian Willnow/DPA

Das Streikverbot für verbeamtete Lehrer in Deutschland ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) rechtmäßig. Die Bundesrepublik habe damit das Recht auf Vereinigungsfreiheit nicht verletzt, teilten die Richter in Straßburg mit.

Ein allgemeines Streikverbot für alle Beamten werfe zwar menschenrechtliche Fragen auf, allerdings gebe es trotzdem noch genügend Möglichkeiten für Beamte und Gewerkschaften, wirksam für ihre beruflichen Interessen einzutreten. Die verhängten Bußgelder lägen daher im Ermessensspielraum des Staates.

Geklagt hatten drei Lehrerinnen und ein Lehrer aus Deutschland. Sie streikten 2009 und 2010 für bessere Arbeitsbedingungen. Doch da sie verbeamtet waren, hätten sie ihre Arbeit nicht niederlegen dürfen. Deswegen wurden gegen sie Disziplinarmaßnahmen verhängt.

»Geben und Nehmen«

Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren Mitte 2022 rund 665.000 Beamtinnen und Beamte an deutschen Schulen beschäftigt. Anders als Angestellte dürfen sie nicht streiken, denn das Beamtentum in Deutschland basiert auf dem Prinzip »Geben und Nehmen«. Beamte haben eine Verpflichtung zur Treue gegenüber dem Staat, um sicherzustellen, dass der Staat handlungsfähig bleibt, selbst in Krisenzeiten. Als Gegenleistung hat der Staat eine Verpflichtung der »Fürsorge« gegenüber den Beamten. Beamte haben eine lebenslange Anstellung und müssen angemessen bezahlt werden. Gewerkschaften argumentieren dagegen, dass es ein Menschenrecht auf Kollektivverhandlungen zur fairen Aushandlung der Arbeitsbedingungen gibt.

Bevor der Fall in Straßburg landete, hatte er schon deutsche Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Dies bestätigte 2018 das Streikverbot für Beamte. Das Beamtenverhältnis fuße auf einem wechselseitigen System von Rechten und Pflichten, und das lasse ein »Rosinenpicken« nicht zu, hieß es damals.

Dem folgte der EGMR nun größtenteils. Deutsche Beamte könnten Gewerkschaften gründen und ihnen beitreten und die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes hätten ein gesetzliches Mitwirkungsrecht bei der Ausarbeitung von Dienstvorschriften. Daher könnten sich verbeamtete Lehrer trotz Streikverbots an der Festlegung der Arbeitsbedingungen beteiligen. Außerdem seien die gegen die Kläger verhängten Disziplinarmaßnahmen nicht schwerwiegend gewesen und hätten ein konkretes Ziel verfolgt: Das Recht auf Bildung zu gewährleisten.

Zudem müssten Lehrer sich ja auch nicht verbeamten lassen, sondern könnten in einem Angestelltenverhältnis arbeiten, in dem sie streiken dürften, so die Richter. Das Bundesinnenministerium begrüßte das Urteil.

Reaktionen auf das Urteil

Die Erziehungsgewerkschaft GEW, die die Lehrer bei der Klage unterstützt hatte, sprach dagegen von einer »enttäuschenden Entscheidung«. Dennoch gebe es in dem Urteil Ansätze, das Beamtenrecht in Deutschland fortzuentwickeln. Diese müssten jetzt eingehend geprüft und bewertet werden. »Das Urteil des EGMR ist eine Aufforderung an Bund und Länder, sich mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes an einen Tisch zu setzen und über eine demokratische Fortentwicklung des Beamtenrechts in Deutschland zu sprechen«, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern.

Der Beamtenbund dbb begrüßte das Urteil dagegen: Die GEW habe sich aus rein dogmatischen Gründen gegen die eindeutige Bewertung des höchsten deutschen Gerichts gewandt und versucht, auf europäischer Ebene einen Konflikt über die Verfassung heraufzubeschwören.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist von der EU unabhängig. Europarat und Gerichtshof setzen sich für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein. Die Urteile des Gerichtshof sind für die Staaten bindend.

© dpa-infocom, dpa:231214-99-290511/7