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»Strafgebühr« in der Notfallversorgung löst Kritik aus

Eltern gehen nicht nur mit schwerkranken Kindern zum Notarzt, sondern auch bei einem »Pickel am Po« - so zumindest der Vorwurf eines Ärztefunktionärs, der in solchen Fällen eine Gebühr erheben möchte. Doch es regt sich Widerstand.

Kinderklinik
Ein Arzt untersucht im Olgahospital des Klinikums Stuttgart einen kleinen Patienten. Foto: Sebastian Gollnow/DPA
Ein Arzt untersucht im Olgahospital des Klinikums Stuttgart einen kleinen Patienten.
Foto: Sebastian Gollnow/DPA

Eine mögliche Sondergebühr für Eltern, die ohne akuten Bedarf mit ihren Kindern den ärztlichen Notdienst aufsuchen, ist auf breite Ablehnung gestoßen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband der Krankenkassen wandten sich gegen einen entsprechenden Vorschlag von Thomas Fischbach, dem Präsidenten des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Auch das Bundesgesundheitsministerium äußerte sich zurückhaltend.

Angesichts knapper Ressourcen beim Notdienst hatte Fischbach eine finanzielle Abgabe für bestimmte Fällen angeregt. »Die Notfallversorgung muss auf Notfälle konzentriert werden und nicht für die Pickel am Po der Kinder, für die die Eltern unter der Woche keine Zeit haben und mit denen man dann am Wochenende beim Notdienst aufschlägt«, sagte er der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. »Für solche Fälle hielte ich eine Eigenbeteiligung der Versicherten für absolut sinnvoll.«

Für Helge Dickau vom GKV-Spitzenverband wäre es hingegen falsch, »ausgerechnet den Eltern kranker Kinder die Entscheidung aufzubürden, ob der Weg in die Notaufnahme nötig ist oder nicht - und diese dann auch noch mit Gebühren abzustrafen, wenn sie vermeintlich falsch liegen«. Auch der DKG-Vorsitzende Gerald Gaß betonte: »Wir brauchen nicht immer wieder neue Vorschläge, die finanzielle Hürden vor der Inanspruchnahme einer Notfallversorgung aufbauen.« Notwendig sei stattdessen eine funktionierende Patientenberatung und Steuerung, um echte Notfälle von Bagatellerkrankungen zu unterscheiden.

Konzept für Notfallversorgung ohne »Strafgebühr«

Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums verwies lediglich auf die Vorschläge zur Reform der Notfallversorgung, die kürzlich eine Regierungskommission vorgelegt hatte. Darin sei eine »Strafgebühr« nicht vorgesehen. Die Expertenkommission hatte im Februar dieses Jahres ein Konzept für eine effektivere Notfallversorgung vorgelegt. Darin werden unter anderem neue integrierte Leitstellen vorgeschlagen, die am Telefon eine erste medizinische Einschätzung vornehmen und damit Notdienst-Praxen und Notaufnahmen entlasten sollen.

Erst vor wenigen Monaten hatte Kassenärzte-Chef Andreas Gassen eine Notfall-Gebühr für jene Fälle vorgeschlagen, in denen Patienten direkt in die Notaufnahme gehen, ohne vorher die Leitstelle anzurufen oder ohne akute Beschwerden zu haben. Diesem Vorhaben erteilte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) damals jedoch eine deutliche Absage.

© dpa-infocom, dpa:230807-99-739691/6